Eurizon Check-up: Konsensschätzung für das zweite Halbjahr

Eurizon Check-up: Konsensschätzung für das zweite Halbjahr

Das Jahr 2024 bestätigt die zu Jahresbeginn aufgestellten Einschätzungen. Damals wurde eine Fortsetzung des weltweiten Wirtschaftszyklus prophezeit. Im ersten Halbjahr sorgten die US-Makrodaten systematisch für Überraschungen. So wird das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr nun auf 2,3 % geschätzt, während zu Jahresanfang noch 1,2 % erwartet worden waren.

Die Schätzung für 2024 scheint sich jedoch zu stabilisieren und sich nicht mehr nach oben zu bewegen. Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Konsens für die nächsten zwei Jahre von einem weiteren Wachstum der US-Wirtschaft von knapp 2 % jährlich ausgeht.

Das Wachstum in der Eurozone, das im Jahr 2023 nur 0,4 % betrug, wird für dieses Jahr auf 0,7 % veranschlagt, wobei in den letzten Monaten eine leichte Aufwärtskorrektur vorgenommen wurde. Die Eurozone entfernt sich von der Beinahe-Rezession, mit der sie 2023 endete. Jedoch bleibt das Wachstumstempo unter dem durchschnittlichen Wachstumsniveau in der Zeit vor Corona.

Hauptgrund für diese Entwicklung ist das geringere Wachstum des Welthandels, das die Exporte und somit das verarbeitende Gewerbe dämpft. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, könnten die Konsenserwartungen für die Eurozone für die Jahre 2025 und 2026 durchaus etwas optimistisch sein.

Hinsichtlich der Inflation scheint die Rückkehr zur Preisstabilität, ähnlich wie in der Zeit vor Corona, in der Eurozone faktisch erreicht. Seit Ende 2023 bewegt sich die Inflation stabil im Bereich von 2,5 %. In den USA waren die ersten Monate des Jahres 2024 für die Preise stärker als erwartet, aber jetzt hat der Abwärtstrend der Inflation wieder eingesetzt. Der Konsens erwartet weiterhin eine allmähliche Abkühlung in Richtung der 2 %-Marke, die im Jahr 2025 erreicht werden soll.

Damit spiegelt der Konsens die Erwartung wider, dass sich der Wirtschaftszyklus nicht nur im Jahr 2024, sondern auch in den beiden Folgejahren fortsetzt. In diesem Fall wird sich der Mix aus Wachstum und Inflation nach den turbulenten Jahren des Aufschwungs nach der Corona-Krise letztendlich stabilisieren.

In den kommenden Monaten dürften diese Erwartungen durch den Ausgang der US-Wahlen beeinflusst werden.

Im Allgemeinen verfolgt keine der beiden US-Parteien eine Agenda, die die weltweiten makroökonomischen Fundamentaldaten aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Es ist jedoch zu beachten, dass die Trump-Agenda in steuerlicher Hinsicht leicht expansiv zu sein scheint. Dies würde sich positiv auf die Unternehmensgewinne auswirken, aber in Bezug auf Importzölle und Einwanderungskontrollen leicht inflationär wirken. Im Gegensatz dazu könnte die Agenda der Demokraten Steuererhöhungen für Unternehmen beinhalten, die sich restriktiv auf die Wirtschaft auswirken, aber der Fed mehr Spielraum für Zinssenkungen lassen.

Mit der Stabilisierung des Wachstums- Inflations-Verhältnisses bleibt den Zentralbanken Raum, die 2022/2023 eingeführten Notfallmassnahmen zur Inflationsbekämpfung aufzuheben.

Bisher haben beide, die EZB und die Fed, wenn auch die letztere in stärkerem Masse, mit Zinssenkungen gezögert, obwohl die Inflation weit von den Höchstständen des Jahres 2022 entfernt ist. Sie zogen es vor, auch angesichts der Widerstandsfähigkeit des Wirtschaftswachstums, die Inflation mit Vorsicht zu bekämpfen.

