Meret Schneider: Bio 365 – mit Coop vom Regen in die Traufe

Meret Schneider: Bio 365 – mit Coop vom Regen in die Traufe
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Immer wieder habe ich gefordert, die Grossverteiler müssten ihre überproportionalen Margen auf Bio- und Labelprodukten reduzieren und in der Folge entweder Labelprodukte günstiger anbieten oder zumindest entsprechend höhere Produzentenpreise auszahlen, damit möglichst viel vom Mehrpreis bei den Bäuerinnen und Bauern ankommt. Durch ihre relative Marktmacht haben es die Detailhändler aktuell in der Hand, Produzentenpreise bei Bio- und Labelartikeln zu drücken, während sie aufgrund der hohen Kaufkraft der “traditionellen” Bio-Kundschaft die Konsumentenpreise weiterhin hochhalten.

Damit fahren sie eine wesentlich höhere Marge ein als bei konventionellen Produkten, bei denen die Diskrepanz zwischen Produzenten- und Konsumentenpreise wesentlich geringer ausfällt. Klar ist aber auch, dass mit dieser Preispolitik sowohl das Ziel von mehr Bio- und Labelproduktion in der Landwirtschaft verfehlt wird, da sich für viele Bäuerinnen und Bauern aufgrund der hohen Aufwendungen und der geringen Entschädigung eine Umstellung schlicht nicht lohnt, als auch das Ziel eines höheren Anteils der Bevölkerung, die sich Bioprodukte leisten können, torpediert wird. Man ruht sich auf der hohen Zahlungsbereitschaft eines kleinen Segments sehr kaufkräftiger Biokundinnen und -kunden aus, ohne Ambitionen, dieses Segment wesentlich zu erweitern – dachte ich lange.

Entsprechend positiv überrascht war ich denn auch angesichts der neuen “Bio 365”-Linie, die von Coop lanciert mit dem vorgeblichen Ziel wurde, Bioprodukte günstiger und damit für einen grösseren Anteil der Bevölkerung erschwinglich zu machen. Die positive Überraschung hielt leider – und dies wenig überraschend – nicht lange an. Mit “Bio 365” werden Importprodukte ausgezeichnet, die den EU-Bio-Anforderungen genügen, nicht aber denjenigen der Knospe, wie im Magazin BioAktuell.ch zu lesen ist. Ein weiteres Label, bei dem Konsumierende kaum Chancen haben zu erkennen, was genau damit verbunden ist – ausser, dass mit dem Schlagwort “Bio” ein gutes Gefühl evoziert wird, das eine genaue Recherche obsolet macht. So genau will man es dann doch nicht wissen, wenn Bio-Produkte plötzlich wesentlich erschwinglicher angeboten werden. Ein Blick hinter das Label tut hier definitiv Not.

Coop plant mit Bio 365 ein eigenes Biolebensmittelsegment mit billigen Importprodukten aufzubauen. Dabei sollen zunächst verarbeitete Erzeugnisse angeboten werden, bei ausreichender Nachfrage werden dann auch Frischprodukte folgen. Aufgrund der geringeren Standards und Lohnkosten ist es möglich, diese Produkte wesentlich günstiger anzubieten als Bio-Knospen – Lebensmittel, die den Schweizer Bio-Standards genügen müssen. Dadurch stehen die günstigeren Alternativen in direkter Konkurrenz zu Bio Suisse, während sich letztere im Regal gegenüber der günstigeren Marke behaupten müssen, ohne dass ersichtlich wird, zu welchen Standards Bio 365 produziert wurde. Weiter damit verbunden ist natürlich auch die Befürchtung, dass die neue Linie den Druck auf die Produzentenpreise noch einmal erhöhen und laschere Haltungsvorschriften begünstigen wird. Auf BioAktuell.ch werden beispielsweise Bioeier genannt. Hier beträgt die maximale Bestandesgrösse in Schweizer Biobetrieben 4000 Hennen (in zwei Ställen), während Biobetriebe im Ausland teilweise 10’000 – 20’000 Hühner halten dürfen.

Sucht man aktuell nach Produkten unter Bio 365, so findet man online als erstes zwei Sorten Kaffeekapseln, die neben “Bio 365” auch das EU-Biologo und die Max-Havelaar-Auszeichnung tragen, nicht aber das Naturaplan-Logo. Dass Coop EU-Bioprodukte ohne Knospe führt, ist derweil nichts Neues. Bereits seit Längerem stehen solche Produkte unter unterschiedlichen Marken im Sortiment, beispielsweise der Prix Garantie Tofu nature – dieser wird aber nicht als Bioprodukt ausgelobt – und dies ist der matchentscheidende Unterschied. Der Prix-Garantie Tofu steht damit in keinster Weise in Konkurrenz zu den hochpreisigeren Tofusorten aus dem Thurgau oder dem Zürcher Oberland, da mit der EU-Bioproduktion nicht geworben wird. Wer also Biotofu aus Schweizer Produktion kaufen will, greift zu den entsprechend bezeichneten Produkten ohne dem Irrtum zu verfallen, es handle sich beim Prix Garantie-Produkt um einen nach Schweizer Biostandards hergestellten Tofu.

Coop betont zwar, dass dem breiten Knospensortiment mit rund 4000 Artikeln nur wenige ausgewählte Produkte unter dem EU-Biolabel gegenüberstehen. Das Unternehmen stehe aber für Vielfalt und biete seinen Kundinnen und Kunden grundsätzlich in allen Sortimentsbereichen die Wahlfreiheit, so die Begründung für die Einführung des neuen Labels. Soweit, so gut  –  der Teufel steckt aber wie so oft im Detail. Solange der Unterschied zwischen Bio 365 und Bio Suisse nicht klar auf der Verpackung ersichtlich und damit transparent kommuniziert wird, bleiben die Produkte eine klare Konkurrenz zur hiesigen Bioproduktion und torpedieren eine Ausweitung des Anteils der Bevölkerung, die tatsächlich Bioprodukte nachfragen und damit auch eine Ausweitung der Produktion ermöglichen würden.

Bei Bio Suisse betrachtet man die Entwicklung derzeit entspannt. “Die Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen der Marke Knospe und den Werten von Bio Suisse, für die sie steht”, meint Präsident Urs Brändli auf BioAktuell.ch. Sie schätzten die hohe Qualität der Knospe-Produkte und kauften diese auch.

Ich wünschte, ich könnte seinen Optimismus teilen. Tatsächlich trugen bis anhin fast alle Importprodukte das Knospenlabel und wie sich Bio 365 mittel- und längerfristig auf die Bio-Importpolitik von Coop auswirkt, steht derzeit in den Sternen. Denn nicht nur die Richtlinien für Produktion, sondern auch die Verarbeitungsrichtlinien von EU-Bio sind weniger streng als diejenigen der Bio Suisse, was weiter günstigere Preise unter dem Label Bio ermöglicht. Bio Suisse ist zwar überzeugt, dass Knospenkundinnen und -Kunden der Marke die Treue hielten und darauf vertrauten – was ich für durchaus realistisch halte.

Das Ziel jedoch, die Schweizer Bioproduzentinnen und -produzenten zu fördern und zu stärken, wird damit torpediert und die Produzentenpreise weiter unter Druck gesetzt, während man es mit dieser Billigmarke verpasst, ein grösseres Kundensegment anzusprechen. Würde man nämlich tatsächlich den Absatz Schweizer Bioprodukte stärken wollen, gäbe es eine einfache Lösung und damit schliesst sich der Kreis: Die Reduktion der Margen auf Labelprodukte und damit günstigere Konsumentenpreise – für echtes Knospenbio.


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