Avobis-Einschätzung Zinsmarkt Juni 2023 – SNBs Weg zur Inflationsbekämpfung: Zinserhöhung und Währungsaufwertung

Avobis-Einschätzung Zinsmarkt Juni 2023 – SNBs Weg zur Inflationsbekämpfung: Zinserhöhung und Währungsaufwertung
Burak Er, Head Research Avobis. (Bild: Avobis)

Von Burak Er, CFA Head Research Avobis

Zürich – Am 22. Juni hat die SNB in einer weiteren Runde der geldpolitischen Straffung ihren Leitzins zum fünften Mal angehoben. Während viele Ökonomen einen Schritt von 25 Bps vorausgesagt hatten, deuteten die Bewegungen am Swap-Markt auf einen stärkeren Entschluss der SNB in Richtung 50 Bps hin. Mit dieser Aktion nähert sich die SNB dem Höhepunkt des Zinsniveaus, auch wenn die Inflation noch nicht vollständig unter Kontrolle ist.

In ihren vorangegangenen vier Entscheidungen übertraf die SNB jeweils die Markterwartungen, indem sie stärkere Zinsanhebungen vornahm, als es der Markt prognostiziert hatte (Abbildung 1 und 4). Nur bei der Entscheidung im September 2022, als eine äusserst aggressive Zinserhöhung von einem vollen Prozentpunkt erwartet wurde, enttäuschte die SNB die Markterwartungen. Selbst während der eskalierenden Krise rund um die Banken im März 2023 blieb die SNB unbeeindruckt und lieferte eine positive Überraschung für den Markt.

Die Entscheidung des aktuellen Monats, die unter den Erwartungen lag, signalisiert, dass der Raum für weitere signifikante Zinserhöhungen begrenzt ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass wir uns dem Zenit des Zinsanstiegs nähern oder ihn bereits erreicht haben. Die Auswirkungen der bisherigen straffenden Massnahmen müssen nun sorgfältig beobachtet und bewertet werden.

Die bisherigen graduellen Zinserhöhungen könnten potenzielle Risiken im Finanzsystem erzeugen, die genau analysiert werden müssen. Drastische Zinserhöhungen innerhalb kurzer Zeiträume können Banken in Schwierigkeiten bringen, vor allem wenn die Durationen ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten nicht übereinstimmen. Solche Zinsrisiken haben im laufenden Jahr bei mehreren US-Banken zu Krisensituationen und sogar Bankrotten geführt. Parallel dazu wirken sich Zinserhöhungen auf den Immobiliensektor aus, wobei sich diese eher ineffizient und verzögert auf die Preisbildung und Marktdynamik auswirken. Der Fokus wird nun stärker auf solchen Risikofaktoren liegen, weshalb weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlicher geworden sind.

Es ist daher anzunehmen, dass die SNB trotz anhaltender Inflation, die aufgrund von Zweitrundeneffekte hoch bleiben sollte (Abbildung 2), stärker auf alternative geldpolitische Werkzeuge, wie etwa die Aufwertung des Schweizer Frankens, zurückgreifen wird. Die SNB, die seit Mitte 2022 etwa 20% der Fremdwährungsreserven abgebaut und dadurch eine Aufwertung des Schweizer Franken ausgelöst hat, konnte dadurch unter anderem der importierten Inflation entgegenwirken (Abbildung 3). Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend weiterhin fortsetzen wird, wobei die inländische Inflation aufgrund der Zweitrundeneffekte ab diesem Zeitpunkt nur gering beeinflusst werden kann. Daher wird die restriktive Geldpolitik auf unbestimmte Zeit fortgeführt.

Unsere Erwartung
Unsere Prognose für den Leitzins geht trotz der aktuellen Entwicklung nicht von einem Anstieg über 2.0% aus. Die Inflationsdaten für Juni erwecken mit einer Jahresinflation von 1.7% und einer Monatsinflation von 0.10% auf den ersten Blick einen positiven Eindruck. Allerdings sind in diesen Zahlen Anpassungen der Mietzinsen nicht berücksichtigt. Infolgedessen bleibt die Kerninflationsrate mit 1.80% auf einem hohen Niveau. Sollte sich der positive Inflationstrend fortsetzen, könnten wir eine weitere Senkung der langfristigen Zinsen erleben. Wir sehen es jedoch als unwahrscheinlich an, dass der 10-jährige Swap-Satz auf längere Sicht signifikant unter den SARON-Satz fallen wird. Im Falle einer negativen Entwicklung der Inflation könnte die Zinskurve weiterhin stark schwanken.

