Bakterien zur Bekämpfung von Ölkatastrophen?

Deepwater Horizon

7 Mio Liter Chemikalien wurde nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko versprüht. (Foto: U.S. Coast Guard)

Leipzig – Internationale Forscherteams haben die Wirkungsweise von zwei Bakterienarten entschlüsselt, die künftig zur Bekämpfung von Ölkatastrophen eingesetzt werden könnten.

Alcanivorax borkumensis wandele Kohlenwasserstoffe in Fettsäuren um und baue diese in die Zellmembran ein, schreiben Wissenschaftler der Helmholtz-Zentren für Umweltforschung und Infektionsforschung im Fachjournal Applied and Environmental Microbiology. Neue Erkenntnisse über das Bakterium Oleispira antarctica seien wichtig um die Anpassung an niedrige Temperaturen zu verstehen und könnten helfen, Strategien gegen Ölpests in Polarmeeren oder der Tiefsee zu entwickeln, schreiben Forscher im Fachjournal Nature Communications.

Deepwater Horizon: Über 7 Mio Liter Chemikalien versprüht
Bisher wurden bei Ölkatastrophen häufig Chemikalien eingesetzt, um das Öl aufzulösen, dadurch leichter abbaubar zu machen und von der Meeresoberfläche zu entfernen. Zur Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko, die durch die Havarie der Offshore-Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ 2010 entstanden war und bei der etwa 700.000 Tonnen Rohöl ins Meer gelangt sind, sollen nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA über sieben Millionen Liter dieser Chemikalien versprüht worden sein. Zu den bekanntesten zählten Dispergatoren mit dem Markennamen Corexit, die nach dem Tankerunglück der Exxon Valdez in Alaska 1989 entwickelt worden sind.

Keine Technologie kann die Vorsorge ersetzen
Diese Stoffe sind jedoch wegen ihrer Nebenwirkungen für Umwelt und Menschen zunehmend in die Kritik geraten. Im Rahmen eines EU-Projektes haben daher Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern nach Alternativen gesucht. „Ein Ansatz könnte beispielsweise sein, ölabbauende Bakterien in ihrem Wachstum zu stimulieren oder z.B. durch Gefriertrocknung besser anwendbar zu machen, um sie leichter als Pulver über dem Ölteppich zu versprühen“, erklärt Dr. Hermann J. Heipieper vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ die Idee. „Allerdings sind noch viele Details zu klären bis eine solche Technologie zur Bekämpfung von Ölkatastrophen eingesetzt werden kann. Priorität sollte daher immer die Vorsorge haben. So sehr wir uns auch anstrengen, alle Reparaturversuche werden die Natur nicht in den ursprünglichen Zustand versetzen können. Ganz davon zu schweigen, dass Umweltschäden zu reparieren immer teurer ist, als diese zu vermeiden.“

Bakterien vermehren sich in Kontakt mit dem Rohöl stark
Ölabbauende Bakterien sind keine Erfindung des Menschen. Sie gibt es seit Millionen von Jahren. Neu ist lediglich die Menge des Öls, das bei Katastrophen ins Meer gelangt. Daher sucht die Wissenschaft nach Wegen, wie die natürlichen Abbauprozesse beschleunigt werden könnten. Im Fokus stehen dabei Kohlenwasserstoffaufbrechende – so genannte marine hydrocarbonoklastische – Bakterien. Diese Spezialisten in marinen Ökosystemen sind in der Lage, aliphatische Kohlenwasserstoffe abzubauen und als Energiequelle zu nutzen. Die Bakterien sind im Meerwasser weltweit verbreitet, aber nur in geringen Mengen. Stossen sie auf Rohöl, dann vermehrt sich ihre Population stark. Es kommt zu einer eine Art Blüte, wie dies von marinen Algen bekannt ist.

Trotz ihrer wichtigen ökologischen Bedeutung ist noch relativ wenig über die Vorgänge in den Zellen dieser Bakterien bekannt. Forscher des UFZ unter Leitung von Heipieper führten daher detaillierte physiologische und genomische Analysen der beiden Referenzstämme dieser Gruppe von Bakterien, Alcanivorax borkumensis und Oleispira antarctica durch, die über ein grosses Anpassungspotenzial verfügen. Dies zeigt sich besonders in Veränderungen der Zelloberfläche, dem direkten Einbau der biologisch oxidierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe in die Zellmembranen und die Regulierung von Genen zur Anpassung an Umweltstress.

Alcanivorax: Effektiver Reiniger
Alcanivorax borkumensis ist ein im Meer lebendes Bakterium, das seinen Namen nach dem Fundort, der Insel Borkum, erhalten hat, aber weltweit gefunden wurde. Es gilt als einer der wichtigsten Organismen, die marine Ölverschmutzungen abbauen können. Trotzdem fehlten bisher Informationen zum Wachstum und zur Physiologie dieser Bakterien im Zusammenhang mit Kohlenstoffen verschiedener Kettenlängen. Die neuen Untersuchungen ergaben, dass das Bakterium besonders effektiv Alkane mit Kettenlängen zwischen 12- und 19-Kohlenstoffatomen verarbeitet. «Das Zellwachstum hat bestätigt, dass dieses Bakterium in der Lage ist, Zwischenprodukte der Fettsäuren nicht nur in den eigenen Körper einzubauen, sondern auch zu verändern», erklärt Heipieper.

Oleispira antarctica fürs kalte Wasser
Für die wesentlich kälteren Polarmeere oder die Tiefsee wäre dagegen Oleispira antarctica das geeignetere Bakterium. Es kommt mit Temperaturen um 5 Grad Celsius gut zurecht, wie sie zum Beispiel am Boden des Golfs von Mexiko herrschen. Mit elf Proteinkristallstrukturen hat es die grösste Menge von Strukturen unter den kälteliebenden Mikroorganismen und deutlich mehr negative Ladungen an der Oberfläche als Mikroorganismen in gemässigten Temperaturen. Auch wenn bei diesem Bakterium die meisten der Enzyme bei Kälte nicht mehr optimal funktionieren, so reicht es dennoch, um das Wachstum zu beschleunigen und andere Konkurrenten zu überholen, wenn plötzlich Rohöl als Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Die Allgegenwärtigkeit dieser Bakterien ist ein Beleg für ihre ökologische Wettbewerbsfähigkeit in kalten Umgebungen. Das offenbart ihr Potenzial für die Entwicklung biotechnologischer Ansätze zur Bekämpfung von Ölpests in Polargebieten. Die neuen Erkenntnisse über die beiden Bakterienarten sind ein kleiner, aber wichtiger Schritt bei der Suche nach Alternativen zu den bisher eingesetzten giftigen Dispersionsmitteln. (UFZ/mc/pg)

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