Raketen aus Iran schüren Angst vor Flächenbrand – Nacht im Überblick
Tel Aviv / Gaza – Nach Raketenangriffen der iranischen Revolutionswächter auf Ziele im Irak und in Syrien wächst international die Sorge über eine Ausweitung des Gaza-Kriegs auf die gesamte Region. Angesichts wiederholter Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten Hisbollah an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel hatte zuvor bereits am Montag UN-Generalsekretär António Guterres vor einem Flächenbrand gewarnt.
Auch die Angriffe der Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf die Schifffahrt im Roten Meer haben das Potenzial, immer weitere Parteien in den Konflikt hineinzuziehen. Die Huthi zählen wie die islamistische Hamas im Gazastreifen und die libanesische Schiitenorganisation Hisbollah zur sogenannten «Achse des Widerstands», einem Netzwerk im Kampf gegen Israel.
Irans Revolutionswächter beschiessen Ziele im Irak und in Syrien
Die iranischen Revolutionswächter (IRGC) feuerten nach eigenen Angaben mehrere ballistische Raketen auf Ziele im Irak und in Syrien ab. Die Angriffe seien Rache unter anderem für den verheerenden Anschlag in der südiranischen Stadt Kerman Anfang Januar sowie die Tötung eines hochrangigen IRGC-Offiziers Ende Dezember, teilte das IRGC-Webportal in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) mit.
Ziel der Attacke in der nordirakischen Stadt Erbil sei eine Spionagezentrale des israelischen Geheimdienstes Mossad gewesen. In der Nähe eines neuen im Bau befindlichen US-Konsulats schlugen Augenzeugen zufolge mehrere Raketen ein. Sicherheitskreisen zufolge kamen dabei vier Zivilisten ums Leben. Die US-Regierung verurteilte den iranischen Raketenangriff auf Erbil. Der Angriff in Syrien galt nach iranischen Angaben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Bei dem Beschuss handelte es sich laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna mit einer Strecke von mehr als 1200 Kilometern um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Landes. Dies dürfte auch ein klares Signal an den Erzfeind Israel sein. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Landes aus benötigen, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen.
UN-Generalsekretär in Sorge vor Ausweitung des Gaza-Kriegs
UN-Chef Guterres zeigte sich mit Blick auf die Lage an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon bereits zuvor in grosser Sorge vor einer Ausweitung des Gaza-Kriegs auf die weitere Region. «Ich bin zutiefst besorgt von dem, was sich da entfaltet», sagte Guterres. «Es ist meine Pflicht, allen Seiten diese einfache und direkte Botschaft zu überbringen: Hört auf, an der blauen Linie mit dem Feuer zu spielen, deeskaliert und bringt die Gewalt zu einem Ende.»
Die blaue Linie markiert die Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es dort immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten Hisbollah. Sie ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Neben einem sofortigen Waffenstillstand forderte Guterres zudem erneut die Freilassung aller Geiseln und eine Untersuchung der von der Hamas und anderen bei dem Massaker am 7. Oktober verübten sexuellen Gewalt.
Israels Verteidigungsminister: Intensive Kämpfe in Nord-Gaza beendet
Die intensiven Kampfhandlungen der israelischen Streitkräfte gegen die islamistische Hamas im Norden des Gazastreifens sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums indes beendet. Auch im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens im Bereich der Stadt Chan Junis werde die intensive Phase der Bodenoffensive bald vorüber sein, zitierte die Zeitung «The Times of Israel» Verteidigungsminister Joav Galant. «Am Ende des Krieges wird es keine militärische Bedrohung aus dem Gazastreifen mehr geben. Die Hamas wird nicht in der Lage sein, den Gazastreifen zu kontrollieren und als militärische Kraft aufzutreten», sagte er. Um die Freilassung der restlichen israelischen Geiseln zu erreichen, müsse der militärische Druck aufrecht erhalten werden.
Hamas veröffentlicht Geisel-Video – Sorge um Leben der Entführten
Die Hamas veröffentlichte erneut grausame Videoaufnahmen von israelischen Geiseln. In dem Video war unter anderem eine junge Frau zu sehen, die über den angeblichen Tod zweier männlicher Entführter bei israelischen Angriffen im Gazastreifen spricht. Militärsprecher Daniel Hagari sagte anschliessend, man sei in grosser Sorge um das Leben der zwei männlichen Geiseln. Er wies die Darstellung der Hamas zurück, dass sie von der israelischen Seite getötet worden seien. Am Ende des Hamas-Videos ist eine blutige männliche Leiche zu sehen.
Auch mehr als drei Monate nach dem Massaker vom 7. Oktober, bei dem Terroristen der Hamas und anderer Palästinenserorganisationen mehr als 1200 Menschen auf oft bestialische Weise getötet und mehr als 240 weitere in den Gazastreifen verschleppt hatten, werden in dem Küstenstreifen noch 136 Menschen festgehalten. Israel geht davon aus, dass etwa zwei Dutzend von ihnen nicht mehr leben.
Huthi greifen nach US-Angaben wieder Frachter im Roten Meer an
Die jemenitischen Huthi griffen nach US-Angaben erneut ein Containerschiff im Roten Meer an. Das zuständige Regionalkommando des US-Militärs teilte mit, die Rebellen hätten eine ballistische Antischiffrakete auf die «M/V Gibraltar Eagle» abgefeuert. Sie wurde demnach aus von Huthi kontrollierten Gebieten im Jemen abgeschossen. Bei dem Schiff handelte es sich den Angaben zufolge um einen unter der Flagge der Marshallinseln fahrenden US-Frachter. Es habe weder Verletzte noch Schäden gegeben.
Der britische Premierminister Rishi Sunak rechtfertigte die Luftschläge gegen die Huthi-Rebellen und drohte mit neuen Aktionen, sollten weiterhin Schiffe im Roten Meer angegriffen werden. «Die Bedrohung der Schifffahrt muss aufhören», sagte Sunak im Parlament in London. «Illegal festgehaltene Schiffe und Crews müssen freigelassen werden. Und wir bleiben vorbereitet, um unseren Worten Taten folgen zu lassen.»
Was am Dienstag wichtig wird
Nach den Raketenangriffen des Iran in Syrien und im Irak dürften die Spannungen in der Region weiter steigen. Während die Kämpfe im Gazastreifen unerbittlich weitergehen, bleibt die humanitäre Lage für die palästinensische Zivilbevölkerung katastrophal. (awp/mc/ps)