Till Reuter, CEO Dormakaba, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Reuter, im Gegensatz zur mauen Gesamtwirtschaft konnte Dormakaba den Halbjahresumsatz um 4,7 und das EBITDA um 1,2 Prozent steigern. Security scheint wichtiger denn je…
Till Reuter: Wir sind mit unserem Ergebnis sehr zufrieden und zuversichtlich, dass dormakaba auch 2024/25 weiter profitabel wachsen wird; unterstützt durch einen hohen Auftragsbestand und neue, innovative Produkte. Megatrends wie das Bedürfnis nach Sicherheit, Urbanisierung und Nachhaltigkeit sowie neue technologische Möglichkeiten im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung sowie Smart Living treiben unsere Nachfrage weiter an. Diese Megatrends erfordern aber auch neue Lösungen. Deshalb investieren wir auch weiterhin in erheblichem Umfang in Innovation, Produktentwicklung und Nachhaltigkeit. Damit nutzen wir die Wachstumschancen, die diese Trends mit sich bringen und verteidigen unsere Position als einer der Innovationsführer im Bereich Zutrittslösungen.
Wie schützt man sich am besten vor Hackern?
Das Thema Hacker wird man nie ganz als Risiko ausschliessen können, da sich Technologien verändern und ständig weiterentwickeln. Ziel muss es sein, das Gefährdungspotenzial aber so weit wie möglich einzudämmen. Risikominimierung und nicht falsche Versprechungen stehen hier im Mittelpunkt unseres Vorgehens. Wir haben ein nach dem internationalen Standard ISO 27001 zertifiziertes Managementsystem für Informationssicherheit. Wir überwachen und verbessern ständig unsere Sicherheitsstandards, um unsere Infrastruktur und die Integrität unserer Produkte und Dienstleistungen zu schützen. Unsere Kunden und Partner können darauf vertrauen, dass wir mit unseren robusten Qualitätskontrollverfahren alles daransetzen, um die Sicherheit unserer Produktezu gewährleisten.
Dormakaba investiert über drei Jahre rund CHF 100 Millionen Franken in die IT and Prozessverbesserungen. Vor welchem Hintergrund erfolgt das?
Wir investieren damit in mehr Sicherheit für unsere Kunden, und wir wollen agiler und innovativer werden. Dormakaba hat Anfang Juli 2023 sein Transformationsprogramm eingeführt, um die Umsetzung der Strategie über drei Jahre zu unterstützen. Wir wollen damit die Kundenorientierung weiter vorantreiben und unser Unternehmen für die Zukunft stärken.
Im ersten Jahr der Umsetzung hat das Programm erhebliche Fortschritte gemacht und zu spürbaren Verbesserungen geführt. Wir haben die drei geplanten regionalen Shared Service Center eingerichtet, die Produktivität der Werke verbessert, die Lieferantenbasis weiter konsolidiert und die Optimierung des Betriebsnetzwerks für die Umsetzung konkretisiert. Mit den Sozialpartnern in Deutschland, der Schweiz und Österreich wurden Vereinbarungen getroffen, die es uns ermöglicht haben, in die Umsetzungsphase einzutreten und die entsprechenden Kosteneinsparungen zu realisieren. Um alle Initiativen zu unterstützen, werden wir die Komplexität der IT-Systeme reduzieren und gleichzeitig die Effizienz der Prozesse und die Standardisierung der gesamten Geschäftstätigkeit erhöhen.
«Unsere Kunden schätzen an unserem Design insbesondere die gute Integrierbarkeit in die architektonische Grossform.»
Till Reuter, CEO Dormakaba
Welche Rolle spielen Design und Ästhetik bei dormakabas Produkten?
Das Produktdesign dient der Wiedererkennbarkeit. Wir bringen unsere klar definierte Markenidentität durch einen einzigartigen Mix aus Ästhetik und Designsprache direkt zum Ausdruck. Ästhetisches Design ist für uns mehr als „nur“ gut auszusehen. Es ist ein programmatischer Ansatz, der durch seine vereinheitlichenden Details ein wiedererkennbares Design schafft. Hier gilt der Satz «Form Follows Function». Die Funktionalität unserer Produkte bilden wir über strukturelle, technische und interaktive Komponenten ab. Unsere Kunden schätzen an unserem Design insbesondere die gute Integrierbarkeit in die architektonische Grossform. Eindrucksvolle Projekte dafür sind zum Beispiel das «House of Communication» in München, der NV Tower in Sofia oder das Millenium in Lausanne.
