EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. (Foto: Europäische Kommission)
Brüssel – Gebetsmühlenartig hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor Schweizer Journalisten wiederholt, was er und seine Leute nach dem Ja zur SVP-Masseneinwanderungs-Initiative immer wieder betont hatten: «Die Personenfreizügigkeit ist nicht verhandelbar.»
«Stellen sie sich vor, eine Schweizer Bank lässt sich in Brüssel nieder und könnte ihre Angestellten aus der Schweiz nicht mitbringen», versuchte Barroso zu erklären, warum für die EU die vier Freiheiten – Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital – unzertrennlich miteinander verbunden sind. Daher könne die Schweiz ohne Personenfreizügigkeit auch nicht am europäischen Binnenmarkt teilnehmen. «Es kann nicht sein, dass die Freizügigkeit für Karotten aber nicht für Menschen gilt.»
Wie kein anders Land profitiere die Schweiz von der EU, sagte er. Aber auch sie könne sich nicht einfach «die Kirsche auf dem Kuchen» stibitzen. Die Schweiz habe schliesslich 1999 das Bilaterale-I-Paket unterzeichnet und «ein Abkommen ist ein Abkommen», sagte Barroso. Er räumte aber gleichzeitig ein, dass die Schweiz auch für die EU ein wichtiger Handelspartner sei.
Barroso: «Freizügigkeit nur mit einzelnen Kantonen»
Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Schweiz das bereits ausgehandelte Zusatzprotokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien nicht unterzeichnen wird. Die EU könne nicht akzeptieren, dass eines ihrer Mitglieder unterschiedlich behandelt werde, sagte Barroso. «Was würde die Schweiz sagen, wenn die EU die Personenfreizügigkeit nur mit einzelnen Kantonen akzeptieren würde», sagte der EU-Kommissionspräsident, der sechs Jahre seines Lebens in Genf verbracht und «jeden Kanton einmal besucht» hat.
Bereits im Vorfeld hatte die EU angekündigt, dass für sie ein Zusammenhang zwischen der Personenfreizügigkeit und dem Forschungsabkommen «Horizon 2020» beziehungsweise dem Bildungsabkommen «Erasmus+» besteht und das eine ohne das andere nicht in Frage kommt. Wie erwartet setzte daher die EU nach der Ankündigung der Schweiz die Verhandlungen aus. Barroso bedauerte dies. Er hänge an diesen Abkommen, sagte er und verwies auf seine Studienzeit in Genf.
EU will Zinsbesteuerung weiter verhandeln
Angesprochen auf die ausgesetzten Verhandlungen zum Stromabkommen, verneinte Barroso, dass es sich dabei um eine Strafaktion gegenüber der Schweiz handle. Die EU habe auch nicht im Sinn, die zurzeit gültigen Abkommen zu suspendieren. Die Schweiz und die EU haben insgesamt über 100 Abkommen geschlossen. Barroso betonte aber, dass es keinen Sinn mache, neue Abkommen zu schliessen, wenn nicht einmal klar sei, wie es mit den bestehenden Verträgen weiter gehe. Es gibt aber auch Bereiche, in denen die EU weiter verhandeln will – etwa bei der Zinsbesteuerung.
Aber klar sei auch, dass man nach dieser Abstimmung jetzt nicht so tun könne, als ob nicht gewesen wäre, sagte Barroso weiter. Doch er hoffe, dass die Probleme so schnell als möglich gelöst würden. Aber: «Nicht wir haben das Abkommen zur Personenfreizügigkeit in Frage gestellt.» (awp/mc/ps)