Luca Bortolani, CEO und Gründer Twiliner AG, im Interview

Luca Bortolani, CEO und Gründer Twiliner AG, im Interview
Luca Bortolani, CEO und Gründer Twiliner AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Bortolani, nach jahrelanger Vorbereitung sollen 2025 die ersten Twiliner-Nachtreisebusse durch Europa fahren. Wann konkret geht es los?

Luca Bortolani: Ja, bald geht es los! Nach etwas Verzögerung planen wir den Start im Frühsommer 2025. Wir und viele Reisefreudige, die weniger fliegen möchten, können es kaum erwarten.

Welche Linien planen Sie zum Start?

Wir starten mit zwei Testlinien. Eine ist von Zürich über Bern nach Girona und Barcelona. Die zweite von Zürich über Basel nach Brüssel und Amsterdam. Dabei geht es uns an erster Stelle darum, zu lernen: welche Kundensegmente sprechen wir wirklich an? Wie können wir den Betrieb optimieren? Danach richten sich dann unsere Ausbaupläne, und 2026 möchten wir weitere Linien aufnehmen.

Wenn alles nach Plan verläuft: Mit wie vielen Bussen und Routen rechnen Sie in den nächsten Jahren?

Der Markt ist riesig. Wir schätzen, dass in Europa bis zu einer Milliarde Reisen pro Jahr gemacht werden, die mit einem Nachtbus abgedeckt werden könnten. Unser mittelfristiges Ziel ist, 25 Routen durch Europa anzubieten.

«Wir starten mit zwei Testlinien von Zürich über Bern nach Girona und Barcelona und von Zürich über Basel nach Brüssel und Amsterdam.»
Luca Bortolani, CEO und Gründer Twiliner AG

An welches Zielpublikum richten Sie sich mit Ihrem Angebot?

Es sind Menschen, die aus ökologischen Gründen weniger fliegen möchten, die Flugangst haben, die am Morgen im Stadtzentrum ankommen möchten, oder die einfach eine entspannte Reise schätzen. Wir rechnen mit einem Mix aus Geschäftsreisenden und Privatreisenden aus fast allen demographischen Gruppen.

Lassen Sie uns über die Fahrzeuge und die Bussitze sprechen, die sich auf Knopfdruck in ein Bett verwandeln lassen. Wie lange hat die Entwicklung dieser Sitze gedauert?

Fast vier Jahre. Gerechnet hatten wir mit zwei…

Welches waren die Herausforderungen, die zu Verzögerungen geführt haben?

Beim Liegendtransport stellen Sitzgurte ein Problem dar, da bei einem Frontalunfall der Passagier unter dem Gurt hindurchrutscht und mit dem Hals am Gurt hängenbleiben kann. Ohne Gurte könnten Passagiere aber im Fall eines Überrollunfalls aus den Sitzen fliegen. Wir haben ein Sicherheitssystem entwickelt und getestet, das in beiden Fällen sicher ist. Gleichzeitig wollten wir die Nutzerfreundlichkeit und das Komfortniveau eines Business Class-Flugsitzes erreichen. Und schliesslich müssen verschiedene Tests bestanden werden. Das hat gedauert.

Durch den grösseren Platzbedarf verringert sich zwangsläufig die Zahl der Passagiere. Wie viele Menschen können Sie mit den stilvollen Nightlinern transportieren?

In unsere ersten Busse werden 21 Liegesitze mit einer Länge von zwei Metern verbaut. Die Sitze können aufrecht, geneigt oder flach genutzt werden.

Welchen Einfluss hat die geringere Passagierzahl auf die Preise? Und mit wie vielen Reisenden sind Sie gewinnbringend unterwegs?

Die geringe Passagierzahl erhöht natürlich unsere Preise. Dem gegenüber steht ein entspanntes Reiseerlebnis mit Privatsphäre. Die Preise werden wir moderat dynamisch gestalten – früh buchen ist günstiger und Feiertage sind teurer. Wie hoch die Preise genau sein werden und wann wir Gewinne schreiben, werden wir herausfinden. Wir denken, dass unsere Preise etwa im Bereich der Preise für Nachtzüge liegen.

«Wir denken, dass unsere Preise etwa im Bereich der Preise für Nachtzüge liegen.»

Sie wollen Twiliner zur komfortablen Alternative zu Flugreisen machen, konkurrenzieren aber auch das Angebot an Nachtzügen. Was bieten die Nightliner über die Schlafsitze hinaus?

Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu Nachtzügen, im Gegenteil. Auf vielen Strecken gibt es keine Nachtzüge, und bestehende Nachtzüge können häufig die Nachfrage nicht decken. Insofern sehen wir uns als Ergänzung.

Der Vorteil vom Twiliner-Sitz ist, dass er individuell in verschiedenen Positionen genutzt werden kann. Darüber hinaus versuchen wir das Kundenerlebnis ganzheitlich zu denken. Dies beinhaltet eine einfache Buchungslösung oder eine möglichst gute Internetverbindung an Bord. Auch möchten wir Partnerschaften mit Hotels prüfen, sind hier aber noch nicht weit.

Eine umweltfreundlichere Alternative zu Flugreisen zu lancieren, stand von Anfang an im Mittelpunkt des Projekts. Inwieweit gelingt dies mit dem Einsatz von Biodiesel?

Biodiesel wird in der Schweiz aus Altöl hergestellt und ist somit sozial- und umweltverträglich. Damit wird die Reise mit Twiliner zehnmal klimafreundlicher als fliegen, wie Myclimate berechnet hat. Für die ersten drei Busse müssen wir allerdings noch auf herkömmliche Dieselmotoren zurückgreifen. Doch auch so bleibt Twiliner etwa so klimafreundlich wie Nachtzüge.

«Wir lernten von Flixbus: Wir arbeiten mit Buspartnern, die die Busse anschaffen und betreiben.»

Twiliner kauft die Busse nicht selbst. Wie sieht das Geschäftsmodell aus?

Hier lernten wir von Flixbus: Wir arbeiten mit Buspartnern, die die Busse anschaffen und betreiben. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass mit Emile Weber aus Luxemburg und Staf Cars aus Belgien zwei führende europäische Busfirmen eingestiegen sind. Drei Busse sind bereits im Bau.

Unser Teil liegt in der Planung der Routen, der Vermarktung der Tickets und in der Gestaltung des Kundenerlebnisses, was das Sitzdesign beinhaltet. Die Sitze werden in unserem Auftrag von einer britischen Flugsitzfirma hergestellt.

Finanziell unterstützt wurde Twiliner vom Migros-Pionierfonds und von Innosuisse, ausserdem sind die erwähnten Busfirmen aus den Benelux-Staaten eingestiegen. Für wie lange sind Sie damit auf der sicheren Seite?

Die Stiftung Migros-Pionierfonds und Innosuisse haben Twiliner überhaupt erst möglich gemacht, wofür wir den Institutionen äusserst dankbar sind. Neben Emile Weber haben etwa 15 spannende Privatpersonen investiert, viele davon mit einem Hintergrund aus der Finanz- und Mobilitätssektor, was uns doppelt hilft.

Unsere Liquidität hält gemäss Business Plan bis Mitte 2025. Den Break-Even sollten wir anfangs 2026 mit drei weiteren Bussen erreichen. Eine kurze Finanzierungslücke müssen wir also noch schliessen.

Twiliner

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