Andreas Manz mit dem Europäischen Erfinderpreis geehrt
Andreas Manz freut sich über die Auszeichnung. (Foto: Europäisches Patentamt)
Paris – Schneller, kleiner und kostengünstiger: Andreas Manz (58) hat das Labor auf die Grösse eines Mikrochips geschrumpft und damit den Weg geebnet für eine Point-of-Care-Diagnostik, die heute weltweit zur Anwendung kommt. Für diese Leistung hat das Europäische Patentamt (EPA) den Schweizer Forscher und Erfinder in Paris mit dem Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Lebenswerk» ausgezeichnet.
„Dass sich komplexe medizinische, biologische oder chemische Analysen heute auf nur wenigen Millimeter grossen Chiplaboren schnell und effizient durchführen lassen, ist das Verdienst von Andreas Manz», sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der feierlichen Preisverleihung im Palais Brongniart , der alten Pariser Börse, vor 400 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Mit dem Preis zeichnet das EPA herausragende Erfinder für ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung, technischem Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum aus. Er wurde zum 10. Mal verliehen. „Dank seines Erfindungsreichtums stehen uns immer weitere Anwendungen zur Verfügung, welche die gezielte Prävention und Therapie von Erkrankungen zulassen.» Mit Hilfe der Manz’schen Miniaturisierung können etwa spezielle Testgeräte den Zuckergehalt bei Diabetikern auf Basis eines Tropfen Bluts innerhalb von Sekunden messen. Eine nicht weniger bahnbrechende Variante des Chiplabors von Manz ist dessen Nutzung als DNA-Schnelltest zur Prävention von Erbkrankheiten. Zudem hat die Technologie das Potential, in Gebieten mit fehlender medizinischer Infrastruktur die Eindämmung von Pandemien oder Volkskrankheiten zu ermöglichen.
Eine Miniatur-Erfindung aus Chemie und Elektronik
„Ich war einer der ersten, der Mikrochiptechnologie für chemische Fragestellungen eingesetzt hat», sagt Andreas Manz, Professor an der Saar-Universität und Leiter der Arbeitsgruppe für Mikrofluidik am Korea Institute of Science and Technology (KIST Europe) in Saarbrücken. Für seine Erfindung des ersten miniaturisierten Gesamtanalysesystems (μTAS) im Jahr 1990 hat der promovierte Chemiker Chiptechnik aus der Mikroelektronik mit chemischen Trenn- und Nachweisverfahren (Elektrophorese, Fluoreszenz) kombiniert. „Das Neue war, dass wir auf einem solchen Chip Apparate und Geräte sowie Schläuche und Ventile aus den Laboratorien integriert haben in winzigste Kanälchen», sagt Manz rückblickend.
Vom Chemieunfall zum Chiplabor
Der Schweizer Erfinder, der als Pionier auf dem Gebiet der Mikrofluidik gilt, entwickelte die Technologie zunächst als Antwort auf eine Umweltkatastrophe: Als nach einem Brand in einer Schweizer Chemiefabrik im Jahr 1986 Giftstoffe in den Rhein gelangten, erfand er ein System, das in der Lage war, Wasserproben ohne Laboraufwand schnell zu analysieren. „Nach der Katastrophe hatten wir die Idee, ein neues Gerät, ein sogenanntes „Lab on a chip» zu entwickeln, um viele Chemikalien im Flusswasser nachweisen zu können», sagt Manz. „Wir hatten später feststellen können, dass diese Chips auch sehr gut in anderen Bereichen, wie der pharmazeutischen Forschung und in der klinischen Diagnostik, eingesetzt werden können.»
Das grossee Potential dieser Technik spiegelt sich auch in dem damit einhergehenden Marktvolumen wider: Laut einer Studie aus 2011 soll der Markt für Chiplabortechnologie bis 2016 rund 7,8 Milliarden Euro erreichen. Gegenwärtig kommt sie bereits unsichtbar in vielen Dingen zum Einsatz, in Laborinstrumenten von Forschungseinrichtungen genauso wie in der modernen Diagnostik.
Vordenker mit herausragendem Erfindergeist
Manz ist bis heute auf diesem Forschungsgebiet aktiv. Gegenwärtig betreut er ein Projekt, das darauf abzielt, menschliche Zellen im Labor zu imitieren. Im Erfolgsfall könnten Tierversuche eines Tages unnötig werden. „In der Zukunft wird die Lab on a Chip-Technologie vorwiegend in der Medizin, in der pharmazeutischen Forschung, in der forensischen Chemie und in vielen anderen Gebieten eingesetzt werden», sagt Manz.
Eine Entwicklung, die ohne Manz‘ Erfindungen nicht möglich gewesen wäre: Der Schweizer hat der Chipforschung seinen Stempel aufgedrückt – allein seine Veröffentlichung über das Konzept der „chemischen Gesamtanalysesysteme» wurde bis heute mehr als 11’000 Mal zitiert. Neben rund 40 Patenten, die im Wesentlichen auf Manz zurückgehen, veröffentlichte er zudem über 250 Artikel in wissenschaftlichen Publikationen. Damit zählt Manz zu den erfolgreichsten Chemikern weltweit.
Nicht weniger beeindruckend nimmt sich seine Laufbahn als Forscher und Wissenschaftler aus, die ihn nach dem Chemiestudium an der ETH Zürich über Stationen im Forschungslabor von Hitachi in Japan und bei Ciba-Geigy (heute Novartis) bis nach London als Professor an das Imperial College sowie an das Deutsche Institut für analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund führte. (EPA/mc/pg)