Bern – Die Solaroffensive des Bundes zur Erreichung der Klimaziele könnte die Drähte durchaus zum Glühen bringen. Das Netz muss ausgebaut werden, um den neu erzeugten Strom auch transportieren zu können. Der Netzbetreiber Swissgrid ist gefordert.
Das Schweizer Stromnetz weist bereits aktuell strukturelle Engpässe auf, wie Swissgrid auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA festhält. Der nationalen Netzorganisation Swissgrid gehört das Höchstspannungsnetz. Neue Kraftwerke verschärfen die strukturellen Engpässe.
Zwei Drittel des 6700 Kilometer langen Übertragungsnetzes sind über 40 Jahre alt. Um Engpässe zu beheben und den künftigen Herausforderungen etwa durch grosse Solarparks zu begegnen, setzt das Unternehmen seine Netzstrategie 2025 um und erarbeitet seit November die Strategie bis 2040.
In der Strategie 2025 sind zehn Projekte aufgeführt, die sich in verschiedenen Bau- und Projektierungsphasen befinden. Andere sind abgeschlossen, etwa der durchgängige Ausbau auf zwei 380-Kilovolt-Leitungen zwischen Pradella und La Punt GR. Swissgrid wendet für die zehn Projekte der Strategie 2025 jährlich zwischen 200 und 290 Millionen Franken auf.
Redimensionierte Solarprojekte
Dass die strukturellen Engpässe der Energiewende im Wege stehen können, zeigte sich jüngst im Wallis. Der Kanton will sich als Pionierkanton der Photovoltaik profilieren. Sechs Solarprojekte sind angekündigt. Jenes im Vispertal und die Grossanlage von Grengiols mussten bereits redimensioniert werden.
Grund war unter anderem eine nicht ausreichende Netzanbindung. In Graubünden, einem anderen Bergkanton mit mindestens zehn Solarprojekten, ist der Ausbau des Übertragungsnetzes weiter fortgeschritten. In der Westschweiz hat das bestehende Netz nur eine einzige 380-Kilovolt-Verbindung. Für Swissgrid hat darum die Vollendung der Projekte der Strategie 2025 hohe Dringlichkeit.
Eine fehlende Hochspannungsleitung ist allerdings nach Swissgrid-Angaben für neue Kraftwerke nicht von vorneherein ein Hindernis. Neben dem Anschluss muss aber gegebenenfalls auch das vorgelagerte Netz inklusive Transformatoren und Übertragungsleitungen ausgebaut werden.
Deshalb ist es für Swissgrid wichtig, bereits im Planungsverfahren einbezogen zu sein. In jedem einzelnen Fall muss die Netzorganisation die Anbindung abklären. Und das muss den Angaben zufolge zwingend frühzeitig geschehen.
Zeitfaktor als Gefahr
Schon das Verfahren für die Verstärkung einer bestehenden Leitung nämlich dauert nach Swissgrid-Angaben sechs Jahre. Bei Netzanschlussprojekten, die ein Sachplanverfahren des Bundes durchlaufen müssen, rechnet Swissgrid sogar mit mindestens 15 Jahren.
Der Zeitfaktor könnte damit für Fotovoltaik-Grossanlagen ausschlaggebender als Netzanschluss oder Naturgefahren werden. Wollen die Betreiber nämlich die Investitionsbeiträge des Bundes von bis zu 60 Prozent in Anspruch nehmen, müssen die Solaranlagen bis Ende 2025 mindestens zehn Prozent der geplanten Gesamtleistung erreichen oder mindestens 10 Gigawattstunden ins Netz einspeisen, mindestens 45 Prozent davon im Winterhalbjahr. Die Fördergelder fliessen auch nur, bis eine Gesamtproduktion von zwei Terawattstunden zugebaut ist.
Sicherung des Winterstroms
Um den Bau von Grossanlagen in den Bergen zu fördern, erleichterte und beschleunigte das Parlament die Bewilligungsverfahren. Dennoch halten Fachleute den Zeitplan für ambitioniert.
Der Bundesrat erwartet durch die im Herbst 2022 vom Parlament zur sicheren Stromversorgung im Winter verabschiedeten Solaroffensive bis zu 200 Projekte. Die dringliche Änderung des Energiegesetzes ist seit April in Kraft und gilt bis 2025.
Die bei den meisten der vorliegende Projekte ins Auge gefassten hochalpinen Standorte werden mit der Stromausbeute im Winter begründet. Alpine Solaranlagen würden im Winter bis zu fünf Mal so viel Strom liefern, wie solche in tiefen Lagen. Die Sonne scheint in der Höhe öfter, stärker und wird zudem vom Schnee reflektiert. (awp/mc/ps)