abrdn: Aktienmärkte – Gründe für Optimismus
Von Ben Ritchie, Head of European Equities, abrdn
Der globale Aktienmarkt zeigt sich weiterhin robust, und dies trotz einiger Herausforderungen. Besonders in den Bereichen der Small Caps, «Future Minerals» und bei den Trends im Gesundheitswesen bieten sich Anlegern Chancen.
Es war bislang ein gutes Jahr für globale Aktien, was die absoluten Renditen angeht. Wieder einmal haben die USA mit zweistelligen Renditen die Nase vorn. Aber es war nicht immer einfach. Die Anleger mussten einige Phasen mit hoher Volatilität überstehen. Spekulationen über den Zeitpunkt und das Ausmass von Zinssenkungen haben die Stimmung schwanken lassen. Auch geopolitische Umwälzungen haben eine Rolle gespielt. Unterdessen haben die beliebten «Magnificent 7»- Technologieaktien (Alphabet, Apple usw.) begonnen, zurückzufallen.
Nichtsdestotrotz steigen die Märkte weiter an, was zum Teil auf eine positive Berichtssaison der Unternehmen zurückzuführen ist. Die Frage ist: Wie geht es jetzt weiter? Und was bedeutet das für die Anleger?
Die Ausgangslage
Die Europäische Zentralbank und die Bank of England haben die Zinsen im Juli bzw. August gesenkt. Im September folgte eine zweite Zinsschritt durch die EZB bevor schliesslich auch die US-Notenbank (Fed) ins Rennen einstieg und die Zinsen erstmal senkte. Die Inflation ist unter Kontrolle, während sich die Wirtschaftsindikatoren abkühlen. Was könnte dies für Aktien bedeuten? Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums könnte sich möglicherweise negativ auf die Value-Trades auswirken, die in den letzten beiden Jahren so gut gelaufen sind, insbesondere auf diejenigen, die auf höhere Zinsen und höhere Rohstoffpreise setzen. Ausserhalb der USA könnte es zu einer lang erwarteten Umschichtung in Qualitäts- und Wachstumstitel kommen. Das sind auch die Aktien, die wir bevorzugen.
In der Politik hat Kamala Harris Präsident Joe Biden auf der Liste der Demokraten ersetzt und damit das Rennen um die US-Präsidentschaft wieder völlig offen gemacht. Die meisten Kommentatoren sehen die Wahl bei 50:50. Was können wir von einem der beiden Kandidaten erwarten? Ein Sieg Trumps würde Steuersenkungen (für Unternehmen und Besserverdienende), eine Lockerung der Regulierungen und Importzölle mit sich bringen. Diese Massnahmen könnten sich positiv auf US-Aktien auswirken, aber auch die Inflation anheizen und die Stimmung gegenüber internationalen Aktien verschlechtern. Eine Präsidentschaft von Harris hingegen würde wahrscheinlich zu einer gewissen Fortsetzung der bisherigen Politik führen. Sie beabsichtigt, die Unternehmenssteuern zu erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit für einen ausgewachsenen Handelskrieg wäre geringer. Beides zusammen könnte den Aktien ausserhalb der USA relativ gesehen Auftrieb geben.
Wo könnten Sie investieren?
Wir sehen unterschiedliche Möglichkeiten. Aus der Bewertungsperspektive sind die USA teuer. Dies gilt auch dann, wenn wir die Magnificent 7 ausklammern. Am anderen Ende der Skala sehen Aktien aus Europa, den Schwellenländern (EM) und Grossbritannien günstig aus. Eine Abschwächung in den USA könnte daher dazu führen, dass Anleger, die auf der Suche nach Schnäppchen sind, verstärkt in diese Märkte investieren.
Kleinere Unternehmen haben ein paar schwierige Jahre hinter sich. Rezessionsängste, hohe Zinssätze und risikoscheue Händler haben die Anlageklasse abgestraft. Die Zinssenkungen könnten sich jedoch als Segen für Small- und Mid-Caps (SMIDs) erweisen. Historische Daten sprechen für diese Ansicht. In den USA haben SMIDs in der Vergangenheit drei, sechs und 12 Monate nach einer Zinssenkung eine bessere Performance erzielt als Large Caps. Eine ähnliche Entwicklung haben wir auch in anderen Ländern beobachtet. Auch sind die Bewertungen von Small Caps im Vergleich zu Large Caps überzeugend. Wir könnten daher einen Aufschwung in dieser Anlageklasse erleben.
