Banque Gonet: Nachhaltige Investitionen in Schwellenländer

Banque Gonet: Nachhaltige Investitionen in Schwellenländer
Linda Lehmann, Senior Investment Specialist, Banque Gonet. (Foto: Banque Gonet)

Von Linda Lehmann, Senior Investment Specialist, Banque Gonet

Sind verantwortungsvolle Investitionen und Schwellenländer miteinander vereinbar? ESG-Aspekte scheinen in diesen Teilen der Welt nur schwer anwendbar zu sein. Genau hinschauen lohnt sich.

Lassen Sie mich diesen Artikel ausnahmsweise mit einer persönlichen Geschichte beginnen: Meine Karriere begann in Paris in der Abteilung für Länderrisiken der Caisse des Dépôts et Consignations, die damals von Patrick Artus geleitet wurde. Die Schwellenländer standen im Mittelpunkt der Analyse, die über rein makroökonomische Kriterien hinausging. Ich ahnte nicht, dass ich 26 Jahre später, nach einem langen Einstieg in die Finanzwelt, zu den Quellen der Wirkung zurückkehren würde. So wie der Alchimist von Paolo Coelho, der endlich die Bedeutung verstanden hat, was ihn trotz einer langen Reise nie verlassen hat.

Schwellenländer: Ein Nährboden für Impact?
Auf den ersten Blick scheinen nachhaltige Investitionen und Schwellenländer unvereinbar zu sein. Unsere Standards aus den Industrieländern gelten in diesen Ländern einfach nicht, da dort die Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards bei weitem nicht so streng sind. Und doch! Die ESG-Analyse ist das Herzstück der Analyse von Schwellenländern. Nicht zuletzt, weil es dabei in erster Linie um die Verringerung wesentlicher «Risiken» geht.

In einer zunehmend geografisch zersplitterten und konfliktbeladenen Welt ist die Gefahr gross, dass Nachhaltigkeit zur Nebensache wird. Und doch ist es wichtiger denn je, auf einen nachhaltigen, sozial inklusiven und «fairen» Wandel hinzuarbeiten. Das Thema «Finanzen für die Menschen» bekommt so seine volle Bedeutung. In Schwellenländer zu investieren, bedeutet auch, in eine gerechtere und stabilere Welt zu investieren, die das Wirtschaftswachstum fördert und den internationalen Handel erleichtert. Investitionen bringen diesen Ländern, die häufig Innovationen hervorbringen, die Mittel an die Hand gibt, die sie für ihre Entwicklung oder ihren Wandel wie Infrastruktur oder Ausstieg aus umweltschädlichen Industrien benötigen.

Vergleiche schwierig, aber nicht unmöglich
Die auf Schwellenländer angewandte ESG-Analyse ist keine neue Disziplin. Doch leidet sie immer noch unter den Einschränkungen, die mit dem Fehlen eines Rahmens wie in unseren so genannten entwickelten Ländern verbunden sind. Die Standards für Regulierung, Governance, Interpretation und Berichterstattung sind unterschiedlich und müssen vorurteilsfrei analysiert werden. Dies erfordert die Erhebung und Analyse zuverlässiger, vergleichbarer Daten. In Ermangelung eines Rahmens sind Vergleiche schwierig, aber nicht unmöglich. Bei der Datenerhebung werden auch zunehmend von Wissenschaftlern entwickelte Instrumente zur räumlichen Verortung eingesetzt.

Biologische Vielfalt: ein zentrales Thema
Dieser Artikel wäre unvollständig ohne ein Wort zur biologischen Vielfalt: Sie kann nicht erhalten werden, ohne die lokalen Gemeinschaften in den Entwicklungsländern intensiv zu unterstützen. Diese Menschen sind in hohem Masse von den Leistungen der Ökosysteme abhängig und stehen an vorderster Front, wenn es um die Risiken des Artensterbens und des Klimawandels geht. Die Hotspots der biologischen Vielfalt, d.h. die am stärksten durch menschliche Aktivitäten bedrohten Gebiete, befinden sich hauptsächlich im Süden. Obwohl diese Hotspots nur 2,5% der Erdoberfläche ausmachen, erbringen sie 35% der Ökosystemleistungen, von denen gefährdete Bevölkerungsgruppen abhängen. Ihr Schutz ist daher von grundlegender Bedeutung, was ein Problem des Gleichgewichts zwischen der rationellen Nutzung der natürlichen Ressourcen und dem Überleben der lokalen Bevölkerung darstellt.

Und nicht zuletzt: ein günstiges wirtschaftliches Umfeld
Abgesehen von den ESG-Faktoren scheint der aktuelle makroökonomische Kontext eine optimistischere Sicht auf die Schwellenländer zu begünstigen, indem eine geografisch und sektoral diversifizierte Position eingenommen wird. Mit anderen Worten: Wir sollten nicht alles auf Asien – allen voran China, wo die Nachfrage sich nur mühsam erholt – und Technologie setzen. Was die Bewertung betrifft, so bieten die Schwellenländer derzeit einen Abschlag gegenüber den Industrieländern und hinken in der Performance hinterher, was vor allem auf China zurückzuführen ist (siehe Grafik). Dennoch sind die Wachstumsaussichten in den Schwellenländern mit +18,9% im Jahresvergleich laut Bloomberg-Konsens, gegenüber +11% für die Vereinigten Staaten und -0,5% für Europa weitaus besser.

comparative performance of MSCI World, MSCI World Equity and MSCI Emerging Markets (base 100 in January 2020)

Der Schwellenländerblock profitiert auch von einem günstigen Umfeld, das auf seine starke Korrelation mit dem US-Dollar zurückzuführen ist. Die Performance der Schwellenländer ist umgekehrt korreliert mit den US-Zinsen und dem US-Dollar. Für dieses Phänomen gibt es zwei Hauptgründe. Der erste ist die Suche der Anleger nach Rendite. Wenn die US-Renditen unattraktiver werden, suchen die Anleger nach Performance in anderen Regionen. Der Grossteil vieler Schwellenländer ist nach wie vor an den US-Dollar gebunden (Schulden oder Rohstoffe), so dass ein schwächerer US-Dollar gut für den Block ist.

Unser Szenario geht von einer Zinssenkung in den USA und einer anschliessenden Abschwächung des US-Dollars aus, was die Performance der Schwellenländer unterstützen wird. Wir sind der Meinung, dass eine geografisch und sektoral diversifizierte Positionierung heute eine bessere Strategie ist als auf einen bestimmten Markt zu setzen. Auch die ESG-Analyse ist unbestreitbar wichtig, da sie es uns ermöglicht, Risiken wie die Anfälligkeit für Kontroversen zu minimieren. Schliesslich dürfen wir uns nicht von der Schwierigkeit der Aufgabe abschrecken lassen. Im Ozean der Nachhaltigkeit zählt jeder Tropfen.

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