Die Kombination aus schwierigem makroökonomischem Umfeld und wachsender Investorennachfrage schafft eine überzeugende Gelegenheit für europäische Privatkredite – aber die Zusammenarbeit mit dem richtigen Manager ist entscheidend.
von Adam Wheeler, Co-Head of Global Private Finance, Barings
Privatkredite sind eine widerstandsfähige Anlageklasse, die sich in der Vergangenheit in mehreren Rezessionen und Zyklen bewährt hat. Doch die Herausforderungen, vor denen Privatkredite heute stehen, sollten angesichts der erhöhten Unsicherheit und des riskanten makroökonomischen Umfelds nicht auf die leichte Schulter genommen werden. In der Tat gibt es keinen Mangel an Fragen darüber, wie das Bild in den kommenden Monaten und Jahren aussehen wird – zum Beispiel, wie lang und tief der Abschwung sein könnte? Welchen Weg wird die Politik der Zentralbanken in Europa und den USA künftig einschlagen? Werden die Unternehmen weiterhin in der Lage sein, höhere Kosten an die Kunden weiterzugeben? Viel Aufmerksamkeit wird auch der Entwicklung der privaten Kreditportfolios gewidmet, insbesondere wenn die Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Wirtschaft durchschlagen. Während die Leistungen der Manager in guten Zeiten ähnlich aussehen können, wird ein schwierigeres Umfeld wahrscheinlich zu einer viel stärkeren Differenzierung der Performance innerhalb der Branche führen.
Positiv zu vermerken ist, dass es eine Reihe von Rückenwind gibt, der die Chancen im Bereich der privaten Kreditvergabe heute verlockend erscheinen lässt. In vielen Fällen werden die Anleger besser entschädigt als in der Vergangenheit, insbesondere wenn sie im Wesentlichen die gleichen Risiken eingehen wie vor ein oder zwei Jahren. Insbesondere erhalten die Anleger häufig eine geringere Hebelwirkung, das Potenzial für höhere absolute Renditen und Zugang zu qualitativ hochwertigen Geschäften – entscheidend ist jedoch, dass sie mit dem richtigen Manager zusammenarbeiten, der einen konservativen und disziplinierten Ansatz für diese Anlageklasse verfolgt.
Navigieren durch ein schwieriges Umfeld
Die Kreditnehmer hatten in den letzten Monaten mit einer Reihe von Gegenwind zu kämpfen – von Problemen in der Lieferkette über die Lohninflation und steigende Kosten bis hin zur Energiekrise in Europa. Die meisten mittelständischen Unternehmen waren jedoch in der Lage, die daraus resultierenden Preissteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben, was sich positiv auf die Fundamentaldaten der Unternehmen ausgewirkt hat. Die nächsten sechs bis zwölf Monate dürften jedoch schwieriger werden, zumal das schwierige externe Umfeld anhalten dürfte und sich die Erhöhung der Leitzinsen weiterhin auf die Zinszahlungen auswirkt. Vor allem höhere Kosten und eine nachlassende Nachfrage könnten zu einer Erosion der Gewinnspanne, einem geringeren Cashflow und einer geringeren Rentabilität führen.
Dieses Umfeld schafft die Voraussetzungen für eine Neuordnung der Unternehmensmultiplikatoren aus der Perspektive des Eigenkapitals. Qualitativ hochwertige mittelständische Unternehmen mit einem geringeren Verschuldungsgrad und einer konservativeren Kapitalstruktur dürften besser positioniert sein, um diesem schwierigen Umfeld standzuhalten. Es gibt jedoch eine Reihe von Unternehmen auf dem Markt, die risikoreichere Kapitalstrukturen und einen höheren Verschuldungsgrad aufweisen – in einigen Fällen liegt der Verschuldungsgrad in Europa bei ca. 6,5-7x, was in etwa dem von breit syndizierten Unternehmen entspricht -, die auf dem Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre basierten. Diese Unternehmen werden wahrscheinlich in Zukunft Probleme haben, wenn die Leitzinsen weiter steigen. Viele Geldgeber und Private-Equity-Firmen werden ihre Transaktionen jedoch mit Kapital unterstützen, um den Anstieg der Zins- und Kapitaldienstkosten zu decken.
Die Dynamik verlagert sich zugunsten der privaten Märkte
Nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war und die Konsortialmärkte in Bezug auf Neuemissionen praktisch zum Erliegen kamen, veränderte sich die Dynamik in der privaten Kreditlandschaft. Viele Unternehmen mit grösserer Marktkapitalisierung, die traditionell Kapital auf den Konsortialkreditmärkten aufgenommen haben, wandten sich zunehmend der direkten Kreditvergabe zu, um sich zu finanzieren. Infolgedessen steht heute sowohl in Europa als auch in den USA weniger Kapital auf dem Markt zur Verfügung.
Gleichzeitig beobachten wir in Verbindung mit höheren Leitzinsen eine Verlagerung hin zu besseren Konditionen, niedrigeren Verschuldungsgraden und strengerer Dokumentation bei privaten Krediten. Die Spreads haben sich ebenfalls erheblich ausgeweitet, um die makroökonomischen Bedingungen widerzuspiegeln, in denen wir leben, und dies dürfte auch in den kommenden Monaten der Fall sein. Dies führt im Wesentlichen zu einem attraktiveren Risiko-Ertrags-Profil bei Privatkrediten. Insbesondere das relative Wertpotenzial von Privatkrediten kann heute in Verbindung mit dem Zugang zu qualitativ hochwertigen Transaktionen die Möglichkeit bieten, attraktive absolute Renditen zu erzielen – in einigen Fällen die höchsten absoluten Renditen, die es in dieser Anlageklasse seit sehr langer Zeit gegeben hat.
Gabelung in der Leistung
In den Monaten und im Jahr vor uns, wenn das makroökonomische Umfeld immer schwieriger wird und die Auswirkungen höherer Zinssätze spürbar werden, dürfte die Performance der Manager in den privaten Kreditportfolios stärker divergieren. Das liegt vor allem daran, dass kein Portfolio dem anderen gleicht – jeder Manager beschafft unterschiedliche Vermögenswerte, was bedeutet, dass keine zwei Risikoprofile gleich aussehen. Manager, die bei der Zusammenstellung ihrer Kapitalstrukturen umsichtig vorgegangen sind, qualitativ hochwertige Unternehmen mit starken Kapitalstrukturen ausgewählt und einige der zyklischeren Sektoren gemieden haben, sollten in der Lage sein, die nächsten sechs bis zwölf Monate zu überstehen. Andererseits dürften Manager, die ein Portfolio mit hohem Fremdkapitalanteil aufgebaut haben, bei einem Anstieg der Leitzinsen eher vor Herausforderungen stehen.
Bereit für weiteres Wachstum
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass private Kredite in den letzten beiden Abschwüngen recht konstante Renditen geliefert haben und die Verluste der Anlageklasse in diesen Zeiten weniger extrem waren als auf dem breit angelegten Konsortialmarkt. Es ist daher nicht überraschend, dass die relative Widerstandsfähigkeit dieser Anlageklasse weiterhin das Interesse von Pensionsfonds und anderen institutionellen Anlegern weckt, wobei sich die Allokationen in den nächsten Jahren möglicherweise verdoppeln werden.
Das weitere Wachstum des Marktes wird voraussichtlich auch zu einer Konsolidierung der Manager führen – wobei leistungsstarke, nachhaltige Plattformen wahrscheinlich mehr Kapital anziehen und weiter expandieren werden, während andere möglicherweise ums Überleben kämpfen. In Europa ist dies bereits zu beobachten: Mehr Kapital wird weniger Managern zugewiesen, vor allem solchen, die Erfahrung mit Abschwüngen haben und über die Ressourcen und das Kapital verfügen, um Unternehmen zu übernehmen, die sich nicht gut entwickeln. Gleichzeitig steht in Europa die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei privaten Krediten weiterhin ganz oben auf der Agenda der Anleger. Manager, die in der Lage sind, Geschäfte zu strukturieren, die massgeschneiderte Darlehensverträge mit spezifischen ESG- oder Nachhaltigkeitsklauseln haben – was als ESG-vorwärtsgerichtete oder nachhaltigkeitsbezogene Darlehen bezeichnet wird – und die mit Unternehmen zusammenarbeiten, um das ESG-Verhalten zu verbessern, scheinen für die Entwicklung in diesem Bereich gut positioniert zu sein.
Wichtigste Erkenntnisse
Während das langfristige, strukturelle Bild für Privatkredite positiv aussieht und für die Anlageklasse weiterhin Kapitalzuflüsse zu erwarten sind, dürfte das unsichere makroökonomische Umfeld für eine Reihe von Portfolios und Managern kurzfristige Herausforderungen mit sich bringen. Dies deutet darauf hin, dass eine Phase der Konsolidierung und des Wachstums der Anlageklasse in den kommenden Monaten und Jahren bevorsteht.
Private Credit Manager bauen ihre Portfolios im Laufe der Zeit auf, mit dem Ziel, über Konjunkturzyklen hinweg eine konstante Rendite zu erzielen. Letztendlich kann dies nur erreicht werden, indem Kapitalverluste vermieden werden. Aus diesem Grund sind die Manager in einer guten Ausgangsposition,
um von diesem starken strukturellen Rückenwind zu profitieren, wenn sie einen konservativen und disziplinierten Ansatz für den Kapitaleinsatz verfolgen und Seniorität und Sicherheit gegenüber dem Streben nach Rendite den Vorrang geben. (Barings/mc)