Endometriose mit künstlicher Intelligenz schneller erkennen
Baden – An Endometriose leiden rund zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. Obwohl diese chronische Erkrankung relativ oft vorkommt, bleibt sie häufig unerkannt. Denn sie verursacht Symptome, die ebenso gut auf andere Erkrankungen hindeuten könnten. Endometriose wird deshalb auch als «Chamäleon der Medizin» bezeichnet. Bisweilen dauert es Jahre, bis sie als solche diagnostiziert wird.
«Um eine Endometriose zu erkennen, braucht es viel Erfahrung», sagt Mark Ormos, Leiter des KSB-Endometriosezentrums. «Manchmal erkennt man Hinweise beim Tasten, im Ultraschall oder mithilfe anderer Bildgebungsverfahren.»
Um eine zuverlässige Diagnose zu erhalten, setzen viele Gynäkologinnen und Gynäkologen auf eine Bauchspiegelung. Dieser laparoskopische Eingriff ist jedoch nicht nur aufwändig und belastend für die Patientinnen, sondern auch relativ kostenintensiv. Bei vielen Patientinnen liesse sich Endometriose auch mit Ultraschallaufnahmen diagnostizieren, ist Ormos überzeugt: «Dies erfordert allerdings viel Know-how und Erfahrung, da die Endometriose-Herde leicht übersehen werden können.»
Scanvio, ein Spin-off der ETH Zürich
Hier kommt nun die im Mai 2024 gegründete Firma Scanvio Medical AG zum Zuge, ein Spin-off der ETH Zürich. Das vom KI-Experten Fabian Laumer und dem Gynäkologen Michael Bajka mitgegründete Start-up, das eng mit der Medical-Data-Science-Gruppe der ETH Zürich kooperiert, unterstützt Ärztinnen und Ärzte bei der Interpretation der Ultraschalldaten. Ziel ist es, Endometriose mit Hilfe von künstlicher Intelligenz deutlich zuverlässiger und schneller zu diagnostizieren.
«Die Ultraschall-Bildgebung ist sehr komplex und schwer zu interpretieren. KI kann bei der Diagnosestellung unterstützen», erklärt Julia Vogt, Medical-Data-Science-Professorin an der ETH Zürich.
Die auf künstlicher Intelligenz basierende Software erkennt Pathologien auf den Ultraschallbildern der Gebärmutter, die für das menschliche Auge oft schwer oder gar nicht zu sehen sind. Mit Hilfe von medizinischen Daten wird der Algorithmus nun weiter verfeinert und im klinischen Alltag im KSB auf seine Praxistauglichkeit getestet. Dieses Vorhaben wird von Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, mit rund 660’000 Franken unterstützt.
Kooperation trägt Früchte
«Es handelt sich um ein Paradebeispiel für die Zusammenarbeit zwischen dem KSB und der ETH Zürich», sagt KSB-CEO Adrian Schmitter. «Indem wir den ETH-Forschenden Zugang zu unseren klinischen Daten ermöglichen und unsere Ärzte ihr medizinisches Know-how einbringen, können wir einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Medizin leisten.»
Die ETH Zürich belegt seit Sommer 2023 zwei Stockwerke im Partnerhaus II auf dem KSB-Gesundheitscampus in Baden-Dättwil. Ziel ist es, Innovationen im Gesundheitswesen, insbesondere in der Digitalisierung, gemeinsam voranzutreiben. «Innovation darf aber kein Selbstzweck sein. Vielmehr soll sie dazu dienen, dass unsere Patientinnen und Patienten stets die bestmögliche Behandlung erfahren», sagt Schmitter.
Im Bereich der Endometriose-Diagnose sollten die Fortschritte schon bald ersichtlich sein. Läuft alles nach Plan, ist für Scanvio Medical ein Markteintritt Ende 2025 denkbar. Wobei dann noch verschiedene Zertifizierungen anstehen, damit die Software in Medizingeräten eingesetzt werden darf. Für KI-Experte Laumer steht fest: «Unser Ziel ist es, dass Frauen künftig beim ersten gynäkologischen Untersuch eine verlässliche Diagnose erhalten.» (pd/mc/pg)