Schweizer BIP wegen Industrieschwäche nur leicht gewachsen
Bern – Die Schweizer Wirtschaft ist im dritten Quartal 2024 wegen einer anhaltend schwächelnden Industriekonjunktur nur leicht gewachsen. Die ersten Daten für laufende vierte Quartal sind dafür schon mal vielversprechend.
Konkret legte das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) von Juli bis September 2024 auf bereinigter Basis gegenüber dem Vorquartal um 0,2 Prozent zu, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Freitag mitteilte. In den beiden Quartalen davor lag das Wachstum bei 0,4 bzw. 0,1 Prozent, wobei beide Werte zusammen mit den aktuellen Zahlen leicht nach unten revidiert wurden.
Die Werte sind sportevent-bereinigt. Bekanntlich verzerren Olympische Spiele oder Fussball-Grossanlässe das hiesige BIP wegen der Lizenzeinnahmen, welche den hierzulande ansässigen Sportverbänden zufliessen. Unbereinigt war das BIP-Wachstum im dritten Quartal mit 0,4 Prozent etwas stärker. Wie auf bereinigter Basis ist aber auch dies etwas weniger als im zweiten Quartal (+0,6%).
International im Mittelfeld
Im Vergleich zu den unmittelbaren Nachbarländern liegt die Schweiz laut Seco damit im Mittelfeld. Frankreich verzeichnete ein stärkeres Wachstum, Deutschland ein etwas schwächeres, Italien eine Stagnation. Stärker wuchsen im Berichtsquartal vor allem die USA.
Insgesamt sind die Zahlen aber mehr oder weniger im Rahmen der Erwartungen ausgefallen. «Angesichts des Wachstums in anderen Ländern, vor allem in Europa, war für die exponierten Bereiche der Schweizer Wirtschaft nicht mehr zu erwarten», sagte Felicitas Kemeny, Ressortleiterin Konjunktur beim Seco, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Insbesondere im für die Schweiz wichtigen Nachbarland Deutschland bleibe die konjunkturelle Lage schwierig.
Gestützt wurde das verhaltene Schweizer Wachstum im Sommerquartal durch die Binnennachfrage und dabei insbesondere durch den Konsum. Sowohl die privaten Haushalte wie auch der Staat konsumierten mehr. Die stark nachlassende Inflation, weiterhin steigende Beschäftigungszahlen und Löhne hätten den Gang der Binnenkonjunktur stabilisiert, schreibt das Seco. Auch der Bau blicke auf ein positives Quartal zurück.
Industrie klar rückläufig
Demgegenüber kamen von der Industrie bzw. dem Aussenhandel negative Impulse. Die typischerweise konjunktursensitiveren Bereiche der Warenexporte, wie Metalle und Maschinen, entwickelten sich seit einigen Quartalen schwach und seien zuletzt rückläufig gewesen. Entsprechend habe die klassische Industrie, abgesehen von der Branche Chemie-Pharma, deutlich im Minus abgeschlossen(-1,1%).
Ökonomen sind deswegen aber nicht beunruhigt. Ein BIP-Wachstum von 0,2 Prozent sei «bemerkenswert unspektakulär» in einem internationalen Umfeld, das von einer deutlichen Wachstumsschwäche und Strukturproblemen gezeichnet sei, meinte etwa Karsten Junius von J. Safra Sarasin.
Der kräftige private Konsum und die rege Bautätigkeit zeigten jedenfalls, dass sich die Schweizer Haushalte von der im Ausland schlechten Stimmung nicht anstecken liessen und so den negativen Wachstumsbeitrag des Aussenhandels etwas kompensiert hätten. Zu denken gäben allenfalls die erneut schwachen Ausrüstungsinvestitionen, die nun in fünf der letzten sechs Quartale gefallen seien, so Junius weiter.
Gute Exportzahlen im Oktober
Ob der konjunkturelle Tiefpunkt mit dem vergangenen Quartal schon erreicht oder gar bereits vorüber ist, muss sich noch zeigen. Die wegen aktualisierter Aussenhandelszahlen leicht abwärtsrevidierten BIP-Zahlen für das erste und zweite Quartal dürften sich zumindest auf die Wachstumszahlen für das Gesamtjahr 2024 negativ auswirken und könnten entsprechend in den nächsten Wochen zu Abwärtsrevisionen bei den aktualisierten BIP-Prognosen der Ökonomen führen.
Für das laufende vierte Quartal muss das aber nichts bedeuten. Beispielsweise sind etwa die Warenexporte im Oktober auf breiter Basis relativ stark gestiegen. «Die ersten ‹harten Zahlen› für das vierte Quartal sehen gut aus», meinte denn auch Felicitas Kemeny vom Seco.
Einigermassen zuversichtlich zeigt sich auch GianLuigi Mandruzzato von EFG Asset Management: «Die Aussichten für das Schweizer Wachstum haben sich in letzter Zeit verbessert, wie etwa auch der Anstieg des KOF-Geschäftsklimaindex für den November zeigt», so der Ökonom der Privatbank. (awp/mc/pg)