Zürich – Soziale Ausgrenzung ist nicht immer eine Disziplinierungsmassnahme, sondern oft ein unbeabsichtigter Nebeneffekt. Dann nämlich, wenn sich Menschen verbünden, die bereits in früheren Situationen einen positiven Austausch hatten. Zu diesem Resultat kommen Forscher des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich.
Ausgrenzung innerhalb einer Gruppe dient dazu, Trittbrettfahrer, unangenehme oder unkooperative Menschen in die Schranken zu weisen und so die Zusammenarbeit zu fördern. Davon gingen Untersuchungen bisher aus. Allerdings lässt sich Ausgrenzung auch in Situationen beobachten, in denen keine Disziplinierung notwendig ist und die Auswahl der Opfer zufällig wirkt. Gefragt nach den Gründen für ihr Verhalten, betonen die Personen, von denen die Ausgrenzung ausgeht, dass sie gar nicht die Absicht haben, jemanden auszuschliessen.
Vor diesem Hintergrund vermuteten die beiden Forscher Björn Lindström und Philippe Tobler vom Institut für Volkswirtschaft der Universität Zürich, dass soziale Ausgrenzung anders, als bisher angenommen, oft nicht mit Absicht, sondern eher zufällig geschieht. Sie untersuchten deshalb, wie die Ausgrenzung in Gruppen entsteht, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt und wie sie sich vermeiden lässt.
Positive Erfahrungen werden wiederholt
In einer Reihe von Experimenten konnten die Forscher bestätigen, dass es sich bei sozialer Ausgrenzung nicht so sehr um eine mutwillige Disziplinarmassnahme handelt, sondern eher um einen unbeabsichtigten Nebeneffekt. Dieser entsteht, wenn sich Personen zusammenschliessen, die in früheren Situationen bereits positive Erfahrungen als Gruppe gemacht haben. Verantwortlich dafür sind einfache Lernmechanismen. Funktioniert eine erste, zufällige Interaktion gut, neigen die Beteiligten dazu, sie zu wiederholen. Dies bedeutet gleichzeitig aber auch, dass andere von dieser Interaktion ausgeschlossen und damit ausgegrenzt werden.
«Die Tendenz, zu wiederholen, was gut funktioniert, ist ein Grundaspekt der menschlichen Psychologie. Er bewirkt, dass wir an einer zufriedenstellenden Gruppenzusammensetzung festhalten», sagt Björn Lindström und verdeutlicht den Mechanismus an zwei Beispielen: «Cliquen etwa, die sich zu Beginn eines Schuljahres innerhalb einer Klasse formieren, bestehen meist bis zum Ende des Schuljahres. Im Arbeitsalltag wiederum dauert es manchmal Jahre, bis wir erkennen, dass der Kollege ein paar Büros weiter eigentlich auch sehr sympathisch ist. Doch weil er nicht Teil unserer ersten Kontakte war, hatten wir ihn schlichtweg nicht auf dem Radar.»
Ausgrenzung lässt sich vorbeugen
In einem weiteren Experiment zeigten die beiden Forscher, dass die gleichen Mechanismen, die zur Ausgrenzung führen, auch dazu genutzt werden können, dieser vorzubeugen – eine Erkenntnis, die besonders für Lehrer und andere Personen, die Gruppen organisieren und Gruppendynamiken beeinflussen, wichtig ist. «Vielleicht können Lehrer Ausgrenzungstendenzen in ihren Klassen verringern, indem sie ihren Schülern schon früh die Möglichkeit geben, sich mit bestimmten Klassenkameraden in stabilen Zweiergruppen zusammenzuschliessen», sagt Philippe Tobler. Und auch für Erwachsene, denen der nächste Networking-Event Bauchschmerzen bereitet, kann es hilfreich sein, die Bedeutung einer ersten, positiven Interaktion zu kennen. «Es könnte sich lohnen, den ersten Schritt zu machen und das Eis zu brechen», so Tobler. «Denn ist dieser geschafft, verläuft der Rest des Anlasses wahrscheinlich reibungsloser.» (Universität Zürich/mc/ps)
Literatur
Björn Lindström and Philippe N. Tobler. Incidental ostracism emerges from simple learning mechanisms in Nature Human Behaviour. May 28, 2018. doi: 10.1038/s41562-018-0355-y