Accenture: Verantwortungsvolle Lieferketten – Echter Werttreiber statt blosses Lippenbekenntnis
Mark Pearson, Geschäftsführer bei Accenture Strategy und global verantwortlich für den Bereich Operations
Zürich – Der Erfolg eines Unternehmens ist eng verbunden mit der Qualität seiner Lieferkette. Traditionell wird hier Leistungsstärke allein über den Geschäftserfolg gemessen. Doch gerade Marktteilnehmer, die ökonomische Vorteile mit dem Einfluss auf die Umwelt und einem Mehrwert für die lokale Wirtschaft in Einklang bringen, können einen deutlichen Multiplikator-Effekt erzielen.
Von Mark Pearson, Geschäftsführer bei Accenture Strategy und global verantwortlich für den Bereich Operations
Wir nennen dies den „dreifachen Lieferkettenvorteil“. Das belegt die Untersuchung „Beyond Supply Chains – Empowering Responsible Value Chains”, die Accenture Strategy gemeinsam mit dem World Economic Forum durchgeführt hat. Doch was ist unter verantwortungsvollen oder ethischen Lieferketten zu verstehen? Welche konkreten Vorteile gehen für Unternehmen damit einher? Und welche Profitabilitätshebel gibt es?
Ethisch UND profitabel
Ethisch und profitabel zugleich zu wirtschaften schliesst sich nicht länger gegenseitig aus. Im Gegenteil: Auf ethischen Prinzipien basierende Lieferketten sind kein „nice to have“ mehr – in unserer heutigen Geschäftswelt sind sie schlicht eine Notwendigkeit. Unternehmen, die hier voran gehen, tarieren geschäftliche Vorteile insbesondere mit zwei Faktoren aus: dem Umweltschutz sowie dem Beitrag der Lieferkette zur lokalen wirtschaftlichen Entwicklung. Unsere Studie belegt, dass Unternehmen, die ihren Entscheidungsrahmen und entsprechende Massnahmen auf diese Dimensionen gleichermassen ausrichten, in mehrfacher Hinsicht gewinnen. So gehen wir von einem Umsatzzuwachs von bis zu 20 Prozent für verantwortungsbewusst hergestellte Produkte aus. Die Kosten der Lieferkette können zudem um bis zu 16 Prozent sinken, bei einer gleichzeitigen Steigerung des Markenwerts um bis zu 30 Prozent. Darüber hinaus lässt sich der CO2-Fussabdruck durch diesen Ansatz um bis zu 22 Prozent reduzieren – und ermöglicht es Unternehmen zugleich, zur lokalen wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen.
Nur 33 Prozent der befragten CEOs glauben, dass ihre Unternehmen derzeit ausreichende Massnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit ergreifen
Hemmnisse erkennen und überwinden
Der Weg zu mehr Verantwortungsbewusstsein ist jedoch steinig. Zum einen liegt das an der Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden, zum anderen gibt es vermeintliche Hindernisse für Investitionen in eine Umstellung der Lieferkette. Laut der weltweiten CEO-Studie zur Nachhaltigkeit, die Accenture gemeinsam mit dem UN Global Compact erstellt hat, scheitern viele Programme daran, dass es Unternehmen schwer fällt, Investitionen in Nachhaltigkeit zu rechtfertigen, weil die konkreten Vorteile für ihr Geschäft nur schwer zu quantifizieren zu sind. Warum? Zum Teil vielleicht deshalb, weil die Optionen für nachhaltiges Handeln, die sowohl das Geschäft als auch die Gesellschaft voranbringen, nicht ohne weiteres auf der Hand liegen. Darüber hinaus sind Lieferketten komplex – denn die Verantwortung endet nicht an den Unternehmensgrenzen. Immer häufiger werden Unternehmen auch für das Handeln ihrer Zulieferer verantwortlich gemacht, wenn diese sich nicht an das Gesetz halten oder unethisch handeln.
Doch Unternehmen dürfen sich hier nicht mit einer traditionellen Kosten-Nutzen-Analyse aufhalten. Soziale Medien haben auch die Geschäftswelt nachhaltig verändert: Sie bringen Dinge an die Oberfläche, die in den Augen vieler unappetitlich sind, beispielsweise in den Augen von Konsumenten mit sozialem Bewusstsein, von aktivistischen Investoren oder talentierten Nachwuchskräften, die nicht für ein unethisch agierendes Unternehmen arbeiten wollen. Das erhöht den Einsatz für Unternehmen, die die Chance vertun, Worten auch Taten folgen zu lassen und nachweislich verantwortungsbewusst zu handeln.
Wirksame Hebel identifizieren
Und dennoch: Nur 33 Prozent der befragten CEOs glauben, dass ihre Unternehmen derzeit ausreichende Massnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit ergreifen. Um hehren Worten Taten folgen zu lassen, sollten Supply Chain Manager sich zunächst einen Überblick darüber verschaffen, welche Hebel sie zum Aufbau einer nachhaltigen Lieferkette in Bewegung setzen müssen. In der Vergangenheit haben sich zu viele Manager auf das Prinzip des „trial and error“ verlassen. Glücklicherweise ist das Konzept inzwischen gereift und es gibt ausreichend Entscheidungshilfen. Somit verwundert es nicht, dass die Mehrheit der Unternehmensentscheider (87 Prozent) inzwischen anerkennt, dass Nachhaltigkeit eine Chance für Wachstum und Innovation birgt. Zudem wird sie zu einem Differenzierungsmerkmal für diejenigen Vorreiter, die einen ganzheitlichen strategischen Ansatz verfolgen, um im Sinne aller Stakeholder Nutzen zu stiften – zum Beispiel durch völlig neue Betriebsformen, die auch die öffentliche Wahrnehmung ihrer Marke verbessern.
Um Investitionen zugunsten des „Dreifachvorteils“ zu rechtfertigen, berücksichtigen führende Unternehmen kurz- und langfristige finanzielle Effekte, zum Beispiel:
- Umsatzwachstum durch neue Geschäftsmodelle, Erschliessung neuer Märkte und Innovationen bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen: Der Sportartikelhersteller Nike setzt mit „NIKE Grind“ auf ein Modell der Circular Economy. Benutzte Artikel werden zurückgeholt und in Kunststoffgranulat umgewandelt, das an andere Industrien verkauft wird und z.B. beim Bau von Fussballfeldern zum Einsatz kommt.
- Massnahmen zur Kostenreduzierung, etwa durch höhere Energieeffizienz oder Innovation im Zusammenspiel mit Lieferanten und Kunden sowie die Straffung der Lieferketten: Der Lebensmitteleinzelhändler REWE konnte durch die Installation von Solarpanelen und neue energieeffiziente Technologien in seinen Distributionszentren den Energiebedarf und den CO2-Ausstoss um ein Drittel reduzieren.
- Stärkung der Marke und der Unternehmensreputation durch nachhaltige Innovation, Verbesserung des Unternehmensklimas und Talentbindung infolge der Einführung bewährter Arbeitspraktiken: Marks and Spencer hat, beginnend mit den am wenigsten entwickelten Bezugsregionen, einen Prozess implementiert, der es Kleidungsherstellern ermöglicht, ihren Arbeitern einen fairen Lohn zu zahlen. Im Zuge seines „Ethical Model Factory Program“ zahlt das Unternehmen adäquate Preise auf tatsächlicher Kostenbasis an seine Lieferanten.
- Sicherung der gesellschaftlichen Akzeptanz des eigenen Unternehmens durch die Begrenzung von Risiken und die Etablierung als verantwortungsvolles Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftspraktiken: Unilever hat Nachhaltigkeitskriterien tief in die Geschäftsstrategie verankert. Durch „Local Sourcing“, also den Bezug von Rohmaterialien von Kleinstbauern in Entwicklungsländern, konnten dort Sozialstrukturen verbessert und gleichzeitig Rohstoffrisiken minimiert werden.
Am Anfang steht Zusammenarbeit
Sobald Unternehmen mit Blick auf Nachhaltigkeit aktiv werden, ist Zusammenarbeit wichtig – so fremd sie vielen Unternehmenskulturen sein mag. Es geht dabei nicht nur um die Zusammenarbeit mit Kollegen innerhalb des eigenen Unternehmens, sondern um Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von den Lieferanten und deren Lieferanten bis hin zum Endverbraucher oder gar dem Wettbewerber. Je stärker ein Unternehmen mit anderen Teilnehmern in einem gemeinsamen Ökosystem zusammenarbeitet, desto grösser ist die Chance, dass es neue Wege entdeckt, um sozial verantwortungsbewusst zu handeln, umweltgerechte Praktiken in sein Handeln zu übernehmen und die Profitabilität so zusätzlich zu steigern.
Betrachten wir zum Beispiel ein Elektronikunternehmen, das die Grösse eines Produkts verringern will. Die Zusammenarbeit beginnt mit den Ingenieuren, die das Produktdesign überdenken müssen. Aber diese Effekte setzen sich entlang der Wertschöpfungskette immer weiter fort, indem das Produkt eine immer neue Form annimmt, um geänderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Gleichzeitig müssen Lieferanten informiert, die Verpackung überdacht werden. Im Versand benötigt das Produkt weniger Platz, so dass es sogar sinnvoll sein könnte, Laderaum mit einem Wettbewerber zu teilen. Der Einzelhändler muss womöglich die Beschilderung und die Regale überdenken, und der Zielkunde will mit Informationen über die höhere Energieeffizienz des Produkts versorgt werden. Summa summarum bedeutet das also: Je stärker ein Unternehmen die Zusammenarbeit sucht, umso schneller findet es Wege, um davon ökonomisch zu profitieren, Mehrwert für die Umwelt zu stiften und auch lokal Werte zu schaffen.
Auf dem Weg zum „Dreifachvorteil“
Es ist richtig, dass der Druck seitens der Verbraucher und der sozialen Medien Unternehmen dazu veranlasst, mehr als nur Lippenbekenntnisse zu den weltweiten sozioökonomischen Auswirkungen ihrer Lieferketten abzugeben. Zugleich ist dieser Paradigmenwechsel jedoch eine wirklich strukturelle Veränderung der Art, dass die Unternehmen dadurch auch Wettbewerbsvorteile erzielen und ausbauen können. Vorreiter sind die ersten Schritte zu einem ganzheitlichen Ansatz der Lieferkette gegangen, die sowohl eine Steigerung der Rentabilität als auch sozioökologische Vorteile erlaubt. Andere müssen die Reise erst noch antreten. Dies zu tun und den Dreifacheffekt für die lokale Wirtschaft, die Umwelt und insbesondere auch für die eigene Unternehmensleistung zu realisieren, verspricht einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung.
Über Accenture
Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit rund 323‘000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Als Partner für grosse Business-Transformationen bringt das Unternehmen umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture erwirtschaftete im vergangenen Fiskaljahr (zum 31. August 2014) einen Nettoumsatz von 30 Mrd. US-Dollar.