Abstimmung zu EU-Austrittsgesetz – May muss um Mehrheit bangen
London – Im britischen Parlament steht am späten Montagabend erstmals ein wichtiges Gesetz zum geplanten EU-Austritt zur Abstimmung. Doch ob das EU-Austrittsgesetz (European Union Withdrawal Bill) eine Mehrheit findet, scheint nicht sicher. Mit dem Abstimmungsergebnis könnte auch das Schicksal der britischen Premierministerin Theresa May verknüpft sein.
Die Regierung will mit dem Gesetz die Geltung von EU-Recht in Grossbritannien nach dem Brexit beenden. Gleichzeitig sollen mehr als 12’000 EU-Vorschriften aus allen Lebensbereichen in nationales Recht übertragen werden, damit am Tag des Austritts kein Chaos entsteht. Dabei geht es etwa um Arbeitnehmerrechte sowie Verbraucher- und Umweltschutz. Grossbritannien wird die EU Ende März 2019 verlassen.
Die Opposition kündigte an, gegen das Gesetz zu stimmen, sollte die Regierung keine Änderungen daran zulassen. Stein des Anstosses ist eine Klausel, die weitreichende Gesetzesänderungen ohne Abstimmung im Parlament zulässt. Kritiker sprechen – angelehnt an den früheren englischen König – auch von einer Heinrich-VIII.-Klausel, die der Regierung fast absolutistische Macht geben solle.
«Britisches Volk hat nicht für Konfusion gestimmt»
Die Regierung argumentiert hingegen, sie brauche freie Hand, um die grosse Menge an Vorschriften in kürzester Zeit an die neuen Verhältnisse anzupassen. Wer gegen das Gesetz stimme, «stimme für einen chaotischen Ausstieg aus der Europäischen Union», teilte Brexit-Minister David Davis in der Nacht zum Montag mit. «Das britische Volk hat nicht für Konfusion gestimmt – und das sollte das Parlament auch nicht machen.» Unternehmen und Privatleute bräuchten die Zusicherung, dass es keine unerwarteten Gesetzesänderungen gebe.
Sollte die Opposition Verbündete in den Reihen der Regierungsfraktion finden, könnte das Gesetz angesichts denkbar knapper Mehrheitsverhältnisse scheitern. Eine Niederlage, von der sich May möglicherweise nicht erholen würde. Die Regierungschefin gilt seit der schiefgelaufenen Neuwahl im Juni als angezählt. Ihre Ankündigung, auch bei der nächsten regulären Parlamentswahl im Jahr 2022 wieder antreten zu wollen, nimmt kaum jemand ernst.
Doch auch für den Fall, dass sich May am Montag durchsetzen kann, ist das Gesetz noch nicht in trockenen Tüchern. Weitere Debatten und Abstimmungen im Parlament stehen an. Und es droht Gefahr von anderer Seite: Jedes Zugeständnis Mays an die Opposition und aufsässige EU-Befürworter in den eigenen Reihen könnte von den Brexit-Hardlinern als Verrat an der Sache gedeutet werden. (awp/mc/ps)