Nervenfaserendigungen (orange) an einer Muskelspindel. (Foto: Universität Basel, Biozentrum)
Basel – Nach einer partiellen Rückenmarksverletzung kann der Körper seine grobmotorischen Fähigkeiten wiedererlangen. Dies ist nur möglich, indem sogenannte Muskelspindeln und assoziierte sensorische Kanäle aktiviert und dadurch neue Verschaltungen der Nervennetzwerke gefördert werden. Diesen Reparaturprozess hat die Forschungsgruppe von Prof. Silvia Arber am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research nun aufgeklärt. Die Ergebnisse der Studie könnten wegweisend für Therapien nach Rückenmarksverletzungen sein.
Rückenmarksverletzungen führen zu grossen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit. Patienten mit partiellen Rückenmarksverletzungen können jedoch einen Teil ihrer grobmotorischen Fähigkeiten wiedererlangen. Man nimmt an, dass die unverletzten Teile des Rückenmarks dabei Nervenzellverbindungen knüpfen und neue Brücken bilden. Wie die Bildung solcher Umleitungen ausgelöst und gefördert werden, war bis anhin jedoch unklar.
In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. Grégoire Courtine an der EPFL in Lausanne konnte das Team von Prof. Silvia Arber am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research (FMI) im Mausmodell nun zeigen, warum sich nach partiellen Rückenmarksverletzungen gelähmte Gliedmassen wieder bewegen lassen: Im Muskel liegende Sensoren, die sogenannten Muskelspindeln, aktivieren durch ihre Impulse ans Rückenmark über sensorische Rückkoppelung die Reparatur des beschädigten Nervennetzwerks.
Die Muskelspindeln geben Startschuss zur Heilung
Durch Bewegung der Gliedmassen werden die sensorischen Nervenverbindungen vom Muskel zum Rückenmark stimuliert und so die Reparatur des motorischen Nervennetzwerks angeregt. Dadurch können grobmotorische Bewegungen wieder hergestellt werden. Ohne funktionsfähigen Muskelspindelkanal ist dies allerdings nicht möglich. «Die sensorischen Feedback-Loops der Muskelspindeln sind also ein wichtiger Schlüssel im Heilungsprozess», so Silvia Arber. Diese Impulse können auch nach einer Rückenmarksverletzung zurück ans zentrale Nervensystem geleitet werden – also auch dann, wenn der Informationsfluss vom Gehirn in Richtung Muskel nicht mehr funktioniert.
«Das bedeutet, dass ein wichtiger Auslöser für den Reparaturprozess die Informationen vom Muskel ans zentrale Nervensystem sind, also nicht nur Informationen, die das Gehirn top-down an die Muskeln sendet», sagt Erstautorin Aya Takeoka. Zudem konnten die Forscher zeigen, dass es nach einer Verletzung lediglich möglich ist, grobmotorische Bewegungsfähigkeiten spontan wieder herzustellen. Die Feinmotorik blieb dauerhaft verloren.
Therapien müssen an der Aktivierung der Muskelspindeln ansetzen
Die Aktivierung der Muskeln ist unerlässlich, um eine Reparatur des Nervennetzwerks nach einer Rückenmarkverletzung in Gang zu bringen. Ziel jeder Form der Bewegungstherapie sollte es demnach sein, die Muskeln möglichst umfangreich passiv zu trainieren. Denn je intensiver die Muskeln im natürlichen Bewegungsablauf eingesetzt werden, umso besser ist die Stimulierung der Muskelspindeln. Auf diesem Weg haben die Reparatur des Nervennetzwerkes und damit die Wiedergewinnung der grobmotorischen Bewegungsfähigkeit die grössten Erfolgsaussichten.
Muskelspindel
Muskelspindeln sind Sensoren in der Skelettmuskulatur des Körpers, die durch Dehnung und Kontraktion des Muskels passiv mitgedehnt oder verkürzt werden. Jede dieser tief in den Muskeln lokalisierten Muskelspindeln wird von sensorischen Nerven angesteuert. Die sensorischen Informationen dieser Nervenzellen gelangen direkt aus den Muskeln (zum Beispiel der Arme oder Beine) zurück ins Rückenmark. Diese übertragenen Impulse ermöglichen uns zum Beispiel, bei geschlossenen Augen zu spüren, in welcher Position sich Arme, Beine, Hände, Finger, kurz der gesamte Körper gerade befindet. (Universität Basel/mc/pg)