Nestlé-Management muss am Investorentag hohe Erwartungen erfüllen
Vevey – Der einstige Börsenliebling Nestlé hat es schwer: Seit Monaten befindet sich die Aktie des weltgrössten Lebensmittelkonzerns auf Tauchgang. Das führte im August zum Rauswurf des früheren Chefs. Übernommen hat der langjährige Manager Laurent Freixe. Am Dienstag präsentiert er seine Pläne einem anspruchsvollen Publikum.
Auf den Schultern des Managers, der seit fast 40 Jahren bei Nestlé arbeitet und seit 16 Jahren in der Geschäftsleitung sitzt, lasten viele Herausforderungen. Er muss den sogenannten «Supertanker» Nestlé wieder auf Kurs bringen. Seit ihrem Höchststand im Jahr 2019 haben die Aktien des Konzerns fast 40 Prozent an Wert eingebüsst.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass das Unternehmen in den letzten paar Quartalen hinter den Erwartungen der Analysten zurückgeblieben ist. Während Nestlé früher mit seinen Quartalszahlen die Konkurrenz meist locker übertreffen konnte, fällt der Konzern heute zurück.
Zum Vergleich: Nestlé wuchs in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres organisch um 2,0 Prozent. Danone legte in dieser Zeit organisch um 4,2 Prozent zu, Mondelez um 4,0 Prozent und Unilever um 4,3 Prozent. Natürlich sind die Zahlen nicht eins zu eins vergleichbar. Dass Anleger jedoch angesichts dieser Unterschiede enttäuscht sind von Nestlé, liegt auf der Hand.
Das erwarten Experten
Analysten erhoffen sich von den Investorentagen am Dienstag und Mittwoch darum Klarheit zu Freixes Strategie. Sie wollen wissen, wann Nestlé für die Anleger wieder attraktiver wird. Und wie das Unternehmen seine hohe Verschuldung – die sich während der Ära des früheren Chefs Mark Schneider verdoppelt hat – wieder herunterbringen will.
«Wir gehen davon aus, dass Freixe das Kapital gezielter einsetzen wird, sei es in Marken, Digitales, ESG oder Kapazitäten. Angesichts des relativ hohen Verschuldungsgrads erwarten wir, dass sich Nestlé auf die Erhöhung der Dividende konzentriert und von einem neuen Rückkauf absieht», heisst es etwa in einem Kommentar von Vontobel.
Unter dem früheren Chef hat Nestlé viel Geld ausgegeben, um in neuen Geschäftsfeldern Fuss zu fassen. Ein Beispiel dafür ist der Ausbau von Nestlé Health Science, der Gesundheitssparte des Unternehmens.
Analysten glauben, dass der neue Chef hier zumindest teilweise den Rotstift ansetzen dürfte. «Wir gehen davon aus, dass Nestlé sein Produkt- und Markenportfolio weiter straffen wird, vor allem bei Nestlé Health Science», heisst es etwa in einer Vorschau der Bank Vontobel. Die Sparte enthalte zahlreiche Marken und Produkte und unterschiedliche Geschäftseinheiten. Laut «Finanz und Wirtschaft» rechnen manche Beobachter gar mit einem baldigen Verkauf des Geschäfts.
Aber einige Initiativen von Schneider dürfte er auch weiter fortsetzen. Dazu gehören etwa der Verkauf unrentabler und unzeitgemässer Geschäfte sowie die verstärkte Konzentration auf Premium-Produkte.
Das ist schon bekannt
Einige Eckdaten zu seiner Strategie hat Freixe bereits bekanntgegeben. Er wolle «mit der Basis» wachsen, sagte er. «Die Konzentration auf unsere Kernkategorien, Kernmarken, Kernprodukte und Kernwachstumsplattformen werden im Mittelpunkt unseres Ansatzes stehen», sagte er etwa anlässlich seiner Ernennung zum CEO im August. Akquisitionen schloss er zwar nicht aus, der Fokus liege aber klar beim Kern des Unternehmens. Darum erklärte er es zu einer Priorität, mit dem vorhandenen Portfolio die Marktanteile auszubauen.
Zudem will Freixe die Produktivität steigern, während gleichzeitig die Kosten gesenkt werden. «Wir wollen Leistung erbringen, während wir uns transformieren», sagte er damals.
Anpassung der Jahresziele?
Bei Jefferies rechnet man damit, dass Nestlé seine bisherigen Prognosen für das mittelfristige Umsatzwachstum und die operative Marge überarbeitet. Bislang stellte das Management ein organisches Wachstum von 4 bis 6 Prozent in Aussicht und eine operative Marge von 17,5 bis 18,5 Prozent für die Mittelfristperiode bis 2025. Dieses Jahr dürfte das organische Wachstum etwa 2 Prozent betragen und die Marge weniger als 17 Prozent.
Obwohl der Chef bei der Präsentation der Neunmonatszahlen im Oktober noch keine konkreten Aussagen zu den mittelfristigen Zielen bekanntgab, versprach er, er werde bei der Guidance «realistisch sein».
Diese realistische Zielsetzung erachtet man bei Vontobel als wichtige Voraussetzung, damit das Vertrauen der Investoren zurückkommt und das Team von Nestlé wieder zusammenfindet. «Was die Ziele betrifft, so wünschen wir uns ein nachhaltiges Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent und einen klaren Fokus auf die Cash-Generierung», so der zuständige Experte. «Der Weg wird lang und holprig sein, aber wir sind überzeugt, dass in Nestlé (noch) viel Wert steckt.» (awp/mc/pg)