Birmensdorf – Grünräume wie Schreber- oder Hausgärten sind in städtischen Ballungszentren für viele Menschen ein Zufluchtsort. Gärten bieten Naturnähe, Ruhe und Erholung. Sie sind ein Hort der Biodiversität und haben grosse soziale Bedeutung, wie eine Umfrage der Eidg. Forschungsanstalt WSL und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) ergab.
Stark verdichtete städtische Ballungsräume sind oft arm an Pflanzen- und Tierarten und werden von vielen Menschen in ihrer Freizeit gemieden. Die darin liegenden offenen, nicht versiegelten Flächen sowie Parks und Gärten hingegen ziehen Menschen an. Warum ist das so? Dies wollten Forschende der Eidg. Forschungsanstalt WSL und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) herausfinden. In 48 Interviews sowie in zwei schriftlichen, an jeweils rund 1800 Nutzende von Schreber- und Hausgärten abgegebene Umfragen stellten sie unter anderem Fragen zur natürlichen Vielfalt und zum sozialen Wert dieser Gärten. Die Forschenden wollten auch wissen, was diese Menschen dazu bringt, einen Garten auf eine bestimmte Weise zu pflegen und welche Motivationen und Einstellungen ihr Handeln beeinflussen.
Stadtmenschen suchen Abstand zum Alltag
Aus den 724 auswertbaren Fragebögen der ersten Studie erfuhren die Forschenden, dass eine grosse Mehrheit der Besitzerinnen und Pächter von Schreber- und Hausgärten sich vor allem deswegen gerne in der Natur aufhält, weil sie Abstand zum Alltag gewinnen will. Dass dies tatsächlich gelingt, zeigen die Daten der zweiten Umfrage: «Die Mehrheit der Personen mit einem Garten fühlt sich nach dem Aufenthalt in diesem viel entspannter als vorher, besonders deutlich ist dieser Effekt in den Schrebergärten», fasst Nicole Bauer von der WSL eines der zentralen Ergebnisse dieser Umfrage zusammen. In Städten lebende Menschen besuchen ihren Garten vor allem, um an der frischen Luft zu sein, die Schönheit der Natur zu erleben und die Ruhe zu geniessen. Für 15% der Gärtnerinnen und Gärtner ist die Gartenarbeit allerdings auch ein Stressfaktor, denn die Gartenpflege bedeutet manchmal auch harte Arbeit.
Und wie werden die Gärten bewirtschaftet und gepflegt? Die Mehrheit der Befragten bekennt sich klar zur Förderung der biologischen Vielfalt. Dies hängt direkt mit der empfundenen Schönheit der Natur zusammen, aber auch mit der ökologischen Verantwortung der Befragten und weil sie sich mit einem naturnah bewirtschafteten Garten identifizieren. Konkret fördern die Gärtnerinnen und Gärtner die Biodiversität, indem sie Gemüse- und Blumenbeete anlegen und Lebensräume wie Asthaufen für Igel, Nistkästen für Vögel oder Wiesenflächen für Insekten schaffen und Bienenhotels aufstellen. Die Anlage von Trockensteinmauern ist besonders in Hausgärten beliebt.
Die Umfrage zeigt auch, dass extensiv gepflegte Gärten mit vielen unterschiedlichen Strukturen und Lebensräumen insgesamt reicher an Tier- und Pflanzenarten und -individuen sind als intensiv bewirtschaftete Gärten mit homogeneren Strukturen wie beispielsweise Rasenflächen. Schrebergärten haben bezüglich Artenvielfalt gegenüber den Hausgärten die Nase vorn.
Beispiel: Ein grossflächiger, aber fein parzellierter Gemüseanbau wie er in Schrebergartenarealen praktiziert wird fördert insbesondere Pioniere wie z.B. gewisse Laufkäferarten. Dafür zeichnen sich Hausgärten mit einer artenreichen, aus unterschiedlich alten Gehölzen bestehenden Vegetation durch eine erhöhte Vogelaktivität aus – insbesondere in der dicht bebauten Innenstadt.
Gärten sind sozialer Ort und Gegenpol zur Verdichtung zugleich
Neben der Erholungsfunktion haben Stadtgärten eine wichtige soziale Funktion: Sie sind Orte der Begegnung und werden nicht nur von ihren Pächterinnen oder Eigentümern genutzt, sondern auch von Gästen aus der Nachbarschaft und dem Freundeskreis. Die meisten Personen mit einem Garten empfangen in diesem während drei Monaten bis zu zehn Gäste . «Längerfristig werden Gärten einen Gegenpol zu verdichteten Quartieren bilden», davon ist Robert Home vom FiBL überzeugt, «einerseits aus sozialen Gründen, weil sich die Menschen in dicht besiedelten Städten nach mehr Ruhe und sozialen Kontakten sehnen, anderseits aus ökologischen Gründen, weil in gartenreichen Quartieren die Arten- und Lebensraumvielfalt höher ist als zwischen hohen Häusern und lärmigen Strassen.»
Darum legen die Ergebnisse dieser vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Sinergia-Programms finanzierten Studie nahe, dass es klug wäre, privat bewirtschaftete Flächen in die Biodiversitätsstrategien und -konzepte der Städte aufzunehmen und so vom Engagement der Freizeitgärtnerinnen und -gärtner zu profitieren. Dies schliesst die Schrebergärten am Rand der Stadt mit ein, die einen wichtigen Beitrag leisten, um extensiv bewirtschaftetes Grünland zu erhalten. Würde dies alles bei der Stadt- und Raumentwicklung berücksichtigt, die zumeist in Richtung einer Verdichtung führt, liesse sich die Wohnqualität in Ballungszentren gesamthaft gesehen möglichst hoch halten.
Acht neue Insektenarten entdeckt
David Frey (WSL) und Mitarbeitende untersuchten die Artenvielfalt der Pflanzen und Tierarten. So bestimmten sie mehr als 150’000 wirbellose Tiere und wiesen gut 1100 Tier- und mehr als 1000 Pflanzenarten nach. «Unser Datensatz zur oberirdischen Biodiversität ist einer der grössten weltweit, der bisher in Gärten erhoben wurde», sagt Frey. Ein durchschnittlicher Garten in der Stadt Zürich beherbergt 119 Pflanzenarten sowie 142 Tierarten. Den Forschenden gingen sogar 8 Insektenarten ins Netz, die bisher noch nie in der Schweiz nachgewiesen wurden. (WSL/mc/pg)