SGS im Gespräch mit Bureau Veritas über Mega-Fusion
Genf – Der Genfer Warenprüfkonzern SGS führt mit seinem französischen Konkurrenten Bureau Veritas Gespräche über eine mögliche Fusion. Damit würden sich die beiden weltweit grössten Unternehmen der Branche zusammenschliessen. Es wäre der grösste Deal, den die Warenprüfbranche je gesehen hat.
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg könnte der Deal bereits in den kommenden Wochen bekannt gegeben werden. Sie berief sich dabei auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Die Gespräche seien weit fortgeschritten, könnten sich aber verzögern oder scheitern, heisst es in dem Bloomberg-Bericht vom Dienstagabend weiter.
Sowohl SGS als auch Bureau Veritas bestätigten die Gespräche am Mittwoch. Es gebe jedoch keine Garantie, dass diese zu einer Transaktion oder einer ähnlichen Vereinbarung führen würden. Beide Unternehmen wollten die Angelegenheit nicht weiter kommentieren.
Neuer Mega-Konzern
Auf einen Schlag entstünde in der Warenprüf- und Inspektionsbranche ein Player von bisher nicht gekanntem Ausmass. Die heutige Nummer 1 und die Nummer 2 der Branche kämen zusammen auf einen Jahresumsatz von gut 12 Milliarden Franken. Der gemeinsame Marktanteil läge bei rund 15 Prozent, der gemeinsame Börsenwert bei knapp 35 Milliarden.
Ein leichtes Übergewicht liegt bei SGS. Der Genfer Konzern erzielte 2023 einen Umsatz von 6,6 Milliarden Franken (Marktanteil 8%), Bureau Veritas einen von 5,9 Milliarden (7%).
Doch macht der Mega-Konzern überhaupt Sinn? In Analystenkreisen gibt es zumindest Zweifel. Die Risiken könnten angesichts der Grösse und Komplexität einer Fusion die Vorteile überwiegen, heisst es etwa in einem Kommentar der britischen Bank Barclays.
Zahlreiche Schwierigkeiten
Auch Berenberg zeichnet ein eher negatives Bild. Aus Sicht der Aktionäre spräche zwar einiges für die Fusion. Auch gäbe es ein gewisses Synergiepotenzial. So könnten Kosten eingespart und in einigen Bereichen zusätzliche Umsätze generiert werden.
Gleichzeitig gebe es aber auch zahlreiche Schwierigkeiten in Bezug auf Marktanteile, Überschneidungen und Schwerpunkte. So befürchtet der zuständige Analyst Umsatzeinbussen bei wichtigen Kunden. Zudem hegt er Zweifel, ob die beiden Unternehmen kulturell, strategisch und administrativ überhaupt zusammenpassen.
Hinzu kämen kartellrechtliche Fragen in verschiedenen Endmärkten und Regionen. Der Deal hänge auch von der Zustimmung der Wendel SE ab, die mit einem Anteil von 26,5 Prozent grösster Aktionär von Bureau Veritas ist, und wahrscheinlich auch von der Genehmigung der französischen Regierung, heisst es bei Barclays.
Ego-Probleme
Auch für die Bank Vontobel ist es noch zu früh, um zu sagen, ob es am Ende zu einem Deal kommt. Die beiden Unternehmen beäugten sich seit Jahren, schreibt der zuständige Vontobel-Experte. So sei eine Fusion schon vor mehr als 20 Jahren eine Obsession des früheren SGS-Präsidenten Sergio Marchionne gewesen.
Und es sei wohl das dritte oder vierte Mal, dass Gespräche geführt würden, aber das erste Mal, dass sie öffentlich würden. Gescheitert seien sie aber immer am Ego der beiden Parteien. Dabei geht es etwa um die Frage des Hauptsitzes, den Bureau Veritas gerne in Paris sähe, und um die Frage, wer den Verwaltungsratspräsidenten und wer den CEO stellt.
SGS-Aktie unter Druck
Alles in allem gibt es also noch einige offene Fragen, die geklärt werden müssen, bevor es tatsächlich zu einem Deal kommen kann. Und an der Börse ist die Reaktion für die SGS stark negativ. Um 10.45 Uhr notiert die Aktie des Genfer Konzerns am Mittwoch 5,6 Prozent tiefer bei 87,50 Franken.
Die an der Euronext gehandelte Aktie von Bureau Veritas liegt dagegen 3,6 Prozent im Plus bei 30,78 Euro. Der Kontrast könne damit erklärt werden, dass die Gespräche von der SGS ausgingen, was aus Börsensicht für BV vorteilhaft sei, heisst es in einem Kommentar von Bernstein SG. (awp/mc/pg)