Meret Schneider: Unser täglich Brotpreis

Meret Schneider: Unser täglich Brotpreis
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Alles wird teurer – auch unser täglich Brot. Argumentiert wird zuweilen mit Inflation (immer gut und schwer falsifizierbar, da sie offensichtlich existiert, aber niemand so richtig weiss, wo und auf was sie konkret ihre Auswirkungen hat), hohen Energiepreisen und schlechten Ernten des jeweiligen Rohstoffes. Und so nehmen wir Teuerung um Teuerung zwar mit der Faust im Sack, aber ohne Prüfung der oft entwaffnend kurzen Argumentationskette hin.

So auch bei der Brotpreiserhöhung kürzlich im Coop. Coop hat angekündigt, die Preise für einen Grossteil des Brotsegments um 20 Rappen von 2.40 CHF auf 2.60 CHF pro Kilo Brot zu erhöhen. Er argumentiert dabei mit höheren Getreidepreisen auf dem Markt aufgrund der schlechten Getreideernte 2024 – und hat damit nur zur Hälfte recht. Richtig ist, dass das Jahr 2024 ein Jahr des Wehklagens für Weizen- und des Grauens für Gerstenbauern war: Laut «Landbote» ist der Ertrag beim Schweizer Brotweizen um einen Drittel eingebrochen – einige Bauern haben Verluste von bis zu 50% zu beklagen, die ihnen niemand ersetzt. Die schlechte Ernte ist auf das unbeständige Wetter mit teilweise starken Niederschlägen sowie fehlender Wärme und Sonnenschein zurückzuführen. Ein katastrophales Jahr also für die Weizenbauern – nicht aber a priori für Coop.

Tatsächlich nämlich wurde das Importkontignent für Brotweizen von 15’000 Tonnen bereits im Oktober vorzeitig freigegeben und eine Erhöhung des ordentlichen Importkontingents von 70’000 Tonnen um 20’000 Tonnen wurde bereits ersucht. Was also an Inlandgetreide nicht vorhanden ist, wird importiert – grundsätzlich auch richtig so, in anderen Zeiten wären die Menschen in solchen Jahren einfach verhungert und hätten mit Krankheiten und Seuchen zu kämpfen gehabt. Was ebenfalls an der Argumentation von Coop stimmt, ist, dass der Richtpreis, also der Preis, der an die Getreidebauern ausbezahlt wird, tatsächlich etwas gestiegen ist – allerdings nur um 1.5 Franken pro 100 Kilo Brotweizen, was den Preisaufschlag von 2.40 auf 2.60 pro Kilo Brot keineswegs rechtfertigt. Umso absurder wird die Argumentation von Coop, da aufgrund der geringen Inlandsverfügbarkeit sogar vermehrt mit Importgetreide gebacken werden muss und die internationalen Getreidepreise etwa 10% unter den Vorjahreswerten liegen. Das würde also eher dafür sprechen, dass der Brotpreis auf dem aktuellen Niveau konstant bliebe.

Die Grossverteiler fragen nun also erhöhte Preise bei den Konsumierenden nach, ohne relevant höhere Richtpreise zu zahlen und damit den Bauern einen Dienst zu erweisen, wie sie es in ihrer Argumentation vorgeben zu tun. Stattdessen scheint diese Erhöhung primär in der Marge zu versickern. Sollte dem nicht so sein, bin ich jederzeit offen und erfreut für eine Erklärung, wie die überproportionale Preiserhöhung sonst zu Stande kommt – an den Produzentenpreisen liegt sie nicht. Die Schweizer Getreideproduzenten tragen das Risiko der schlechten Ernten nämlich selber, was für viele Bauern dieses Jahr Mindereinnahmen von bis zu 1500 Franken pro Hektar bedeutet. Gleichzeitig müssen sie mit Preisabzügen auf ihrer Getreideabrechnung von CHF 4.60/dt rund 45’000 Tonnen heimisches Getreide stark verbilligt exportieren.

Nur schon diese Absurdität zeigt die Dringlichkeit einer Reform der Getreidemarktordnung deutlich auf. Der Verein Faire Märkte Schweiz hat entsprechend eine gründliche, kartellrechtliche Analyse der Getreidemarktordnung bei der Wettbewerbskommission gefordert, die Wettbewerbsverzerrungen im Brotgetreidemarkt aufdecken soll. Was auch immer dort resultieren wird: Spannend wäre es, wenn Weizenbäuerinnen und -bauern einmal die Gelegenheit hätten, mit den Vertreterinnen und Vertretern der Grossverteiler an einem runden Tisch zu sitzen und tatsächlich über faire Handelspraktiken und Weizenpreise zu diskutieren – aktuell scheinen sich beide von der Gegenseite missverstanden und unfair behandelt zu fühlen.


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