Ausland
In Übereinstimmung mit unserer Prognose hat die EZB ihre geldpolitischen Zügel weiter angezogen und ihren Leitzins um zusätzliche 25 Bps erhöht. Auf der anderen Seite des Atlantiks belässt die Fed nach zehn aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen ihren Leitzins unverändert, signalisiert jedoch eine weitere Straffung von 50 Bps bis Ende Jahr. Aktuell scheint der Zinsmarkt diesen Aussichten wenig Glauben zu schenken, schliesst jedoch Zinssenkungen für dieses Jahr nun aus.

Die Inflationsentwicklung in den USA zeigt positive Tendenzen und verzeichnete im Mai im Vergleich zum Vorjahr eine Rate von 4.0%. Dennoch liegt sie deutlich über dem angestrebten Inflationsziel. Mit einer Spanne von 5.0% bis 5.25% überschreitet der aktuelle Feds Fund Rate nicht nur die derzeitige Inflationsrate (Abbildung 5), sondern auch die langfristigen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer (Abbildung 8). Diese Gegebenheiten legen nahe, dass die geldpolitischen Massnahmen bereits hinreichend restriktiv sind. Daher hinterfragt der Markt offenbar die Notwendigkeit zusätzlicher Straffungen, und das trotz der klaren Ankündigung der Fed, die Zinsen bis zum Ende 2023 um einen halben Prozentpunkt anzuheben. Diese Skepsis lässt sich ebenfalls in den von den Marktteilnehmern für die restlichen Sitzungen dieses Jahres prognostizierten Zinsschritten erkennen, die für die Juli-Sitzung keine vollen 25 Basispunkte vorhersehen (Abbildung 6). Dennoch erwartet der Markt nicht mehr, dass im laufenden Jahr noch eine Zinswende stattfinden wird.

In der europäischen Wirtschaft zeichnet sich ein positiver Trend bei der Inflation ab, die sich allmählich in die gewünschte Richtung bewegt. Allerdings bleibt die Inflationsrate mit einem Stand von 5.50% für den Euroraum immer noch relativ hoch. Zudem existieren signifikante regionale Unterschiede (Abbildung 7). Trotzdem ist die allgemeine Entwicklung der Inflation ermutigend und die langfristigen Inflationserwartungen sind stabil (Abbildung 8). Darüber hinaus demonstrieren die zehnjährigen Anleiherenditen der EU-Mitgliedsstaaten eine aufsteigende Stabilität und lassen eine vorherige Volatilität hinter sich. Ergänzend divergieren die Unterschiede in den Renditen, etwa im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen, nicht weiter. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass die EZB ihre Geldpolitik bislang effektiv durch die verschiedenen Risikofaktoren gesteuert hat und ihre geldpolitische Glaubwürdigkeit am Markt somit gegeben ist. Seitens der EZB wurde klar signalisiert, dass der Leitzins im Juli ein weiteres Mal um 25 Bps erhöht wird.

In ihrer Sitzung im Juni hat die Bank of Japan ihre kurzfristigen Zinsziele unverändert bei -0.1% belassen und nach einer zweitägigen Beratung keinerlei Modifikationen in ihrer Zinskurvensteuerungspolitik vorgenommen. Angesichts der Inflationsrate, die über dem Inflationsziel von 2.0% liegt, verbleibt die 10-jährige Break-Even-Inflationsrate weiterhin auf einem erhöhten Niveau (Abbildung 8).

Unsere Erwartung
Unsere Prognose sieht vor, dass sowohl die Fed als auch die EZB in ihrer jeweiligen Juli-Sitzung eine Zinsanhebung um 25 Bps durchführen werden. Aktuelle Entwicklungen, Datenlagen und Signale interpretieren wir als Indikatoren dafür, dass die Frage nach dem Zeitpunkt und dem Ausmass des Zinshöhepunkts zweitrangig wird. Vielmehr rückt die Erkenntnis in den Vordergrund, dass eine straffe Geldpolitik voraussichtlich länger aufrechterhalten wird als bisher erwartet. (Avobis/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar