Wernher von Brauns Expeditionsflotte.
Von Artur P. Schmidt
Popularitätsschub für die Raumfahrt
Wernher von Braun berechnete die erste bemannte Mission zum Mars im Jahr 1948. Er veröffentlichte seine Analyse im Jahr 1952 und erreichte ein breites Publikum durch Aufsätze im Collier-Magazin, eine Reihe von Büchern und das Walt Disney TV-Programm. Erstaunlich ist, dass von Brauns Szenario heute aktueller denn je ist. Im Jahr 1948 als das V2 Testprojekt der Armee auslief, wurde Wernher von Braun engagiert, um für das US-Militär in isolierten Fort Bliss zu arbeiten. Als er etwas freie Zeit hatte, schrieb er einen Roman über eine Expedition zum Mars mit genauen Berechnungen als Anhang. Raffinierte Entwürfe wurden im Jahr 1956 in «The Exploration of Mars“ vorgestellt und erreichten ein Publikum von 42 Millionen Amerikanern. Keine andere Serie von Artikeln, Bücher und Programmen tat mehr, um die Idee der bemannten Raumfahrt vor dem Sputnik-Schock zu popularisieren. Sein «Marsprojekt» war das erste technisch umfassende Design für eine bemannte Expedition zu unserem Nachbarplaneten Mars. Von Braun stellte sich hierbei keine einfache Reise von Astronauten wie bei der späteren Mondlandung vor, seine eine enorme wissenschaftliche Expedition. Seine Mars-Expedition wurde für 70 Besatzungsmitglieder an Bord von zehn Raumfahrzeugen mit einer jeweiligen Masse von 3’720 Tonnen ausgelegt. Die Expedition würde durch die Hohmann Trajektorien mit minimaler Energie zum Mars und zurück reisen können. Diese erfordern jedoch einen langen Aufenthalt auf dem Mars, der auch für eine Expedition dieser Grössenordnung notwendig war.
Expeditionsflotte
Die Expeditionsflotte sollte aus sieben Passagierschiffen und drei Frachtschiffen bestehen. Die Passagier-Schiffe sollten mit 20-m-Durchmesser Wohnkugeln für zehn Männer pro Schiff und einem extra Treibstoff von 356,5 Tonnen für die Reise ausgestattet werden, um wieder auf die Erde zurückkehren zu können. Die drei unbemannten Frachter sollten ein 200 Tonnen schweres mit Flügeln versehenes Landemodul und 195 Tonnen Versorgungsmaterial, welches im Marsorbit belassen werden sollte, transportieren. Von Braun wählte Salpetersäure/Hydrazin Treibstoffe, sowohl für die Trägerraketen als auch die Marsschiffe. Dies waren ätzend und giftig, hatten aber den Vorteil, dass sie ohne Kühlung lagerfähig sind, eine notwendige Bedingung für eine Mission zum Mars. Die ganze Reise wurde für eine Dauer von drei Jahren ausgelegt. Von Braun erkannte die Gefahren wenn der Mensch über eine so lange Zeit Null G ausgesetzt war. Er schlug vor, die Fahrgastschiffe zu verbinden und mittels einer Drehbewegung eine künstliche Schwerkraft zu erzeugen. Darüber hinaus schlug er «Schwerkraft-Zellen“ vor, in denen die Besatzung mehrere Stunden verbringen konnte, um so ihre Fitness zu gewährleisten. Es gab noch keine klare technische Lösung für das Problem der interplanetaren Navigation zu dieser Zeit. So sollte die Besatzung die Navigation mittels der Sterne und Planeten durchführen und Abweichungen vom geplanten Kurs durch geeignete Manöver korrigieren. Zu diesem Zweck würde eine enorme Treibstoffreserve von 10% mitgenommen.
Was uns Europäer verbindet
Was das Projekt heute so interessant macht, dass es das ideale Projekt wäre, um Europa aus der Euro-Krise zu hieven und einen neuen europäischen Entdeckerboom ganz in der Tradition der berühmten portugiesischen und spanischen Seefahrer auszulösen. Portugal stieg im 15. und 16. Jahrhundert zur führenden Seefahrernation der Welt auf. Deren Kapitäne entdeckten Brasilien, fuhren als erste auf dem Seeweg nach Indien und umschifften die ganze Welt. Spanien war ebenfalls eine grosse Seefahrer-Nation, die zahlreiche Kolonien eroberte. Der Italiener Christoph Kolumbus entdeckte als er im Auftrag der spanische Krone einen Seeweg nach Indien finden sollte, Amerika. Und vergessen wir nicht, dass auch die Griechen grosse Seefahrer waren. Die ersten Entdecker der Meere waren bekanntlich die Phönizier, die schon um 600 v. Chr. Afrika von Ost nach West umsegelten. Statt der Finanzierung von maroden Banken mit 1 Billion Euro, würde ein europäisches Raumfahrtprogramm mit diesem Betrag die Garantie für eine europäische Führungsrolle im 21. Jahrhundert schaffen und in Folge Millionen neuer Arbeitsplätze durch einen neuen Innovationsboom auslösen. Es kann als sicher gelten, dass ohne das Apollo-Programm die Entwicklung der Computertechnologie in den 70er und 80er Jahren nicht einen so rasanten Verlauf genommen hätte.