Unsere Designsprache bietet Antworten und Lösungen, die unsere Entwicklungsarbeit vereinfachen und den Entscheidungsprozess verkürzen. Sie unterstützt auch unsere Designentwicklung und die Suche nach den einfachsten Lösungen von der Produktion über die Nutzung bis hin zum Recycling. Marke, Innovation und ästhetisches Design müssen sich gegenseitig ergänzen. Je perfekter dies gelingt, desto erfolgreicher sind wir als Unternehmen wirtschaftlich.
Sie wollen auch viele Produkte vereinfachen. Was heisst das für Ihr Portfolio?
Wir führen ein konzernweites Projekt zur Reduzierung der Komplexität durch, um das Portfolio zu verbessern, zu modularisieren und die Kosten zu senken sowie unser Netzwerk zu optimieren. Dabei konzentrieren wir uns auf Verschlankung des Portfolios aus Markt- und Kundensicht, Entwicklung einer modularen Produktarchitektur und Optimierung unseres globalen Netzwerks. Neben dem Produktmanagement und dem Vertrieb sind auch die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie der Einkauf in das Projekt zur Optimierung des Portfolios eingebunden.
«Wir konzentrieren uns auf Verschlankung des Portfolios aus Markt- und Kundensicht, Entwicklung einer modularen Produktarchitektur und Optimierung unseres globalen Netzwerks.»
Dormakaba erreicht eine Abfallvermeidungsquote von rund 90 Prozent. Das liegt sicherlich daran, dass Sie so viel schweres Metall verarbeiten…
Das spielt sicherlich eine Rolle. Wir haben hohe Recyclingquoten bei Altmetall, und diese Materialien haben auf dem Sekundär-Rohstoffmarkt noch einen gewissen Wert. Aber das ist nicht die vollständige Lösung des Problems. Wir arbeiten auch intensiv daran, unser Ziel „Zero Waste to Landfill“ („Keine Abfälle auf der Mülldeponie“) für unsere Produktionseinheiten zu erreichen. Wir haben diesen Anteil seit dem Ausgangswert bereits um 25% reduziert. Das bedeutet, dass ein grösserer Teil dieses Abfallaufkommens im Rahmen unserer Ziele für die Kreislaufwirtschaft der Wiederverwendung oder dem Recycling zugeführt wird.
Warum ist für Sie Kobalt ein so wichtiges ESG-Thema?
Nicht Kobalt an sich ist ein so wichtiges Thema für uns – es ist das Menschenrechtsrisiko in der Elektronik-Lieferkette, das uns beschäftigt. Wir sind der Überzeugung, dass Wertschöpfung immer auch Werte voraussetzt. Deshalb überprüfen wir im Rahmen unserer Sorgfaltspflicht den Bereich der Menschenrechte extrem genau auf Risiken und mögliche Auswirkungen in Bezug auf unsere Lieferkette. Dabei haben wir mögliche Zusammenhänge mit Kinderarbeit in den entferntesten Bereichen unserer Lieferkette festgestellt, wo wir leider nur geringen Einfluss haben.
Wie jedes Unternehmen, das elektronische Komponenten bezieht, können auch wir nicht sicher sein, dass das Kobalt, das zur Herstellung dieser Komponenten verwendet wird, nicht aus der Demokratischen Republik Kongo stammt. Wir rufen daher andere Unternehmen dazu auf, sich unseren Bemühungen anzuschliessen, um gemeinsam gegen das weit verbreitete Problem der Kinderarbeit im Kleinbergbau in der Demokratischen Republik Kongo vorzugehen.
«Wir rufen andere Unternehmen dazu auf, sich unseren Bemühungen anzuschliessen, um gemeinsam gegen das weit verbreitete Problem der Kinderarbeit im Kleinbergbau in der Demokratischen Republik Kongo vorzugehen.»
