Die Europäische Kommission überarbeitet die EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzen (SFDR). Was könnte dies für Anleger bedeuten?
von Dan Grandage, Head of Sustainable Investing, abrdn
Im September hat die Europäische Kommission eine eingehende Konsultation zur EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) eingeleitet. Die Kommission hat alle Anforderungen zur Diskussion gestellt und es könnten radikale Änderungen vorgenommen werden. Es gibt Bedenken, dass die Offenlegungen für die Endanleger nicht funktionieren. Ausserdem besteht die Gefahr des Greenwashings, wenn die Artikel 8 und 9 als Label für nachhaltige Produkte verwendet werden.
Die Europäische Kommission (Kommission) ist besorgt darüber, dass die Offenlegungsanforderungen der Artikel 8 und 9 als Produktkennzeichnung verwendet werden. Dies impliziert fälschlicherweise, dass Artikel 8 und 9 einen (regulierten) Qualitätsstandard für Nachhaltigkeit garantieren. Die Kommission räumt jedoch ein, dass diese unbeabsichtigte Folge aufgrund der Nachfrage des Marktes nach einer Regelung zur Kennzeichnung nachhaltiger Produkte eingetreten ist.
Die laufende Konsultation, die bis zum 15. Dezember 2023 läuft, bietet der Europäischen Kommission und abrdn wie anderen Repräsentanten der Branche, wie abrdn, die Möglichkeit, diesen wichtigen Bereich zu gestalten.
Worum geht es bei der Konsultation?
Die Kommission bittet um Stellungnahmen zu der Frage, wie der Rahmen für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten überarbeitet werden kann und ob ein Produktkategorisierungssystem auf EU-Ebene entwickelt werden sollte. In Bezug auf letztere werden in der Konsultation vier Produktkategorien vorgeschlagen:
- Produkte, die Aktivitäten und/oder Unternehmen ausschliessen, die an Aktivitäten mit negativen Auswirkungen auf Menschen und/oder den Planeten beteiligt sind.
- Produkte mit dem Schwerpunkt Übergang, die auf messbare Verbesserungen des Nachhaltigkeitsprofils der Anlagen, in die sie investieren, abzielen.
- Vermögenswerte, die gezielte, messbare Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme bieten, die die Menschen und/oder den Planeten betreffen.
- Produkte, die glaubwürdige Nachhaltigkeitsstandards erfüllen oder einem bestimmten Nachhaltigkeitsziel entsprechen
Bedeutet dies das Ende der Artikel 8 und 9?
Die Streichung der Artikel 8 und 9 als Produktkategorien ist eine der vorgeschlagenen Ideen. Sie waren nie für die Kennzeichnung von Produkten gedacht und sind daher möglicherweise nicht angemessen. Die «Förderung von ökologischen oder sozialen Merkmalen» (Artikel 8) und «nachhaltige Investitionen als Ziel» (Artikel 9) sind unzureichende Beschreibungen. Sie geben den Anlegern kein genaues Bild von den verschiedenen ökologischen, sozialen und Governance (ESG)-Investitionsansätzen. Dies liegt daran, dass beispielsweise das Konzept der «Förderung» unklar ist und dass die Artikel wichtige Strategien, wie die Übergangsfinanzierung, nicht angemessen erfassen.
Die Streichung der Artikel 8 und 9 könnte jedoch die enorme Menge an Zeit, Mühe und Energie, die in die Umsetzung der Vorschriften geflossen ist, überflüssig machen. Wahrscheinlicher ist ein Ansatz, bei dem die bereits geleistete zielführende Arbeit genutzt und in einen Rahmen umgewandelt wird, der sich für die Verwendung als Gütesiegel eignet. Möglicherweise könnte dieser Kennzeichnungsrahmen ähnlich aussehen wie das, was die britische Finanzaufsichtsbehörde (Financial Conduct Authority) im Rahmen ihrer Vorschriften für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen (Sustainability Disclosure Requirements – SDR) und die Kennzeichnung nachhaltiger Investitionen bis Ende dieses Jahres vorschlagen wird.
Was ist unsere Meinung?
Wir begrüssen die Überprüfung der SFDR durch die Europäische Kommission. Unserer Ansicht nach entsprechen die derzeitigen Offenlegungen weder den Bedürfnissen von Kleinanlegern noch von professionellen Anlegern. Daher ist ihr Wert in gewissem Masse fragwürdig. Die Offenlegungen sind zudem auf Publikumsfonds ausgerichtet, was es für andere Anlageklassen äusserst schwierig macht, sie auszufüllen. Die fehlende Gewissheit darüber, wie bestimmte SFDR-Anforderungen anzuwenden sind, hat das Risiko, versehentlich unzureichende oder falsche Angaben zu machen, weiter erhöht. Im Allgemeinen gibt es zu wenig Konsistenz auf dem Markt, und die SFDR hat es nicht geschafft, dieses Problem zu lösen. Vielmehr hat die SFDR dieses Problem potenziell noch verschärft, indem sie komplexe neue Konzepte einführt, ohne einen breiten Rahmen für deren Anwendung vorzugeben. Insgesamt dürfte das Engagement der Finanzbranche der Schlüssel zu einem erfolgreichen künftigen Regulierungssystem sein. Daher beabsichtigen wir, auf die Konsultation zu reagieren, und wir werden Rückmeldungen aus der gesamten Branche einholen.
Welche Auswirkungen könnte dies auf die Vermögensverwalter haben?
In Anbetracht des Fokus auf nachhaltiger Finanzierung und der zunehmenden Besorgnis über Greenwashing werden wir wahrscheinlich einige grundlegende Änderungen an der aktuellen Regelung und die Einführung regulierter Kategorien erleben. Jedoch werden jegliche Änderungen an der Verordnung werden erst verabschiedet, wenn die neue Europäische Kommission im Amt ist (zweite Hälfte 2024). Sie müssen den oft hochpolitischen Verabschiedungsprozess durchlaufen, an dem das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Ergebnisse. (abrdn/mc)