Spekulation auf Grundnahrungsmittel Weizen (Bild) und Mais hat einen stabilisierenden Effekt auf Preisausschläge.
Luzern – Die Hochschule Luzern hat in einem Forschungsprojekt zusammen mit der Universität Basel untersucht, wie sich Finanzspekulation auf die Rohstoffpreise auswirkt. Das Forschungsteam analysierte dafür 100 bestehende wissenschaftliche Studien und führte eine eigene empirische Untersuchung für 28 Rohstoffe durch. Die Wissenschaftler kommen zur Erkenntnis, dass Spekulation auf die Grundnahrungsmittel Weizen und Mais einen stabilisierenden Effekt auf Preisausschläge hat, während bei Lebendvieh und Schweinebäuchen Spekulation eher destabilisierend wirkt.
Rohstoffinvestitionen stehen in der Kritik. Es besteht die Befürchtung, dass sie die Preise für Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe über sogenannte Futuresmärkte (Futures sind Termingeschäfte auf ein bestimmtes Gut) nachhaltig erhöhen oder zumindest die Preisausschläge verstärken. Insbesondere bei den Grundnahrungsmitteln gilt dies aus ethischer Sicht als problematisch. Strikte Regulierungsmassnahmen bis hin zu einem generellen Handelsverbot werden daher international diskutiert – auch in der Schweiz.
100 Studien untersucht
Es gibt bereits eine Vielzahl von Studien, die den Einfluss von Finanzspekulation generell auf Rohstoffmärkte und spezifisch auf Nahrungsmittel untersuchen. «Die Studien unterscheiden sich jedoch nicht nur hinsichtlich des untersuchten Zeithorizonts, sondern insbesondere auch in der Art und Weise, wie Spekulation gemessen wird, das heisst, welches Spekulationsmass verwendet wird», sagt Projektleiterin Yvonne Seiler Zimmermann von der Hochschule Luzern. Ein Problem sei zudem, dass die Qualität der Untersuchungen hinsichtlich des methodischen Vorgehens und der Interpretation der Ergebnisse sehr verschieden ist. «Es ist somit selbst für Fachleute schwierig, die Ergebnisse zu vergleichen und zu überblicken.»
Die Finanzspezialistin hat deshalb zusammen mit den beiden Ökonomen Heinz Zimmermann und Marco Haase von der Universität Basel die Ergebnisse von 100 Untersuchungen, die mehrheitlich zwischen 2009 und März 2015 entstanden sind, analysiert und eine Metastudie darüber erstellt. Dabei wurden, anders als bei bisherigen Metastudien, nicht nur die Schlussfolgerungen der einzelnen Studien konsultiert, sondern die detaillierten empirischen Ergebnisse analysiert. «Gerade die verwendeten Untersuchungsmethoden erfordern einen kritischen Blick, da der Zusammenhang zwischen Spekulation und Preisentwicklung mitunter aufgrund von Charts oder inadäquaten statistischen Methoden begründet wird, die wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen», sagt Heinz Zimmermann. Dasselbe gelte für die verwendeten Spekulationsmasse, die qualitativ in den einzelnen Studien höchst unterschiedlich ausfallen.
Die drei Wissenschaftler haben daher eine Metastudie erstellt, welche die Ergebnisse nach den verschiedenen Unterscheidungsmerkmalen differenziert und aufzeigt, worin sich die 100 Studien unterscheiden. «So liefert unsere Übersichtsarbeit differenzierte Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss die Spekulation auf Rohstoffmärkte hat», sagt Yvonne Seiler Zimmermann. Des Weiteren zeigt die Metastudie erstmals die Ursachen für die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse auf. Das Forschungsteam kommt zum Schluss: 47 Prozent der untersuchten Studien finden einen abschwächenden Effekt, das heisst, Spekulation dämpft Preisausschläge und wirkt damit stabilisierend auf den Markt. Keinen Einfluss weisen 37 Prozent der Studien auf. 16 Prozent der Untersuchungen wiederum deuten auf verstärkende Effekte hin.
Werden nur Nahrungsmittel analysiert, ist der abschwächende Effekt bei Mais, Zucker und Weizen besonders ausgeprägt, während bei Fleischprodukten und teilweise Kaffee leicht verstärkende Effekte gefunden werden. Hervorzuheben ist allerdings, dass der Einfluss der Spekulation in allen Untersuchungen sehr gering ist.
Eigene Analysen durchgeführt
Zusätzlich zur Metastudie hat das Forschungsteam eine eigene, umfassende statistische Analyse bei 28 Rohstoffen (Nahrungsmittel und Nicht-Nahrungsmittel) über den Zeithorizont Januar 2006 bis März 2015 bezüglich des Einflusses von Finanzspekulation durchgeführt. «Im Unterschied zur Auswertung bestehender Arbeiten kann hier der Einfluss von Spekulation über einen einheitlichen Zeithorizont, mit klar definierten Spekulationsmassen und mit einer einheitlichen statistischen Methode untersucht werden», sagt Marco Haase. Dadurch sei die Vergleichbarkeit der Ergebnisse gegeben. Die Ergebnisse decken sich mit jenen der Metastudie. Spekulation und besonders exzessive Spekulation hat einen dämpfenden Effekt auf Preisschwankungen – vor allem bei Agrarprodukten. Eine Ausnahme bilden die Fleischerzeugnisse; hier wird verschiedentlich ein verstärkender Effekt gefunden. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass Spekulation als isolierter Faktor für höchstens 8 Prozent (in den meisten Fällen allerdings deutlich weniger) der Preis- und Volatilitätseffekte verantwortlich ist. (Hochschule Luzern/mc/ps)
Die Studien im Detail
Das Forschungsprojekt der Hochschule Luzern und der Universität Basel wird von Wirtschaftspartnern unterstützt und durch die Kommission für Technologie und Innovation KTI des Bundes mitfinanziert. Die beiden Studien sind unter www.hslu.ch/ifz-publikationen verfügbar.