Arktisches Meereis im Sommer dramatisch geschrumpft

Alfred Wegener Institut

FS Polarstern im Arktischen Ozean. (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Steffen Graupner, CC-BY 4.0)

Bremerhaven – Die Meereisdecke des Arktischen Ozeans ist in diesem Sommer auf die zweitkleinste Fläche seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1979 geschrumpft. Mitte September betrug die verbleibende Eisfläche nur noch 3,8 Millionen Quadratkilometer. Damit liegt die aktuelle Meereisfläche etwa 0,5 Millionen km² über dem Negativrekord aus dem Jahr 2012.

Die Ursachen für den starken Eisverlust in diesem Sommer sind vielschichtig: Zum einen wurde im zurückliegenden Winter in den russischen Randmeeren überwiegend dünnes Meereis gebildet, welches dann im Frühling schnell geschmolzen ist. Zum anderen verzeichnete die Arktis in diesem Jahr besonders hohe Luft- und Wassertemperaturen. Wärmewellen haben dem Eis demzufolge sowohl von oben als auch von unten zugesetzt und es grossflächig schmelzen lassen.

Im Mai und Juni beispielsweise verharrte eine grosse Warmluftzelle über der sibirischen Küste, infolge derer die Lufttemperatur bis zu 6 Grad Celsius über dem Langzeitmittel lag. „Diese Wärme schmolz zunächst das dünne Meereis in der Laptewsee, anschliessend beschleunigte sie den Rückzug des Eises in der Ostsibirischen See, sodass die russische Arktis bereits im Juni dieses Jahres rund eine Million Quadratkilometer weniger Meereis aufwies als in den sieben Jahren zuvor“, sagt Prof. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.

Im Juli wanderte eine Wärmezelle dann in die zentrale Arktis und liess die Lufttemperaturen dort bis zu 6 Grad Celsius über das Langzeitmittel der Jahre 1981 bis 2010 steigen. Im selben Monat fegte zudem ein Sturm über den kanadischen Sektor des Arktischen Ozeans und verteilte das dort treibende Meereis grossflächig. Viele der Schollen schmolzen anschliessend innerhalb kurzer Zeit, weil sich das nun stellenweise offene Oberflächenwasser infolge der Sonneneinstrahlung erwärmte.

Überdurchschnittlich warmes Wasser
Die zunehmende Wärme im Klimasystem der Erde griff das Meereis in diesem Jahr aber auch von unten an. Dort, wo die Meereisdecke früh im Jahr verschwand, konnte die dunkle Meeresoberfläche länger als sonst Sonnenenergie absorbieren. Das Oberflächenwasser erwärmte sich demzufolge besonders stark. Die Meeresoberflächentemperatur in den russischen Randmeeren sowie in der Barentssee und der Tschuktschensee lag bis zu 4,5 Grad Celsius über dem Langzeitmittel. „Wir gehen davon aus, dass es bedingt durch das stabile Hochdruckgebiet über der zentralen Arktis im Juli und August deutlich mehr wolkenlose Tage gab. Dadurch konnte die sonst durch Wolken verringerte einfallende Sonneneinstrahlung in diesem Jahr ebenfalls zur Eisschmelze beitragen“, erläutert AWI-Klimatologin Dr. Monica Ionita.

Eine weitere Rolle dürfte Wärme aus der Tiefe des Ozeans gespielt haben. Wie aktuelle Forschung zeigt, steigen im östlichen Teil des Arktischen Ozeans warme atlantische Wassermassen, die bislang in Tiefen von etwa 150 Metern zirkulierten, langsam auf und verändern unter anderem den Wärmeaustausch zwischen den arktischen Wassermassen. Wärme aus der Tiefe kann unter diesen Voraussetzungen selbst im Winter häufiger bis an die Meeresoberfläche aufsteigen und das Eis von unten schmelzen oder aber sein Wachstum verlangsamen. Aus diesem Grund ist das Eis dann zum Ende des Winters bereits dünner ist als in den Jahrzehnten zuvor.

Zeugen des rapiden Meereisrückganges
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord des deutschen Forschungseisbrechers Polarstern konnten die rapide Eisschmelze in diesem Sommer live miterleben. «Das Meereis der Arktis hat sich in diesem Jahr atemberaubend weit zurückgezogen. Als wir den Nordpol kürzlich erreicht haben, sahen wir weite Bereiche offenen Wassers fast bis zum Pol, umgeben von Eis, welches durch massives Schmelzen völlig durchlöchert war. Das Eis der Arktis schwindet in dramatischer Geschwindigkeit», sagt Expeditionsleiter Prof. Markus Rex.

Zu welchem Zeitpunkt das arktische Meereis sein absolutes Minimum erreichen wird, hängt von den Wetterbedingungen in der Arktis ab. Dieses kann erst dann bestimmt werden, wenn die Meereisfläche nachweislich wieder zu wachsen beginnt. Erfahrungsgemäss ist dies zur Mitte des Monats September, manchmal aber auch erst in der zweiten Monatshälfte der Fall. (AWI/mc/pg)

Alfred-Wegener-Institut

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