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Zürich – Vier von fünf Beschäftigten in der Schweiz gestalten ihre Arbeit aktiv mit. Mit der Gestaltung der eigenen Arbeit, dem sogenannten Job Crafting, versuchen Angestellte ihre Arbeitssituation positiv zu beeinflussen. Das zeigt der Schweizer HR-Barometer 2014 der Universität Zürich und der ETH Zürich. Die Studie empfiehlt Arbeitgebern, Job Crafting beispielsweise mittels mehr Mitsprache und Einflussnahme zu fördern.
Um ihre Arbeit möglichst positiv zu erleben, versuchen die meisten Schweizer Angestellten ihre Aufgaben im Job den eigenen Bedürfnissen und Zielen anzupassen. Achtzig Prozent von rund 1400 Befragten verschaffen sich mehr Ressourcen, indem sie durch persönliche Beziehungen Unterstützung einholen. Etwa zwei Drittel der Befragten suchen sich neue Herausforderungen und gut dreissig Prozent reduzieren emotionale, körperliche oder mentale Belastungen, beispielsweise indem sie ihr Arbeitstempo reduzieren. Der Begriff Job Crafting fasst diese Handlungsweisen zusammen, die Prof. Gudela Grote von der ETH Zürich und Prof. Bruno Staffelbach von der Universität Zürich in der achten Ausgabe des Schweizer HR-Barometers erforschen.
Mehrheit der Arbeitnehmer ist zufrieden
Ob Angestellte ihre Arbeit als zufriedenstellend, stressig oder langweilig wahrnehmen, ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Job Crafting und betrieblicher Arbeitsgestaltung. Der diesjährige HR-Barometer zeigt, dass drei Viertel der befragten Personen mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Jeder Zehnte langweilt sich gelegentlich bei der Arbeit. Allerdings leiden drei von fünf Beschäftigten öfters unter Stress und gut zwei von drei Befragten berichten von Schlafproblemen, die sie mit ihrer beruflichen Situation in Zusammenhang bringen. Der hohen Arbeitszufriedenheit steht das hohe Stresserleben der befragten Angestellten gegenüber. «Letzteres ist vor allem deshalb alarmierend, weil ein positives Arbeitserleben die Basis für Motivation, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten bildet», erklärt Bruno Staffelbach, Professor für Human Resource Management an der Universität Zürich.
Job Crafting ersetzt mangelhafte Arbeitsgestaltung nicht
Wie sich aus den Resultaten des HR-Barometers folgern lässt, ersetzt Job Crafting allerdings die betriebliche Arbeitsgestaltung nicht. Vielmehr greifen betriebliche Massnahmen und Job Crafting verstärkend ineinander und tragen gemeinsam zu einem positiven beziehungsweise negativen Arbeitserleben bei. Um von einer positiven Wechselwirkung zu profitieren, empfiehlt die Studie den Arbeitgebern, Job Crafting mittels Partizipations- und Einflussmöglichkeiten zu fördern. «Mitsprachemöglichkeiten erlauben es den Beschäftigten, Missstände und Chancen in der Arbeitsgestaltung früh anzusprechen und gemeinsam mit dem Arbeitgeber anzupacken», verdeutlicht Gudela Grote, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich.
Auch mit den klassischen betrieblichen Instrumenten der Arbeitsgestaltung können Unternehmen das Arbeitserleben positiv verändern und Job Crafting begünstigen. Insbesondere Rückmeldungen zur Arbeit an sich und eine hohe Aufgabenvielfalt tragen positiv zum Arbeitserleben bei. In diesen beiden Punkten schneiden die Unternehmen in der Schweiz jeweils gut ab: Über achtzig Prozent der Befragten nehmen ihre Arbeit als vielfältig wahr und zwei Drittel berichten von ausreichenden Rückmeldungen zur ihrer Arbeit. Demgegenüber besteht noch Ausbaupotenzial bei der Autonomie, sowie bei der wahrgenommenen Bedeutsamkeit der Aufgabe.
Was Führungspersonen leisten
Führungspersonen bestimmen das Arbeitserleben der Beschäftigten massgeblich mit. Beschäftigte, die sich durch ihre Vorgesetzten sozial und fachlich unterstützt fühlen, erleben weniger Stress und sind zufriedener bei der Arbeit. Insgesamt stellen die befragten Angestellten ihren Führungskräften ein gutes Zeugnis aus: Drei Viertel der Beschäftigten bezeichnen das Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten als gut. Der Appell an die Arbeitgeber lautet, Führungspersonen in ihren Aufgaben und Kompetenzen weiter zu stärken. Befragte mit einer Führungsfunktion berichten nämlich häufiger selber von Stress betroffen zu sein als Befragte ohne Führungsfunktion.
Günstig auf das Arbeitserleben wirkt auch ein erfüllter psychologischer Vertrag, der eine ausgeglichene Austauschbeziehung zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern beschreibt. Dies setzt voraus, dass Arbeitgeber und Beschäftigte ihre wechselseitigen Erwartungen transparent kommunizieren und klar bestimmen. Dazu bilden Feedbackgespräche einen günstigen Rahmen. Allerdings scheinen viele Unternehmen diese Chance zu verpassen, denn regelmässige Feedbackgespräche finden offenbar nur mit der Hälfte der befragten Beschäftigten statt.
Angestellte verlassen sich weniger auf ihren Arbeitgeber
Die Trends über die letzten Jahre zeigen, dass der Anteil der Befragten mit eigenverantwortlicher Karriereorientierung gewachsen ist. Der eigenverantwortliche Karrieretyp plant und gestaltet seine Karriere eigenständig und über die Organisationsgrenzen hinweg und wechselt deshalb auch häufiger das Unternehmen. Ein Viertel der befragten Personen lässt sich diesem Karrieretyp zuordnen. Die grosse Mehrheit der Angestellten hat allerdings nach wie vor eine traditionelle Vorstellung von Karriere: Sie erwarten von ihrem Arbeitgeber Kontinuität und Karriereperspektiven – im Gegenzug zeigen sie ein stärkeres Bindungsgefühl gegenüber ihrem Unternehmen.
«Die Zunahme des eigenverantwortlichen Karrieretyps ist womöglich auch eine Antwort darauf, dass Unternehmen zunehmend weniger Stabilität vermitteln, was Zweifel an der Beständigkeit von unternehmensinternen Laufbahnpfaden aufkommen lässt» sagt Bruno Staffelbach. Tatsächlich hat sich seit 2009 die Arbeitsplatzunsicherheit in der Schweiz erhöht: Rund ein Drittel der Befragten fürchtet sich heute davor, den Arbeitsplatz zu verlieren. Zusätzlich macht sich die Hälfte der befragten Personen Sorgen bezüglich Restrukturierungen bzw. dass sich ihre Arbeit negativ verändern könnte. (Universität Zürich/mc/pg)