Auch für die Erträge in den Schwellenländern sind wir zuversichtlich. Wir gehen davon aus, dass viele Zentralbanken dem Beispiel der Fed folgen und die Zinsen senken werden – insbesondere angesichts der disinflationären Tendenzen, die in verschiedenen Teilen der Schwellenländer zu beobachten sind. Dies und der strukturelle Rückenwind durch den Technologiezyklus, die grüne Transformation und das Nearshoring werden die Länder und Unternehmen der Schwellenländer unterstützen.
Und dann ist da noch die Einkommenskomponente. Die Schwellenländer boten früher nur wenig Auswahl für Dividendenanleger. Heute jedoch haben sich die Kapitalmärkte vertieft und ein grosses, vielfältiges und attraktives Universum von ausschüttungsorientierten Aktien geschaffen. In der Tat zahlen derzeit rund 90 % der Unternehmen in den Schwellenländern Dividenden. Bemerkenswert ist, dass fast 40 % dieser Unternehmen eine Dividende von über 3 % zahlen.
Genau das, was der Arzt verordnet hat
Wir glauben auch, dass thematische Investments zunehmend in den Vordergrund rücken werden. Wir sehen zum Beispiel grosse Chancen im Gesundheitswesen. Die Menschen leben länger und die demografischen Profile ändern sich.
Gleichzeitig wird der Wohlstand in vielen Entwicklungsländern immer grösser. Höhere verfügbare Einkommen bedeuten, dass mehr Geld für Ernährung, Fitness, Krankenversicherung und bessere medizinische Versorgung ausgegeben werden kann.
Investitionen in Gesundheitsdienstleistungen und -systeme werden entscheidend sein, um die wachsende Nachfrage der Verbraucher zu befriedigen. Die Anlagemöglichkeiten umfassen sowohl private als auch öffentliche Märkte. Besonders hervorzuheben sind die Bereiche Gesundheitsinfrastruktur (Krankenhäuser, hochmoderne Diagnoselabors, Seniorenwohnanlagen), medizinische Gesundheits- und Wellness-Technologie sowie präventive/personalisierte Medikamente.
Bergbau für die Zukunft
Auch im Bereich der «Future Minerals» gibt es zahlreiche interessante Möglichkeiten. Das sind im Bergbau gewonnene Rohstoffe (Kupfer, Lithium, Aluminium, Platin und Nickel), die für die Energiewende unerlässlich sind. Sie werden in allen Bereichen eingesetzt, von Elektrofahrzeugen und Batterien bis hin zu Solarzellen und Brennstoffzellen. Die Anlagemöglichkeiten sind vielfältig und finden sich an allen Stellen der Wertschöpfungskette. Dazu gehören Bergbauunternehmen, Hersteller von Fördergeräten und Dienstleistungsanbieter. Es ist eine spannende Zeit für diesen Sektor. Wir glauben, dass alles auf den Beginn eines «Superzyklus» hindeutet, der sich zu einer Chance für mehrere Jahrzehnte entwickeln könnte.
Nachhaltigkeit wieder im Fokus
Und schliesslich ist da noch die Nachhaltigkeit. Diese wurde in letzter Zeit aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit der Energiesicherheit, den Lieferketten und vielem mehr im Zusammenhang mit Covid stark in Frage gestellt. Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks haben sich (vielleicht aus opportunistischen Gründen) gegen die Nachhaltigkeit gewandt. Eine Reihe enttäuschender COP-Treffen haben auch die Investoren entmutigt.
Trotzdem glauben wir, dass das Thema Nachhaltigkeit wieder in den Fokus rücken wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmensleiter die Rentabilität von Nachhaltigkeitsinitiativen zu schätzen wissen. Neue Vorschriften, wie die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, zwingen die Unternehmen zu mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht in Sachen Nachhaltigkeit. Technologische Entwicklungen machen es ausserdem einfacher und billiger, Nachhaltigkeitspraktiken wie Energieeffizienz und Abfallvermeidung einzuführen.
Qualitativ hochwertige Unternehmen
Mit Blick auf das Jahr 2025 gibt es gute Gründe, die Aktienmärkte positiv zu bewerten. Die Inflation geht zurück und die Zinssätze sinken. Dies sollte sich positiv auf die Gewinne auswirken. Es scheint so, als sei es den politischen Entscheidungsträgern in den USA gelungen, eine «sanfte Landung» der Wirtschaft herbeigeführt zu haben, was ihnen hoch anzurechnen ist. Unterdessen sehen auch die Bewertungen ausserhalb der USA attraktiv aus.
Vor diesem Hintergrund werden wir uns weiterhin auf qualitativ hochwertige Unternehmen konzentrieren, die potenziell ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum erzielen können. Viele dieser Unternehmen waren in den letzten Jahren in Ungnade gefallen. Die Voraussetzungen für ein Comeback dieser Unternehmen sind nun aber gegeben.