Zürich – Einzigartige Unternehmerinnen und Unternehmer aus der globalen Wirtschaft trafen sich zum 56. Forum der Schweizerischen Management Gesellschaft (SMG) in Zürich. Die Konferenz mit rund 200 Teilnehmern widmete sich dieses Jahr dem Thema „Instinkt“.
Nie zuvor hatten wir einfacheren und umfassenderen Zugang zu Informationen als heute. Die technologische Entwicklung erschliesst uns unzählige Möglichkeiten, diese auszuwerten. Worauf sollen wir wichtige Entscheidungen basieren? Auf dem B wie Bauch oder besser auf dem B wie Big Data? Sind instinktbasierte oder Big-Data-basierte Entscheidungen erfolgreicher? Ist es eine Kombination von beidem? Lassen wir unseren Instinkt in Anbetracht der Hülle und Fülle an Daten überhaupt noch zu? Referate von globalen Experten beleuchteten diese Fragen aus verschiedenen Blickrichtungen. «Das Forum hat mich einmal mehr vielseitig inspiriert», sagte Lukas Braunschweiler, Präsident der SMG und VR-Präsident der Tecan Group.
Jinlong Wang: «Glück und Emotionen adressieren»
China gilt als Geburtsstätte des Tees und seine Teetradition geht auf etwa 2700 vor Christi Geburt zurück. Wie schaffte es ein westlicher Powerbrand, aus instinktiven Teetrinkern seit Jahrtausenden Starbucks-Konsumenten zu machen? Jinlong Wang spielte dabei in seiner Funktion als Präsident von Starbucks Asia Pacific und Chairman von Starbucks China eine entscheidende Rolle. Unter seiner Ägide verdreifachten sich die ursprünglichen 1017 Starbucks Coffee Shops allein zwischen 2013 und 2018 auf 3300. Heute setzt Jinlong Wang seinen Instinkt für Konsumenten bei PizzaExpress und als Managing Director & Operating Partner von Hony Capital in Chinas Private-Equity-Industrie an. «Um in einer gestanden Kultur etwas Neues bringen zu können, muss man ganz fundamental das Glück und die Emotionen adressieren können.»
Carsten Koerl: «Alles, was wir für den Fan aufarbeiten, ist gut für den Sport»
Carsten Koerl brauchte lediglich elf Jahre, um sein Unternehmen Sportradar auf eine Bewertung von über CHF 2 Mrd. Franken zu bringen und um der Schweiz ein «Unicorn» zu bescheren. Sportradar analysiert jährlich über 400’000 Spiele in 60 Sportarten, generiert daraus täglich rund 5 Mrd. Datensätze und ist der weltweit führende Anbieter von Sportdaten und audiovisuellen Inhalten. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto mehr Simulationen sind möglich, sagt Carsten Koerl: «Es ist verblüffend, welche Entscheidungen Algorithmen aufgrund von vielen Datenanalysen treffen können.» Obwohl mit all diesen Daten auch die Performance einzelner Sportler gemessen werden kann, geschieht der Umgang nur schon aus Datenschutzgründen behutsam. Für Carsten Spoerl gilt dabei: «Alles, was wir für den Fan aufarbeiten, ist gut für den Sport.»
Nicoletta della Valle: «Mitarbeiterprofile haben sich in Zeiten von Big Data verändert»
Seit fünf Jahren arbeitet Nicoletta della Valle als Direktorin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol). Global, vernetzt und digital: Kriminalität ist ein Abbild der Gesellschaft. Das Fedpol bekämpft Terror, Mafia, Geldwäscherei, Korruption oder Wirtschaftskriminalität. Die Daten- und Faktenanalyse stand schon immer im Zentrum – präsentiert sich jedoch heute in einer digitalen Form. Entsprechend verändert haben sich auch die Mitarbeiterprofile. Nicoletta della Valle ist überzeugt, dass Instinkt etwas Angeborenes, nicht Lernbares ist. Es sei für das Überleben entscheidend: «Ich kann Instinkt nicht steuern, es geschieht ohne meinen Kopf.» Intuition und Erfahrung ergänzen unsere Begabungen, was es aber vor allem braucht in der heutigen Welt ist Brain und eine Gespür für Big Data.
