Von Daniel Werdenberg, VR-Präsident Assurinvest AG
Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Was für die betreffenden Personen erfreulich ist, stellt die AHV wie Pensionskassen vor grosse Herausforderungen. Über 1 Million Personen beziehen Alters- oder Ehegattenrenten aus der beruflichen Vorsorge. Das für diese Rentenauszahlungen reservierte Kapital beträgt rund 400 Milliarden Franken.
Rentner beschäftigen nicht nur Fachpersonen in der beruflichen Vorsorge, sondern auch die Politik und uns als Wähler. Im März stimmten wir über zwei Vorlagen ab: Die Initiative für eine 13. AHV-Rente wurde mit knapp 60% der Stimmen deutlich angenommen. Die «Renteninitiative» bzw. die Volksinitiative für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge wollte das Rentenalter von Männern und Frauen auf 66 Jahre anheben und danach an die Lebenserwartung koppeln. Davon wollten die Stimmbürgen nichts wissen und verwarfen diese Initiative mit 75% Nein-Stimmen. Im kommenden Herbst dürfen wir über die Reform der beruflichen Vorsorge abstimmen. Dieses Umfeld erfordert neue Wege in der Betreuung von Rentenbeziehenden und Rentenbeständen, damit deren Altersrenten langfristig sichergestellt sind.
Rentnerübernahme nach Art. 53ebis BVG
In der Vergangenheit hatte der Stiftungsrat grosses Ermessen, zu welchen Konditionen Rentnerbestände übernommen werden. Sammelstiftungen offerierten attraktive Bedingungen mit hohen technischen Zinssätzen, obwohl die Marktzinsen für risikolose Vermögensanlagen teilweise negativ waren.
Der per 1. Januar 2024 in Kraft getretene Art. 53ebis BVG schafft einheitliche Regelungen und Bedingungen für die Übertragung von Rentner- oder rentnerlastigen Beständen. Diese gesetzliche Vorgabe ist zu begrüssen, da in der Zukunft mit immer mehr rentnerlastigen Vorsorgewerken zu rechnen ist und einheitliche Rahmenbedingungen Missbräuche verhindert.
Was regelt der neue Gesetzesartikel?
Rentnerbestände und rentnerlastige Bestände dürfen nur übernommen werden, wenn die entsprechenden Verpflichtungen ausreichend finanziert sind. Dies bedeutet, dass die Vorsorgekapitalien mit einem risikoarmen Zinssatz und mit aktuellen versicherungstechnischen Parametern bewertet werden müssen. Des Weiteren müssen technische Rückstellungen sowie eine genügende Wertschwankungsreserve übertragen werden. Diese muss mindestens der Wertschwankungsreserve der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung entsprechen. Wird eine separate Rechnung pro Vorsorgewerk geführt, dann ist die Wertschwankungsreserve genügend, wenn sie mindestens der Zielgrösse des Vorsorgewerks entspricht. Verantwortlich für die Beurteilung der ausreichenden Finanzierung ist der Experte für berufliche Vorsorge der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung.
Der PK-Experte der abgebenden Stiftung beurteilt, ob der zu übertragende Bestand rentnerlastig ist. Nach Art. 17 BVV2 gilt ein Bestand als rentnerlastig, wenn die Vorsorgekapitalien der Rentner inklusive der dazugehörenden Rückstellungen mindestens 70 Prozent der gesamten Vorsorgekapitalien des zu übertragenden Bestands betragen. Interessanterweise werden die Vorsorgekapitalien von Invaliden, welche das reglementarische Referenzalter noch nicht erreicht haben, bei der Beurteilung der Rentnerlastigkeit nicht berücksichtigt, auch wenn die Invalidenrente lebenslänglich ausbezahlt wird.
Die Aufsichtsbehörde der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung prüft und genehmigt die Übernahme. Es wird sich in der Praxis zeigen, wie schnell diese Genehmigungen jeweils vorliegen werden. Die Übertragung von Rentnerbeständen kann jederzeit, also auch unterjährig erfolgen. Die Aufgabe der Aufsichtsbehörden ist damit aber nicht abgeschlossen. Vielmehr wachen sie nach der Übernahme darüber, dass die für den übernommenen Rentnerbestand gebildeten Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen nur in begründeten Fällen angepasst werden können. Diese Regelung führt dazu, dass für jeden übernommenen Rentnerbestand eine eigene Rechnung geführt werden muss, was die Komplexität erhöht.
Wesentlich praxisorientierter scheint eine ökonomische Bewertung der Rentenverpflichtungen auf der Basis einer fristenkongruenten Zinskurve. Dieser Bewertungsmechanismus hat zudem einen stark glättenden Einfluss auf den Deckungsgrad der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung. Bei einer Zinserhöhung beispielsweise, sinkt der Kurs der Nominalwertanlagen in der Höhe des Zinsanstiegs multipliziert mit der Restlaufzeit des Obligationenportfolios. Der Deckungsgrad sinkt somit. Im Gegenzug können die Verpflichtungen gegenüber den Rentnern mit höheren Zinssätzen abdiskontiert werden, die benötigten Vorsorgekapitalien sinken, was sich positiv auf den Deckungsgrad der Stiftung auswirkt und damit die tiefere Bewertung der Vermögensanlagen ausgleicht.
Einzelne Aufsichtsbehörden bzw. die Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden stehen einer Rentnerübertragung kritisch gegenüber. Es wird vor allem angeführt, dass eine willkürliche Trennung von Aktiven und Rentnern dem Grundgedanken der beruflichen Vorsorge widerspricht. Dieser dogmatischen Haltung stehen jedoch einige Vorteile gegenüber.
Vorteile einer Rentnerauslagerung
Der Grundgedanke der neuen gesetzlichen Regelung ist eine ausreichende Finanzierung des zu übertragenden Rentnerbestands. Nebst genügend Vorsorgekapital müssen auch Rückstellungen und Wertschwankungsreserven übertragen werden. Das hohe Deckungskapital ermöglicht es der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung eine konservative Anlagestrategie umzusetzen, welche auf die Rentner abgestimmt ist.
Eine autonome, unabhängige Lösung reduziert zudem die Abhängigkeit vom ehemaligen Arbeitgeber. Speziell bei ausländisch beherrschten Arbeitgebern, welche sich aus der Schweiz zurückziehen ist diese Unabhängigkeit für die Rentner sicherlich positiv zu bewerten.