Wolfgang Kuhn, Head of Pan European Fixed Income bei Aberdeen Asset Management, kommentiert die Ergebnisse der jüngsten EZB-Ratssitzung
„Die Erwartung vieler Marktteilnehmer, die EZB könnte auf verbesserte ökonomische Rahmendaten mit einer leichten Anpassung ihrer Geldpolitik reagieren, haben sich nicht erfüllt. Die EZB hat weder am Ankaufprogramm noch am Einlagenzins geschraubt. Lediglich ein paar Worte der Pressemitteilung wurden verändert. Aber man hätte es vorhersagen können: Angesichts immer weiter wachsender politischer Spannungen im Euro-Raum konnte man nicht ernsthaft daran denken, den Ankauf von Staatsanleihen zu beenden.
Zu dumm, dass die Inflationsrate jetzt tatsächlich den angeblich so zentralen Zielwert erreicht hat. Also muss jetzt eine Erklärung her, warum zwei Prozent Inflation nicht wirklich zwei Prozent Inflation sind. Nicht nachhaltig zwei Prozent. Nicht durchgehend zwei Prozent. Und so weiter, und so weiter. Quantitative Easing (QE) und Negativzinspolitik waren eben nie wirklich eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik, und der Zielwert, den sich die EZB selbst gegeben hat (auch wenn man oft den Eindruck erwecken wollte, es handelt sich dabei präzise um den im Gesetz niedergelegten Auftrag) war eine bequeme, weil vermeintlich weit in der Zukunft liegende Handlungsschwelle.
Deshalb dürfte es für die Falken im EZB-Rat auch viel schwieriger sein als allgemein erwartet, die QE-befürwortende Mehrheit auf ihre Seite zu bringen: Für die Tauben hat sich nichts geändert. Vielmehr dürfte man den Fokus auf eine andere Zielgrösse umzulenken versuchen. Und so bemüht Präsident Draghi einmal mehr die mittlere Sicht, und blendet über die Kernrate hinausgehenden Preisentwicklungen aus, um seine Weichwährungspolitik fortführen zu können. Die positiven Entwicklungen der EZB verbucht man gerne als Erfolg. Das Ausbaden der Konsequenzen fällt anderen zu.“ (Aberdeen/mc/ps)