Prof. Dr. Hauke Heekeren: «Das Gehirn und nicht allein den Instinkt nutzen»
Das Gehirn ist über Millionen von Jahren entstanden und hat sich über verschiedene Situationen angepasst. «Instinkt spielt uns manchmal einen Streich, wenn es zum Beispiel um finanzielle Dinge geht», sagt Prof. Dr. Hauke Heekeren. Er hat nach seinem Medizinstudium an der Humboldt Universität Berlin mit Auszeichnung promoviert und wurde 2005 Leiter der Max-PlanckForschergruppe «Neurokognition der Entscheidungsfindung» am Max Planck Institut für
Bildungsforschung. Seit 2009 ist er Professor für Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft an der Freien Universität Berlin. Anhand der «Monkey Business Illusion» zeigte er auf, wie selektiv unsere Wahrnehmung ist. Aufgrund seiner Erfahrungen in der neurowissenschaftlichen Entscheidungsforschung empfiehlt er zwischen Fakten und Gefühlen zu trennen: «Wir sollten das Gehirn und nicht allein den Instinkt nutzen.»
Dr. Christopher E. Mason: «Unser Instinkt will entdecken»
„Moon is the proving ground, Mars is the destination“ – eine klare Ansage der Nasa 50 Jahre nach der ersten Mondlandung. Damit verbunden ist geplant, dass 2024 wieder Menschen den Mond begehen und eine bemannte Landung auf dem Mars bis 2035 möglich sei. Keine andere Spezies ist so instinktiv getrieben vom Entdeckergeist wie die Menschen: «Unser Instinkt will entdecken», sagte Christopher E. Mason, Associate Professor an der Weill Cornell Medicine, der im Rahmen der kürzlich publizierten Nasa-Zwillingsstudie rund um die beiden Astronauten Scott und Mark Kelly die Auswirkungen eines längeren Aufenthalts im Weltall, erforscht hat. Die grössten Herausforderungen zum Mars sind heute die Distanz und die Strahlungen. Mason zeigt dazu spektakuläre Ansätze, wie die medizinischen Herausforderungen gelöst werden können.
Rahaf Harfoush: «Es braucht heute Zeit, bis wir uns verstehen können»
Dank unserer Datenspuren werden wir zum gläsernen Konsumenten. In ihrem Bestseller «Hustle and float » widmete sich Rahaf Harfoush dieser Analyse. Zum Thema Instinkt erklärte sie, dass Instinkt und Kreativität Raum und Zeit benötigen: «Halten Sie an und hören Sie zu, woran Sie denken. Es braucht heute Zeit, bis wir uns verstehen können. Die persönliche Relevanz ist wichtiger als die allgemeine Relevanz.» Die Forschung der Kanadierin mit syrischen Wurzeln fokussiert sich auf die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz, Algorithmen, Sozialen Netzwerken und Big Data auf die Menschheit. Als Think Tank Red Thread unterstützt sie Institutionen wie die Unesco, Estee Lauder oder IBM dabei, digitale Trends in strategische Chancen umzuwandeln.
Fabrice Leclerc: «Menschlichen Instinkt ins Zentrum rücken»
Die aussergewöhnliche Innovationskraft von Fabrice Leclerc macht ihn zu einem bedeutenden Partner diverser Fortune-100-Unternehmen. Er führte Innovation Labs für Unternehmen wie Apple, L’Oréal Prestige oder Nespresso. Fabrice Leclercs Ansatz ist klar: «Wer erfolgreich innovieren will, muss den menschlichen Instinkt ins Zentrum rücken. Denn es gibt keinen stärkeren emotionalen Approach als durch Gefühle, die wir über Millionen von Jahren in uns tragen.» Der studierte Veterinär und Betriebswirt agiert seit seiner Zeit als CEO von Häagen Dazs nach diesem Prinzip. (SMG/mc/ps)