Baillie Gifford: Investieren in «Private Companies»
Von Peter Singlehurst, Leiter des Teams für Private Companies bei Baillie Gifford
Edinburgh – Im Jahr 1996 waren über 8.000 Unternehmen an US-Börsen kotiert – 20 Jahre später sind es nur noch halb so viele. Immer mehr Unternehmen ziehen es vor, der Börse fernzubleiben. In den letzten zehn Jahren hat Baillie Gifford mehr als 10 Mrd. USD in Private Companies investiert. Weitere 20 Mrd. USD stecken in börsenkotierten Unternehmen, in denen wir aber schon vor ihrem Börsengang investiert waren.
Unsere Liste an privaten Unternehmen umfasst einige der innovativsten Unternehmen der Welt: In den USA gehören dazu SpaceX, das von Elon Musk gegründete Raumfahrtunternehmen, und Epic Games, die Firma hinter dem Videospielhit Fortnite. In China gehört ByteDance dazu, die Eigentümer von TikTok, der meistgeladenen App des Jahres 2021.
Insgesamt gilt: Solche Unternehmen bleiben länger der Börse fern als das früher der Fall war. Die Gründer haben inzwischen verstanden, dass das Management dadurch seinen Fokus beibehalten und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Sie ziehen es vor, eine ausgewählte Gruppe von Eigentümern mit gleichgerichteten Interessen zu haben und sich auf ihr Geschäft und ihre langfristige Vision zu fokussieren. Mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit können sie ohne den Druck des Marktes bessere Unternehmen aufbauen.
Baillie Gifford wiederum kann von den frühen Investitionen in wachstumsstarke Private Companies auch für seine Anlagen an den Börsen profitieren, indem wir für unsere Investoren bessere Entscheidungen treffen können. Dies ist ein Grund, warum Private Equity seit der ersten Investition in Alibaba in 2012 zu einem Schlüsselbereich für Baillie Gifford geworden ist. Während es früher genügte, an den Aktienmärkten nach vielversprechenden Unternehmen zu suchen, fallen jetzt immer mehr Unternehmen auf die andere Seite dieser doch recht künstlichen Grenze zwischen „private“ und „public“.
Der Typ von Unternehmen, die bewusst länger der Börse fernbleiben, unterscheidet sich stark von den jungen und unreifen Unternehmen, auf deren Suche und Unterstützung in ihrer frühen Phase sich Venture Capital-Firmen spezialisiert haben. Unsere „Private Companies“ brauchen nicht die Hilfe von Kapitalgebern bei der Einstellung wichtiger Mitarbeiter oder der Erstellung von Marketingplänen. Das Letzte, was viele dieser Gründer wollen, ist ein weiterer Investor, der ihnen sagt, wie sie ihr bereits sehr erfolgreiches und expandierendes Unternehmen führen sollen.
Deshalb ist es so wichtig, dass sich Investoren darüber im Klaren sind, was sie anbieten können und wie sie einen Mehrwert schaffen können. In der Phase, in der wir investieren, erwirtschaften die Unternehmen in der Regel bereits beträchtliche Umsätze. Viele der Unternehmen sind bereits rentabel, schnell wachsend und haben bewiesen, dass sie mit ihrem Produkt den Markt richtig bedienen können.
Wenn dann tatsächlich ein Börsengang (IPO) ansteht, ist Baillie Gifford bereit und in der Lage, den Zeithorizont mit den Gründern abzustimmen und die Kontinuität in der Eigentümerstruktur zu gewährleisten. Während viele Private Equity Investoren den IPO als Ausstieg betrachten und nach Ablauf der Sperrfrist verkaufen, sind wir und viele der von uns unterstützten Unternehmen der Meinung, dass dies zu einer willkürlichen Entscheidung führt, die nichts mit der Fähigkeit des Unternehmens zu tun hat, aussergewöhnliche Renditen zu erzielen. Und das ist schliesslich das, worauf wir uns konzentrieren. Solange wir auch nach dem IPO vom Business Case überzeugt sind, wollen wir diese Aktien weiterhin halten und Partner und Unterstützer dieser Unternehmen bleiben, um das Renditepotenzial für unsere Kunden zu maximieren.
Für diese Kontinuität schaffen wir auch in unserem Unternehmen die Voraussetzungen. Bei Baillie Gifford gibt es keine Trennung zwischen den Spezialisten für Private Companies und den Teams für den öffentlichen Markt. Unseren Spezialisten für Private Companies stehen weitere Investmentmanager von Baillie Gifford zur Seite, die ihre Zeit zwischen den beiden Sektoren aufteilen. Jeder von ihnen hat bereits eine Investition in eine Private Company geleitet. Das von dieser Gruppe erstellte Research wird in unserem zentralen Research-Hub zur Verfügung gestellt, das für alle Fondmanager zugänglich ist, unabhängig davon, wo auf der Welt sie sich befinden. Dieser Ansatz führt dazu, dass Baillie Gifford eine langjährige und enge Beziehung zum Management von privaten Unternehmen hat, wenn diese schliesslich an die Börse gehen. Unser tiefes Verständnis aus der Zeit vor dem IPO verschafft uns die Gewissheit für ein weiteres Engagement und den Gründern die Gewissheit, dass sie mit Baillie Gifford einen Aktionär bekommen, der sie wirklich kennt.
Ein Beispiel für diese wechselseitige Beziehung ist Allbirds, ein Hersteller von nachhaltigen Schuhen. Als das Management das Unternehmen reif machte für die Börse, durfte Baillie Gifford dabei unterstützen, ein Rahmenwerk für den Nachweis der Nachhaltigkeitskriterien zu erstellen. So waren wir mit dem Unternehmen bereits vertraut und hatten nicht nur ein paar Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob wir beim Börsengang dabei sein wollen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Investoren, die vom Unternehmen vorher noch nie etwas gehört haben. Durch unser umfassendes Netzwerk aus Firmengründern und Management Teams sowie unserem guten Ruf als langfristige Kapitalgeber schaffen wir uns exklusive Investitionsmöglichkeiten, anstatt uns nur an Investitionsrunden zu beteiligen, die von Banken gesponsort werden. In den letzten Jahren haben wir den überwiegenden Teil unserer Transaktionen über diese eigenen Kanäle getätigt.
Neue Investmentopportunitäten ergeben sich oft aus Unternehmen, die technologische Entwicklungen aus einem Bereich aufgreifen und sie auf ganz andere Branchen anwenden. Nehmen Sie als Beispiel das in Texas ansässige Unternehmen Solugen, das sich auf die Herstellung von nachhaltigen Chemieerzeugnissen spezialisiert hat. Es hat einen Weg gefunden, Spezialchemikalien wie Wasserstoffperoxid mit Hilfe enzymatischer Katalysatoren herzustellen, die viel effizienter sind als die traditionell in der Industrie verwendeten Metallkatalysatoren. Aus unserer Sicht kann dies ein „game-changer“ sein: Es führt zu einem besseren Produkt, das günstiger in der Herstellung und deutlich besser für die Umwelt ist. Die Idee für den Prozess kam aus dem Health Care Bereich – einer der Gründer ist Onkologe, der herausgefunden hat, dass diese Enzyme in bestimmten Krebszellen Wasserstoffperoxid herstellen.
Es sind die Überschneidungen verschiedener Technologien und Branchen, in denen ich immenses Potential sehe und für die Unternehmen ich mich besonders begeistern kann. Und hier liegt die besondere Stärke von Baillie Gifford mit seinem breiten geografischen und generalistischen Investmentansatz. (Baillie Gifford/mc/ps)