Adriano B. Lucatelli: Wieso man trotzdem Nein zur Gold-Initiative sagen sollte
Adriano B. Lucatelli, Sagebush Management (Bild: Sagebush)
Zürich – Mit dem offiziellen Ende des Bretton-Woods-Systems (Gold-Dollar-Standard) im Januar 1976 ging man zu freien Wechselkursen über («Free Floating»). Damit gab man die Bindung der Paritäten an den Goldwert auf und die nationalen Währungen wurden zu reinen Papierwährungen ohne intrinsischen Wert. In der Folge kam es zu einer starken Abwertung aller Weltwährungen gegenüber dem Gold. Konnte man 1976 für 100 USD noch 0,7 Unzen Gold kaufen, waren es Ende September 2014 lediglich noch 0,08 Unzen. Diese Geldentwertung könnte einen zur Annahme der Gold-Initiative in der Schweiz vom kommenden 30. November verleiten. Wäre dieser Entscheid auch richtig?
Kommentar von Adriano B. Lucatelli, Sagebush Management
Bereits 1729 wies Voltaire auf die Gefahren des Papiergelds («Fiatgeld») hin. Seine Argumentation in Kürze: Früher oder später kehre Papiergeld zu seinem inneren Wert, nämlich null, zurück. Zentralbanken hätten bei geltendem Papiergeldstandard keine Anreize, die Preisstabilität sicherzustellen, weshalb die Geldmenge schneller anwachse als die eigentliche Wirtschaftsleistung.
Tatsächlich hat auch der Schweizer Franken gegenüber dem Gold seit 1976 stark an Wert verloren, obschon die gesetzliche Goldbindung des Frankens erst im Februar 1997 aufgehoben wurde. So nahm die Kaufkraft der Schweizer Valuta gegenüber Gold um fast 70% ab. Wer könnte angesichts dieser Tatsachen ernsthaft den Papiergeldstandard befürworten und eine erneute «Teil-Goldbindung» ablehnen? Denn zur Gewährleistung der Geldwerterhaltung wäre eine teilweise Rückkehr zur Goldbindung durchaus sinnvoll. Paradoxerweise wäre aber ein Ja an der Urne dennoch gefährlich und weltfremd.
Geografische Diversifikation zwingend
Weshalb? Das Referendum sieht vor, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) nach dem Ablauf von zwei Jahren sämtliche Goldreserven ausschliesslich in der Schweiz halten müsste. Somit wäre es der SNB ab diesem Zeitpunkt untersagt, Goldbestände im Ausland – namentlich in Grossbritannien und Kanada – zu halten. Wenn man aber Gold als Krisenwährung oder Versicherung gegen geopolitische Risiken einsetzen will, ist geografische Diversifikation eine zwingende Notwendigkeit. Im Sinne der Risikominimierung müsste die Schweiz also zu einer effizienteren Diversifikation übergehen und Gold auch in Asien – zum Beispiel in Singapur – lagern, statt alle Bestände in die Schweiz zurückzuholen.
Ausserdem müsste die SNB ihre Goldreserven – gemessen an ihren Aktiven – von heute 7,5% auf mindestens 20% erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste sie im Lauf der nächsten drei Jahre rund 60 Mrd. CHF für etwa 1’600 Tonnen Gold aufwenden. Dieser Haufen Gold entspräche mehr als der Hälfte der jährlichen weltweiten Fördermenge. Ob dieses Unterfangen ohne enorme Preisbewegungen am Markt möglich wäre, sei dahingestellt. Selbst wenn diese Transaktion gelingen sollte, würden erhöhte Goldreserven noch immer nicht zwingend Stabilität versprechen. Man denke nur an die Buchverluste von über 30%, die private Investoren mit Gold seit den Höchstständen im September 2011 erlitten.
Handlungsverlust der SNB
Die grösste Gefahr der Initiative besteht aber in der durch diese verursachten eingeschränkten geldpolitischen Autonomie der SNB und damit im Verlust ihrer Fähigkeit zur Steuerung der Konjunktur und der Arbeitslosigkeit. Die Untergrenze zum Euro von 1.20, die am 6. September 2011 zum Schutz des Werkplatzes Schweiz eingeführt wurde, wäre unter dem vorgeschlagenen Regime kaum mehr möglich. Tatsächlich müsste die SNB zuerst ihre Goldreserven markant aufbauen bevor sie imstande wäre, die nötigen Währungsreserven zu erwerben. Auch die «Lender of Last Resort»-Funktion der SNB wäre stark eingeschränkt.
Schliesslich sollte man die geopolitische Wetterlage nicht vergessen. Will man sich wirklich den Preis- und Fördermanipulationen der weltweit grössten Goldproduzenten wie zum Beispiel Russland ausliefern? Eine Anbindung an die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds würde eher Sinn machen als die Wiedereinführung einer «Teil-Goldbindung».
Den Initianten und ihren Befürwortern gebührt Respekt für das Referendum, weist sie doch zu Recht darauf hin, dass die Goldreserven allzu leichtsinnig verkauft wurden. Dennoch ist es wenig sinnvoll, die Schweizer Volkswirtschaft den mit einer Rückkehr zur «Goldbindung» verbundenen Risiken auszusetzen. Eine Währungsreform sollte nur im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft durchgeführt werden. Ein «Sonderzug Schweiz» würde mit Bestimmtheit auf ein Nebengeleise führen.