Allianz GI: Kein Überschreiten des Rubikons in Russland – Auswirkung auf die Märkte

Allianz GI: Kein Überschreiten des Rubikons in Russland – Auswirkung auf die Märkte
Gregor M.A. Hirt, Global CIO Multi Asset bei Allianz Global Investors. (zvg)

Am vergangenen Wochenende wurde die Autorität des russischen Präsidenten Putin in Frage gestellt von Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Söldnergruppe, die bisher dem russischen Staatschef gegenüber loyal waren. Obwohl beide Seiten einen Schritt zurücktraten, ist die Situation eine Erinnerung an die Spannungen innerhalb Russlands und an wichtige Fragen zur institutionellen Nachhaltigkeit des Putin-Regimes.

von Gregor M.A. Hirt, Global CIO Multi Asset bei Allianz Global Investors

Alles in allem bleibt die Situation unklar, wobei die Wahrscheinlichkeit extremer Ergebnisse zunimmt: Einerseits könnte Russland mehr an einer Verhandlungslösung in der Ukraine interessiert sein. Die Wahrscheinlichkeit dafür scheint gestiegen zu sein, da sich ein zerbrechliches russisches Regime wieder auf innenpolitische Fragen konzentrieren muss, während es gleichzeitig weniger widerstandsfähig gegenüber einem langfristigen Konflikt zu sein scheint. Andererseits besteht die Gefahr, dass Putin meint, Stärke demonstrieren zu müssen, und deshalb zu noch brutaleren Massnahmen greift, um an der Ukraine und den Zweiflern „ein Exempel zu statuieren“.

Was bedeutet dies für die Märkte? Zunächst ist klar: Eine Ablösung Putins durch Prigoschin und eine Gruppe rechtsgerichteter russischer Nationalisten hätte die Märkte sicherlich stark verunsichert.

Die Anleger haben sich zuletzt jedoch mit der Situation und den potenziellen Risiken im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine abgefunden, sei es im Hinblick auf die Gasversorgung im Winter 2024 oder den Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Düngemitteln in einem Jahr mit Rekordtemperaturen und dem El-Nino-Phänomen. In Anbetracht des jüngsten Umfelds mit sehr geringer Volatilität und der erneuten Warnungen von Zentralbankern, dass die Kerninflation immer noch zu hoch sei, könnte es gut sein, dass wir die Woche mit einem nervösen Ton beginnen: Die Anleger werden die Auswirkungen von Wagners Meuterei analysieren, nach weiteren Rissen in Putins Regime Ausschau halten und ihre geopolitische Analyse neu ausrichten. In einem solchen Umfeld könnten sichere Anlagen wie Gold, der US-Dollar und US-Treasuries zu den Gewinnern gehören, während riskantere Anlagen unter Druck geraten könnten.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt empfehlen wir – stärker noch als auf die Marktbewegungen selbst – auf einen möglichen Anstieg der Volatilität zu achten. Beim S&P 500 Aktienindex liegt die Volatilität auf dem niedrigsten Stand seit Anfang Januar 2020. Die niedrigen Niveaus der letzten Zeit haben dazu geführt, dass mehr langfristige – insbesondere risikobasierte – Anleger wieder in den Markt einsteigen. Auch viele Hedgefonds, die in den letzten zwei bis drei Wochen ihre Short-Positionen aufgeben mussten und Rekordpositionen in Aktien einnahmen, könnten auf dem falschen Fuss erwischt werden. Und schliesslich könnten Momentum-Investoren, die sich positiv auf risikoreiche Anlagen eingestellt hatten, durch einen starken Anstieg der Volatilität aus dem Konzept gebracht werden.

Eine weitere Anlageklasse, die es genau zu beobachten gilt, ist Öl. Der Preis für die Sorte West Texas Intermediate liegt bei 70 USD pro Barrel, was vor allem auf Rezessionsängste zurückzuführen ist – die sich bislang nicht bewahrheitet haben – und darauf, dass Russland mehr Öl auf den Markt bringen könnte als erwartet. Dieses Preisniveau ist nicht zufriedenstellend für Saudi-Arabien, das massiv in das Angebot eingegriffen hat, indem es Mengen entnahm, die der gesamten Nachfragevernichtung während der grossen Finanzkrise vor 15 Jahren entsprach. Gleichzeitig dürften die USA ihre strategischen Reserven im kommenden Monat wieder aufstocken – während der Ferienzeit, in der traditionell vor Sprit verbraucht wird (Driving Season). Für den Ölpreis ist jede Unsicherheit in Bezug auf die russischen Produktionskapazitäten eindeutig förderlich.

Der Euro schliesslich hat in letzter Zeit von der günstigen Bewertung profitiert, und die Anleger bevorzugen einen Trend in Richtung EURUSD 1,10. Die jüngsten Inflationswarnungen der US-Notenbank und die soliden Long-Positionen der Anleger bergen jedoch das Risiko einer kurzfristigen Schwäche, zumal sich der USD in Zeiten höherer Volatilität tendenziell gut entwickelt. Gleichzeitig bleiben wir positiv gegenüber dem JPY eingestellt, der ebenfalls eine attraktive Bewertung aufweist und in der jüngsten US-Bankenkrise als sicherer Hafen wieder an Wert gewonnen hat. (Allianz GI/mc)

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