Pioniergeist ist gefragt
Wie man sieht war der damalige Erkundungsgeist Griechen, Portugiesen, Spaniern und einem grossen Italiener zu verdanken, genau die Länder, die heute neben Griechenland am stärksten von der Eurokrise betroffen sind. Wenn man sich die heutigen Untergangsprotagonisten anhört, dann könnte man den Eindruck bekommen, dass das Schiff Europa versinkt. Dem ist jedoch bei weitem nicht so, denn die Zukunft ist offen und es liegt an uns selbst etwas daraus zu machen. Auch sollte die deutsche Bundskanzlerin mit mehr Respekt den grossen ehemaligen Seefahrernationen begegnen. Die Zeit ist gekommen, dass Europa ein grosses Marsprojekt ins Leben ruft und die durch die Besiedelung des Mars einen neuen Gründerboom auslöst. Als führende Wirtschaftsmacht in Europa sollte Deutschland, welches mit Raumfahrtpionieren wie Wernher von Braun, Eugen Sänger oder H.H. Koelle die Entwicklung der Raumfahrt massgeblich beeinflusst hat, Europa einen Raumfahrtmarshallplan schenken, der alleine schon durch seine Ankündigung, wie John F. Kennedy 1961, als der das Ziel einer bemannten Mondladung verkündete, eine neue Aufbruchsstimmung auslöste.
Abb.: Landeanflug auf den Mars.
Unser Nachbarplanet
Die Zeit ist gekommen, dass wir zum Mars aufbrechen. Astronauten, die viele Monate in Raumstationen lebten, haben bewiesen, dass der Mensch sich im feindlichen Terrain des Weltalls behaupten kann. Dieses Jahrhundert braucht ein neues Ziel und dieses Ziel heisst Mars, der rote Planet der je nach Konstellation etwa 56 bis 401 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Der Mars-Durchmesser ist mit knapp 6’800 Kilometer etwa halb so gross wie der Erddurchmesser. Er besitzt zwei kleine, unregelmässig geformte Monde: Phobos und Deimos. Der Mars ist aktuell der einzige Planet, der für eine Mission zu anderen Planeten in Frage kommt. Er ist von allen Planeten unseres Sonnensystems derjenige, der der Erde am nächsten und am ähnlichsten ist. Auf dem Mars gibt es vier Jahreszeiten und ähnliche Oberflächenstrukturen. Es gibt dort Ebenen, Gebirge und Grabennetze, die Flüsse vor rund vier Milliarden Jahren in den Marsboden gegraben haben als dort noch ein feucht-warmes Klima herrschte. Ein Mars-Jahr dauert 687 Tage und ein Tag auf dem Mars 24,5 Stunden. Die Marsatmosphäre besteht hierbei zu 95,3 % aus Kohlenstoffdioxid. Die Oberflächentemperaturen von +22 bis -70 Grad Celsius lassen eine Besiedelung des Mars zu. Allerdings gibt es auf dem Mars Sandstürme, die bis zu 400 Stundenkilometer erreichen können.
Warum dauert der Flug zum Mars so lange?