Im Einklang mit internationalen Standards haben wir Verfahren entwickelt, um mögliche nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte zu verhindern. Wir arbeiten nicht nur mit unseren Lieferanten zusammen, um mit verantwortungsvollen Schmelzwerken zu kooperieren, sondern sind auch eine langfristige Partnerschaft mit «Save the Children Switzerland» und dem «Centre for Child Rights and Business» eingegangen. Wir fördern mit unseren Partnern ein weltweit einzigartiges Projekt zur Unterstützung der Opfer von Kinderarbeit in Kleinbergbaugemeinden in der Demokratischen Republik Kongo. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wird dormakaba insgesamt rund eine Million Schweizer Franken investieren, um die Ziele des Projekts zu unterstützen.
Der jetzt auf 29% gesteigerte Return auf das eingesetzte Kapital zeigt, dass Sie sich sehr schlank aufgestellt hat. Rohstoffkosten können fast vollständig weitergegeben werden, richtig?
Unsere Industrie verfügt über eine sehr gute Disziplin bezüglich Preiserhöhungen. Im Geschäftsjahr 2023/24 haben wir dank unseres Transformationsprogramms gute Fortschritte bei der Umsetzung unserer Strategie gemacht. Das führte zu einem überzeugenden Ergebnis mit starkem organischem Wachstum und einer deutlichen Margensteigerung, die sich auch in einer Steigerung des Return on Capital Employed widerspiegelt. Trotz eines schwierigen Marktumfelds verzeichnen wir ein starkes organisches Nettoumsatzwachstum von 4.7%, das auf höhere Volumen (1.9%) und Preisrealisierungen (2.8%) zurückzuführen ist. Wir werden unsere Strategie konsequent weiterverfolgen und die Transformation weiter erfolgreich vorantreiben. Vor diesem Hintergrund haben wir auch unsere Mittelfristziele bestätigt: ein jährliches organisches Umsatzwachstum von 3-5%, eine bereinigte EBITDA-Marge von 16-18%, die im Geschäftsjahr 2025/26 erreicht wird, und eine Kapitalrendite (ROCE) von über 30% ab dem Geschäftsjahr 2025/26.
Spielen die Energiekosten für Ihr Unternehmen eine Rolle?
Im Grossen und Ganzen machen die Energiekosten nur einen sehr geringen Teil unserer Betriebskosten aus. Ausserdem arbeiten wir an der Ausweitung von Initiativen für erneuerbare Energien, die bisher bereits zu Kosteneinsparungen geführt haben.
Sie sehen hohes Potenzial in Nordamerika, aber was macht das «Problemland» China?
Mit unserem Geschäft in China konnten wir in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2023/24 die Volumina steigern und mit einem positiven organischen Umsatzwachstum abschliessen.
Die Nettoverschuldung im Vergleich zum EBITDA ging fast auf eins zurück. Was werden Sie mit dem grossen finanziellen Spielraum machen?
Angesichts der guten Fortschritte im Geschäftsjahr 2023/24 haben wir unsere Strategie bekräftigt und den Schwerpunkt auf weiteres profitables Wachstum verlagert – «From Shape to Growth». Bei der Umsetzung der Strategie werden wir uns künftig auf die folgenden drei Treiber konzentrieren: Erhöhung der Performance, Reduzierung von Komplexität sowie Innovation & Wachstum. Derzeit liegt unser Fokus auf unserem Kerngeschäft und der erfolgreichen Umsetzung unseres Transformationsprogramms. In Zukunft werden wir uns dank der guten Entwicklung auch wieder auf Akquisitionen konzentrieren können, die zu unserem Kerngeschäft passen und es ergänzen.
In den letzten Jahren mussten die Aktionäre eher sinkende Dividenden gewärtigen. Was ist Ihre Message für die Zukunft?
Der Verwaltungsrat wird der Generalversammlung 2024 vorschlagen, für das Geschäftsjahr 2023/24 eine Dividende von CHF 8.00 pro Aktie auszuschütten. Dies entspricht einer Ausschüttungsquote von 51.1%. Darin spiegeln sich die starke operative Leistung und die Auswirkungen der einmaligen Restrukturierungskosten für die Transformation auf den Reingewinn dieses Geschäftsjahres wider.