SGKB investment views: Was ist mit dem Schweizer Obligationenmarkt los?
In den USA hat Fed-Präsident Jerome Powell vor dem Kongress mehr oder weniger angekündigt, dass die Fed ab dem Sommer den Leitzins in den USA senken wird. Christine Lagarde äusserte sich für die EZB in etwa ähnlich. Thomas Jordan hat diesbezüglich noch keine Andeutungen gemacht. Die SNB hat auch keinen Grund dazu, die Zinsen überhastet zu senken. Das Zinsniveau in der Schweiz ist im Unterschied zu den USA und der Eurozone nicht konjunkturbremsend. Ein Abdriften in die Deflation ist in weiter Ferne. Vielmehr hält sich die Inlandteuerung hartnäckig bei 2% am oberen Rand des SNB-Bandes. Die Wirtschaft ist dank dem starken Konsum insgesamt solide aufgestellt und eine Rezession ist unwahrscheinlich.
von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank
Der Franken hat sich in den letzten Wochen wieder abgeschwächt, womit diesbezüglich für die SNB ebenfalls kein unmittelbarer Handlungsbedarf mehr besteht. Ich gehe daher davon aus, dass Zinssenkungen der SNB erst in einem Jahr ein Thema werden, wenn die Zinsdifferenz zum Euro durch die Zinssenkungen der EZB von aktuell 2.25% wieder auf das «normale» Mass von 1.0% bis 1.5% geschrumpft ist.
Am Schweizer Obligationenmarkt verfangen meine Argumente allerdings nicht. Jeder Renditerückgang in den USA wird brav mitgemacht. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe ist auf 0.70% gesunken. Unternehmensanleihen von Schuldnern mit einer guten Bonität und einer Laufzeit von 4 Jahren werfen noch 1.00% ab. Für ähnliche Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren liegt mit 1.10% nicht viel mehr drin. Waren Obligationen im letzten Sommer mit Renditen von über 2% noch eine attraktive Alternative, sind sie heute nach Abzug der Inflation fast sicher ein reales Verlustgeschäft.
Unrealistische Erwartungen
Die Renditen widerspiegeln die Erwartung, dass die SNB über die nächsten Jahre ihren Leitzins über eine längere Zeit deutlich unter 1.00% senken wird. Ein Blick in die Vergangenheit lässt an einem solchen Szenario zweifeln, wenn man die Periode der Negativzinsen ausklammert. Zwischen 1995 und 2011 lag der von der SNB gesteuerte Libor-Zins in der Schweiz im Durchschnitt bei 1.50%.
Darin berücksichtigt sind zwei Nullzinsphasen nach dem Platzen der Dot-Com-Blase 2002 und nach der Finanzkrise 2008. Über diese Zeit schwankte die Inflationsrate im Band der SNB zwischen 0% und 2% und betrug im Durchschnitt 0.9%. Die Realzinsen lagen somit mehrheitlich im leicht positiven Bereich, was mit der ökonomischen Regel in Einklang ist, dass Geld etwas kosten soll.
Zu tiefe Renditen der Obligationen
Damit die Geldmarktzinsen über eine längere Zeit wieder gegen Null sinken, braucht es ein Extremszenario, beispielweise eine lange anhaltende Deflationsgefahr wie in Japan. Dazu müssten die Rohstoffpreise einbrechen. Eine weitere Möglichkeit ist eine Wiederholung der Finanzkrise und ein Fall in eine tiefe Rezession. Während der Corona-Pandemie haben die Zentralbanken gezeigt, dass sie in einer solchen Situation nicht zögern und die Zinsen stark nach unten drücken. Möglich ist auch, dass die SNB beginnt, wieder den Franken zu steuern und für eine Schwächung der Währung die Zinsen zumindest auf 0% setzt. Dazu müsste sie aber auch bereit sein, die Devisenreserven wieder anschwellen zu lassen, da tiefe Zinsen alleine nicht genügen, um den Franken dauerhaft zu schwächen. All diese Szenarien sind nicht unmöglich, aber aus heutiger Sicht in der nächsten Zeit unwahrscheinlich. Daher sind die Renditen der Obligationen aktuell zu tief und bieten keine attraktiven Einstiegsmöglichkeiten mehr. (SGKB/mc/pg)