abrdn skizziert fünf Makrothemen, die man im Jahr 2025 im Auge behalten sollte

abrdn skizziert fünf Makrothemen, die man im Jahr 2025 im Auge behalten sollte
Paul Diggle, Chief Economist abrdn.

Paul Diggle, Chefökonom bei abrdn, erklärt die fünf wichtigsten Themen, die Anleger im kommenden Jahr im Auge behalten sollten.

Der Zyklus der Zinssenkung wird verkürzt

Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) den Leitzins auf ein jedoch höheres Basisniveau senken wird, und gehen nun davon aus, dass der Zinssenkungszyklus in der zweiten Jahreshälfte 2025 bei einem Leitzins von 3,5 bis 3,75 % ins Stocken geraten wird. In einer zweiten Amtszeit von Donald Trump erwarten wir, dass eine Kombination aus fiskalischer Lockerung und Deregulierung das Wachstum moderat ankurbeln wird, wenn auch der grösste Teil des Schubs im Jahr 2026 kommen wird, wenn zusätzliche Steuersenkungen in Kraft treten werden. Diese Belebung der Nachfrage wird zu einem stärkeren Inflationsdruck beitragen. Starke Zollerhöhungen auf Importe sowie ein starker Rückgang des Wanderungssaldos werden über einen negativen Angebotsschock ebenfalls Aufwärtsdruck auf die Preise ausüben.

Infolgedessen gehen wir davon aus, dass das von der Fed bevorzugte Mass für die PCE-Kerninflation bis 2025 und 2026 bei knapp 2,5 % jeweils gegenüber dem Vorjahr liegen wird. Das bedeutet, dass die Fed weniger Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik haben wird. Wir glauben, dass sie die Zinsen deutlich über dem neutralen Niveau halten muss, um die Inflationserwartungen aufrechte zu erhalten. Ein längerfristig höheres Basisprofil der US-Zinsen wird sich auf die Zentralbanken auf der ganzen Welt auswirken. Im Allgemeinen werden die Schwellenländer unverändert Richtung niedrigere Zinsen gehen, aber das Tempo und das Ausmass ihrer Zinssenkungszyklen könnten zurückhaltender sein.

Schulden sind wieder ein Grund zur Sorge

Die globale Staatsverschuldung ist auf über 100 Billionen US-Dollar gestiegen, was fast 100 % des globalen BIP entspricht. Die Staatsverschuldung der USA liegt deutlich über 100 % des BIP und das Defi-zit bei 6,7 %. Das ist extrem hoch, wenn man bedenkt, dass in der Wirtschaft im Wesentlichen Vollbeschäftigung herrscht. Trumps Politik könnte die US-Verschuldung und das US-Defizit noch weiter erhöhen und zu höheren langfristigen Prämien auf US-Schulden führen. Die Anleger könnten mehr Ausgleich für die Risiken ei-ner höheren Inflation und grösserer Unsicherheit im Zusammenhang mit der Trump-Präsidentschaft fordern. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass das Defizit auf über 7 % des BIP ansteigt, und es gibt Szenarien, in denen es deutlich stärker ansteigt.

Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die Laufzeitprämie auch aus Gründen, die nicht mit der Verschuldung zusammenhängen, steigen könnte. Negativere Angebotsschocks, etwa durch den Klimawandel und die Geopolitik, werden zu mehr Perioden mit hoher Inflation und geringem Wachstum führen. Dies kann zu einer anhaltend positiven Korrelation zwischen Anleihen und Aktien führen, was die Laufzeitprämie und damit die Kreditkosten in den USA in die Höhe treibt.

Schwellenländer: Gewinner und Verlierer der sich verändernden Globalisierungsmuster

Die erhöhte handelspolitische Unsicherheit und das inflationärere Umfeld in den USA werden für viele Schwellenländer schwer zu bewältigen sein. Die hohen Handelsüberschüsse Mexikos und Vietnams mit den USA setzen sie dem grössten Risiko von Strafmassnahmen aus Washington aus, könnten aber als langfristige Gewinner der Verschiebung der Lieferketten hervorgehen, insbesondere wenn sich die Bemühungen der USA in erster Linie auf die Abkopplung von China konzentrieren. Wir rechnen nicht mit einem Zusammenbruch der Handelsbeziehungen zwischen den USA und Mexiko. Die tiefe Verflechtung Mexikos mit der US-Industrie untermauert unsere Einschätzung, dass das Land letztlich von grösseren Handelsbeschränkungen verschont bleiben wird, wie es während der ersten Präsidentschaft Trumps der Fall war. Je mehr sich die USA von China abkoppeln, desto mehr werden sie andere Länder brauchen, und Mexiko ist gut aufgestellt, um diesen Wandel zu nutzen.

Die US-Aussenpolitik wird versuchen, die Bedingungen für Waffenstillstände sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten zu schaffen

Wir gehen davon aus, dass die Volatilität im Nahen Osten anhält und der Iran zunehmend in den Fokus der israelischen und US-amerikanischen Sicherheitspolitik rücken wird. Unser Basisszenario sieht einen zeitweiligen militärischen Schlagabtausch zwischen Israel, vom Iran unterstützten Milizen und dem Iran selbst vor. Wir gehen auch davon aus, dass die US-Politik gegenüber dem Iran zu einer ähnlichen Haltung wie unter Trumps erster Amtszeit («maximaler Druck») zurückkehren wird, mit einem verstärkten Einsatz und einer stärkeren Durchsetzung von Sanktionen (auch gegen Ölexporte) und einer Einschränkung des iranischen Atomprogramms. Es gibt zwar ein positives Szenario, in dem der Iran auf den Druck der USA reagiert, indem er sein Atomprogramm beendet und die regionalen Spannungen deutlich zunehmen, aber es gibt auch ein negatives Szenario, in dem direkte israelisch-iranische Kämpfe zu einem grösseren regionalen Krieg eskalieren.

Europa ist die nächste Quelle politischer Risiken

Im Frühjahr finden voraussichtlich die Bundestagswahlen in Deutschland statt, und ein zentrales Wahlkampfthema ist die Zukunft der «Schuldenbremse», welche die Defizitausgaben auf 0,35% des BIP begrenzt. Wir gehen davon aus, dass die nächste deutsche Regierung die Schuldenbremse in gewisser Weise reformieren wird, aber die Konturen der Änderungen sind viel weniger sicher und hängen von der Anzahl der Sitze der letztendlichen Regierung ab und dürften sich nur in einer moderaten fiskalischen Expansion niederschlagen. Unterdessen verschärfen sich die politischen und haushaltspolitischen Probleme Frankreichs, nachdem Michel Barnier es nicht geschafft hat, einen Haushalt zu verabschieden, der die vom Defizitverfahren der Europäischen Kommission geforderte Haushaltskonsolidierung enthält. Neuwahlen zum Parlament sind erst ein Jahr nach der letzten Wahl möglich, es ist ungewiss, wie in der Zwischenzeit eine Regierung gebildet werden kann, die das Vertrauen des Parlaments behält. Frankreichs Haushaltslage sieht nach wie vor sehr schwierig aus, und wir sind der Meinung, dass das Land eher als Peripherie- denn als Kernmarkt angesehen werden sollte, und die französischen Spreads dürften entsprechend gehandelt werden. (abrdn/mc)

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