Die Flugzeit zum Mars beträgt mit den aktuellen Technologien etwa 8 Monate bis zu 1 Jahr, je nach Zeitfenster. Astronauten müssen dann etwa 500 bis 600 Tage auf dem roten Planeten bleiben, da sich erst dann wieder eine kurze Trajektorie für die Rückkehr ergibt. Diese Hohmannbahnen oder Hohmann-Ellipsen ermöglichen den Übergang zwischen Planeten, die um die Sonne rotieren mittels eines Kick-Burns (Impuls-Manöver) eines Raketenantriebes, wodurch sehr viel Treibstoff (dies bedeutet eine höhere Nutzlast) eingespart werden kann, auch wenn die Reisezeit gegenüber einer direkten Route deutlich höher ist. Hierbei nutzen Raumschiffe die Bewegungsenergie der Planeten um die Sonne. Da sich die Planeten und auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen, ist die Dauer eines Umlaufs vom Bahnradius abhängig. Je grösser dieser ist, desto grösser ist auch die Umlaufzeit. Da der Mars weiter als die Erde von der Sonne entfernt ist, braucht er für eine Umkreisung 687 Tage. Die Raumschiffe, die von der Erde zum Mars oder umgekehrt fliegen, nutzen ebenfalls elliptische Bahnen um die Sonne, die jedoch so gewählt werden müssen, dass sie in die unmittelbare Nähe des Zielplaneten führen, wo sie mit Raketenmotoren oder durch Eintauchen in die Atmosphäre abgebremst werden. Um Treibstoff zu sparen wählt man vorzugsweise eine Bahn, welche die Bahn des Mars bzw. der Erde gerade berührt. Aus ihrer Grösse ergibt sich wiederum die Flugzeit, die im optimalen Fall etwa 8 Monate beträgt. Damit man zum Mars starten kann, muss eine bestimmte Konstellation von Mars und Erde gegeben sein, was etwa alle 25 Monate der Fall ist. Auf dem Mars oder in einer Umlaufbahn um den Mars beträgt die Aufenthaltsdauer dann mindestens 16 Monate, womit eine Mindestreisezeit von etwa 1’000 Tagen zu veranschlagen ist. Da der Abstand zwischen Mars und Erde von 56 bis 401 Millionen Kilometern variiert sind Funksignale etwa zwischen 3 bis 22 Minuten unterwegs. Da die Kommunikation wesentlich schneller ist als die Reisezeit, wird das Internet eine wichtige Rolle auf dem Mars spielen, damit die ersten Siedler keine Langeweile bekommen und die Erdenbürger umfassend über die Entwicklungen auf dem Mars informiert werden.
Forget the Moon, Let’s Head to Mars!
Europas Raumfahrt hat das notwendige Rüstzeug, um das Weltall zu erobern und die Rohstoffvorkommen auf dem Mars zu erschliessen. Unter dem Motto «Mars to Stay» sollen die ersten zum Mars gesandten Astronauten dort erst einmal für eine unbestimmte Zeit bleiben. Dafür setzen sich insbesondere der niederländische Unternehmer Bas Lansdorp mit seinem Projekt Mars One und der ehemalige Apollo-Astronaut Buzz Aldrin gemäss seinem Wahlspruch ein: «Forget the Moon, Let’s Head to Mars!» Will man dieses Vorhaben umsetzen, so könnte mit einem Budget von 1’000 Milliarden Euro eine Marsexpedition auf den roten Planeten gesandt werden, die noch grosser als diejenige ist, die Wernher von Braun vorschlug, und die mit den dort existierenden Rohstoffen immer grössere Siedlungsstrukturen und später sogar Dörfer und Städte aufbaut.
Das Jahrtausend der Raumfahrt
Die Erkundung des Weltalls ist die entscheidende Aufgabe, der sich die Menschheit in diesem Jahrtausend stellen muss. Europa kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen und sich auf seine historischen Erfolge bei der Erkundung unseres blauen Planeten berufen. Es geht darum, der Menschheit neue Überlebensräume in unserem Planetensystem und später in unserer Galaxie zu sichern. Der Fortschritt bei neuen Technologien und Materialien wird zukünftig auch die Reisezeiten schrumpfen lassen, ebenso wie der Luftverkehr die Reisezeit gegenüber einer Schiffsreise schrumpfen liess. Eine Marsexpedition kann die Kosten, die sie verursacht, mehr als einspielen, wenn die Menschheit begreift, dass das dritte Jahrtausend dasjenige der Raumfahrtinnovationen sein wird. Das Argument, dass die Raumfahrt sehr teuer ist und deshalb das Geld besser in andere Projekt gesteckt wird, ist nicht stichhaltig, denn sonst hätte es auch die Luftfahrt nicht geben dürfen, die anfangs auch viel teurer als eine Schiffs- oder Bahnreise war. Technologien entwickeln sich weiter und führen durch Innovationen zu Produktivitätsschüben. Diese wird es auch in der Raumfahrt geben und diese werden uns erlauben, uns immer schneller und kostengünstiger im Weltall fortzubewegen. Wagen wir wieder etwas, was die Menschheit voranbringt. Europa braucht wieder einen neuen Pioniergeist und die Politiker sollten endlich erkennen, dass es viel weniger Krisen und Untergangsstimmungen geben würde, wenn sie anstatt auf Banker auf Ingenieure gehört hätten. Letztendlich sind es die Ingenieure von heute und morgen, die den Fortschritt und Wohlstand begründen, auf dem eine Gesellschaft aufgebaut ist. Der Raumfahrtpionier Hermann Oberth brachte es mit diesem Satz auf den Punkt: „Es ist auf der Welt nichts unmöglich, man muss nur die Mittel entdecken, mit denen es sich durchführen lässt.“ Es sollte möglich sein, dass der Mensch spätestens im Jahr 2025 mit der Besiedelung des Mars beginnt, wenn wir die Ressourcen auf dieses einzigartige Projekt fokussieren.
Über Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com, www.wallstreetcockpit.com, www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH. Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.