SGKB investment views: Wind bei den Zinsen hat gedreht

Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
Es ist noch nicht lange her, da musste ich an dieser Stelle darlegen, warum ich die Markterwartungen von Negativzinsen nicht teile. Heute bringe ich meine Argumente vor, warum der Anstieg bei den Schweizer Zinsen aus meiner Sicht übertrieben ist. So schnell können sich in Zeiten von politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen die Markterwartungen ändern.
Der Franken-Swapzins für 10-jährige Anlagen lag Anfang Dezember bei 0.27% und kannte nur den Weg nach unten. Drei Monate später ist er auf 0.85% gestiegen. Damit ist er so hoch wie zuletzt im letzten Sommer, als der Leitzins der SNB noch bei 1.25% stand. Nachdem verschiedene Analysten vor kurzem noch von einem weiteren Zinsschritt der SNB im März von 0.50% auf 0.00% sprachen, sind sie nicht mehr überzeugt, dass die SNB am Donnerstag überhaupt den Leitzins senken wird. Dabei müsste eine drohende Rezession in den USA ein starkes Argument für tiefere Zinsen sein, auch in der Schweiz. Dennoch gehen die Erwartungen für die SNB nun davon aus, dass nächstes Jahr der Leitzins schon wieder angehoben wird.
Getrieben werden die höheren Zinsen in der Schweiz durch den Anstieg der Zinsen in Deutschland und in den anderen Euroländern. Die neue deutsche Regierung von Friedrich Merz will für die Rüstung und die Erneuerung der Infrastruktur Hunderte von Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen. Die EU-Präsidentin Ursula von der Leyen spricht davon, 800 Mrd. Euro für die Aufrüstung Europas auszugeben, obschon sie das Geld dafür nicht hat. Es soll über die Ausgabe von Obligationen aufgenommen werden. Ob sich für all diese neuen Obligationen genügend Investoren finden werden, ist nicht sicher. Daher macht es Sinn, dass die Renditen der europäischen Anleihen steigen.
Dass die Finanzverwaltung in Bern ähnliche Emissionspläne für EidgenossenAnleihen hat, ist nicht bekannt. Als Argument für das Nachziehen der Schweizer Zinsen kann ein fiskalpolitisch ausgelöster Konjunkturaufschwung in Deutschland dienen, wovon auch die Schweizer Exportindustrie profitieren würde. Das wäre für unsere Wirtschaft positiv, würde aber kaum eine Hochkonjunktur und einen Inflationsschub auslösen, auf den die SNB mit höheren Zinsen reagieren muss. Eine Belastung der Schweizer Wirtschaft durch die Vorgänge in Washington ist deutlich wahrscheinlicher.
SNB muss verlässlich bleiben
Ich gehe davon aus, dass die SNB am Donnerstag den Leitzins noch einmal um 0.25% senkt und damit den Senkungszyklus beendet. Es gibt wirtschaftliche Argumente für ein Stillhalten. Der Franken ist in den letzten Monaten schwächer geworden, zuerst gegenüber dem US-Dollar und dann auch gegenüber dem Euro. Das ist jedoch eine Momentaufnahme, die sich schnell wieder ändern kann. Die Konjunktur in der Schweiz braucht keine Zinssenkung. Mit Ausnahme der Exportindustrie nach Deutschland geht es den Unternehmen gut die Leute geben ihre höheren Einkommen in Form von Konsum aus. Die gleiche Ausgangslage gab es aber auch im Dezember, als die SNB den Leitzins um satte 0.50% senkte und weitere Zinssenkungen in Aussicht stellte. Ihr Argument war damals die tiefe Inflationsrate und die Gefahr, dass die Preise in der Schweiz gar sinken werden. Die Inflationssituation hat sich seither nicht verändert und spricht für eine weitere Zinssenkung. Die SNB hat im letzten Jahr gezeigt, dass sie bereit ist, die Finanzmärkte im Stil von Alan Greenspan zu überraschen. Eine gute Geldpolitik lebt aber auch davon, dass die Entscheide der SNB nachvollziehbar und konsistent sind.
Steile Zinskurve
Die Zinskurve bei den Schweizer Zinsen ist momentan so steil, wie zuletzt 2021, als die Inflation stark gestiegen ist und Zinserhöhungen der SNB nur eine Frage der Zeit waren. Davon sind wir momentan weit entfernt. Dass der Anstieg der langen Zinsen im gleichen Stil wie zuletzt weitergeht, ist daher unwahrscheinlich.