Neue Methode misst die Effekte Tausender Wirkstoffe auf den Stoffwechsel
Basel – Forschende der Universität Basel können die Effekte von über 1500 Wirkstoffen auf den Zellstoffwechsel gleichzeitig testen. Bei ihrer Analyse entdeckten sie zudem noch unbekannte Wirkmechanismen bekannter Medikamente. Der Ansatz könnte helfen, Nebenwirkungen besser vorherzusagen und zusätzliche Anwendungen für bereits zugelassene Arzneimittel zu finden.
Wie verändern Wirkstoffe den Stoffwechsel von Zellen? Das zu beantworten, würde wertvolle Hinweise für die Entwicklung neuer Medikamente liefern. Solche Wirkprinzipien für eine ganze Wirkstoffbibliothek zu untersuchen, bedeutete bisher jedoch grossen Aufwand.
Forschende des Departements Biomedizin der Universität Basel stellen nun eine Methode vor, um die Effekte Tausender Wirkstoffe auf den Stoffwechsel gleichzeitig zu testen. Fachleute sprechen von Hochdurchsatz-Metabolomik. Die Ergebnisse aus diesem Verfahren veröffentlichten sie im Fachjournal «Nature Biotechnology».
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen vorhersagen
«Wenn wir besser verstehen, wie genau Wirkstoffe in den Zellstoffwechsel eingreifen, liesse sich die Medikamentenentwicklung beschleunigen», erklärt Prof. Dr. Mattia Zampieri. «Unser Verfahren liefert eine zusätzliche Charakterisierung der Substanzen, aus der sich mögliche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ableiten lassen.»
Die Forschenden um Studienerstautor Dr. Laurentz Schuhknecht liessen Zellen in Tausenden kleinen Vertiefungen von Zellkulturplatten wachsen. Dann behandelten sie die Zellen jeder Vertiefung mit je einer von über 1500 Substanzen aus einer Wirkstoffbibliothek. Mit einer Methode namens Massenspektrometrie erfassten sie, wie sich Tausende Biomoleküle, die Teil des Stoffwechsels der Zelle sind, durch die Behandlung veränderten.
Das Forschungsteam sammelte so für jeden Wirkstoff Daten über die Veränderungen von über 2000 Stoffwechselprodukten in den Zellen. Diese Werte verglichen sie durch computergestützte Analysen mit den Werten von unbehandelten Zellen. So ergab sich für jeden Wirkstoff eine Übersicht seiner Effekte auf den Zellstoffwechsel und damit ein recht genaues Bild des Wirkprinzips der jeweiligen Substanz.
Neue Anwendungen für bewährte Medikamente
«Wirkstoffe beeinflussen viel mehr, als wir es uns vorgestellt hatten», fasst Zampieri die Ergebnisse der Experimente zusammen. Bemerkenswert waren insbesondere auch bisher unbekannte Wirkprinzipien von gängigen Medikamenten. Beispielsweise entdeckte das Team eine bisher unbekannte Wirkung von Tiratricol, einem Medikament, das bei einer seltenen Funktionsstörung der Schilddrüse zum Einsatz kommt. Neben seiner bekannten Wirkweise hat Tiratricol auch einen Effekt auf die Produktion von bestimmten DNA-Bausteinen.
«Das Medikament wäre also womöglich ein guter Kandidat für ein neues Anwendungsgebiet: die Regulation der Biosynthese von DNA-Bausteinen. Damit könnte es beispielsweise in Krebstherapien verwendet werden, um das Tumorwachstum zu hemmen», sagt Laurentz Schuhknecht.
Umfassende Daten aus solchen Hochdurchsatzverfahren helfen, künstliche Intelligenz für das Design neuer Medikamente zu trainieren. «Unsere langfristige Vision ist, das individuelle Stoffwechselprofil eines Patienten oder einer Patientin mit den Wirkmechanismen Tausender Wirkstoffkandidaten abzustimmen, um herauszufinden, welches Medikament den durch die Krankheit veränderten Stoffwechsel normalisieren könnte», so Mattia Zampieri.
Um dieser Vision näher zu kommen, sei es nicht nur wichtig, die Wirkung der Substanzen auf den Stoffwechsel zu verstehen, betont der Pharmakologe Zampieri. Genauso wichtig sei, wie der menschliche Körper die Wirkstoffe verarbeitet und damit ihre Wirkung verändert. In ihrer weiteren Forschung untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb vertieft das Wechselspiel zwischen Organismus und Wirkstoffen. (UniBasel/mc/pg)