Die Zurückhaltung der Zentralbanken wird durch die Konsenserwartungen bestätigt, die in den Futures auf Zinssätze abgebildet werden. Tatsächlich gehen die Erwartungen sowohl für die EZB als auch für die Fed von einem Zinssenkungszyklus von 150/200 BP bis Ende 2025 aus. Doch die erwartete Geschwindigkeit der Lockerung ist ausgesprochen schleichend und unterscheidet sich deutlich von früheren Zyklen, in denen die Zinssätze schnell und stark gesenkt wurden, um Rezessionsrisiken zu begegnen.

Auch die derzeit prognostizierte Zinsobergrenze bestätigt das umsichtige Vorgehen der Zentralbanken. Ein Fed-Funds-Zins von 3,5 % und ein EZB-Zins von 2,5 % würden Ende 2025 immer noch über den bis dahin erwarteten Inflationswerten liegen. Die Referenzannahme ist daher die Beseitigung einer übermässigen geldpolitischen Straffung, um eine Fortsetzung des Expansionszyklus zu ermöglichen. Sie bedeutet keine Umstellung auf eine expansive Politik, um eine Verlangsamung einzudämmen, die nicht Bestandteil des Hauptszenarios ist.

Auf den Anleihemärkten ermöglichen die Forward-Kurven einen Blick in die Zukunft. Dazu wird das Referenzszenario der Märkte herangezogen. Die US-Kurve, die heute kurzfristige Zinssätze von über 5 % und langfristige Zinssätze (10 Jahre) von 4 % aufweist, deutet auf eine im Grossen und Ganzen flache Kurve binnen eines Jahres hin. Die kurzfristigen Zinssätze dürften niedriger sein als heute und langfristige Zinssätze nur wenig verändert. Ein ähnlicher Trend ist bei der EUR-Kurve zu beobachten. Aktuell liegen die kurzfristigen Sätze bei über 3,5 % und die langfristigen Sätze einen Prozentpunkt darunter. In etwa einem Jahr sollte die Kurve fast flach sein und knapp unter 3 % liegen.

Diese Indikatoren entsprechen den Erwartungen für das makroökonomische Szenario und die Geldpolitik. Binnen eines Jahres sollten wir die Hälfte des geldpolitischen Lockerungszyklus hinter uns haben. Die Anleihekurven dürften dann wieder halbwegs normal verlaufen, d.h. die kurzfristigen Zinssätze liegen unter den langfristigen Zinssätzen.

In diesem Zusammenhang ist es erheblich, dass die US-Kurve im extralangen Abschnitt (10 bis 30 Jahre) bereits positiv geneigt ist. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Anleger einen noch langen Wirtschaftszyklus vor sich haben. Ein langer Wirtschaftszyklus wäre ein günstiges Szenario für Unternehmen, Gewinne und damit für den Aktienmarkt.

Die Konsenserwartungen für die Gewinne in den USA liegen in diesem, im nächsten und im Jahr 2026 im zweistelligen Bereich (10,5 %, 14,7 % bzw. 12,3 %).

Für den Eurostoxx sind die Prognosen weniger überschwänglich, aber immer noch positiv: +3,9 % in diesem Jahr (wenn die makroökonomische Abschwächung des letzten Jahres einfliesst), +10,7 % und +9,3 % für die nächsten zwei Jahre.

Dies sind durchaus tragfähige Annahmen. Schliesslich werden sie durch ein Umfeld gestützt, das an sich eine Fortsetzung des Makrozyklus mit stabiler Inflation und sinkenden Leitzinsen erwarten lässt. Doch gerade, weil sie vertretbar sind, werden diese Annahmen vom Markt bereits teilweise diskontiert.

Vor allem einige Segmente des US-Marktes (Tech-Titel) sind stark überbewertet, wodurch die Voraussetzung für eine Korrektur geschaffen werden könnte. Die für den August typisch knappen Volumina und die politischen Unsicherheiten in den USA bieten möglicherweise den Vorwand dafür. Mit dem beschriebenen Szenario als zentraler Hypothese sollte jede Korrektur jedoch als gesunde Verschnaufpause aufgefasst werden. (Eurizon/mc/ps)

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