Beat Kähli, CEO sitEX Properties Holding AG, im Interview

Beat Kähli, CEO sitEX Properties Holding AG, im Interview
sitEX-CEO Beat Kähli. (Foto: sitEX)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Kähli, in den USA boomt der Markt für Einfamilienhäuser wie lange nicht mehr, wovon auch sitEX mit der sitEX Properties USA profitiert. Worauf ist die starke Nachfrage zurückzuführen?

Beat Kähli: Covid-19 führt zu einer eigentlichen Flucht aus den Innenstädten und Hochhäusern von New York, Chicago, Philadelphia etc. nach Florida respektive von Metropolen wie Los Angeles und San Francisco nach Texas, in die Vorstädte. In Florida und Texas ist es noch möglich, für 300’000 Dollar ein Haus mit Garten und Pool zu erwerben. Das Leben in den Vorstädten ist trotz den Corona-Restriktionen ähnlich wie zuvor. Barbeque im Garten, Abstand zu den Nachbarn etc. statt Menschenmengen in der U-Bahn und in den Hochhäusern von Manhattan.

Ausserdem profitieren US-Hauskäufer von den rekordtiefen Zinsen. Als ich vor 25 Jahren bei der Bank of America meine 1. Hypothek für ein Einfamilienhaus in den USA abschloss, lag der Zinsatz bei 10.5 %. Heute werden Hypotheken für unter 3 % vergeben. Während der Schweizer Immobilienmarkt seit der grossen Immobilienkrise anfang der 1990er Jahre über die meiste Zeit nur eine Richtung kannte, nämlich nach oben, gingen die US-Wachstummärkte, allen voran Florida 2008 und in den Folgejahren durch einen grossen Immobiliencrash. Seither hat sich der Markt erholt, die Preise in Central Florida liegen aber immer noch leicht unter den Höchstpreisen von 2006.

«Covid-19 führt zu einer eigentlichen Flucht aus den Innenstädten und Hochhäusern von New York, Chicago, Philadelphia etc. nach Florida.»
Beat Kähli, CEO sitEX

Angesicht des unkontrolliert um sich greifenden Coronavirus, der Polarisierung im Land und den Spannungen rund um die Abwahl von Donald Trump erstaunt der Boom dennoch. Zumindest vom Ausland aus betrachtet. Wie erleben Sie die Situation vor Ort persönlich?

Ich bin in diesem Jahr achtmal von Florida in die Schweiz und wieder zurück gereist. Aus meiner Sicht findet die Polarisierung vor allem in der Presse statt. Ich denke, Land und Leute in den USA gut zu kennen. Eine Spaltung, wie sie in den Medien dargestellt wird, sehe ich so nicht. Mitglieder der Demokratischen oder Republikanischen Partei halten sich seit Jahrzehnten in etwa die Waage, das ist auch in meiner amerikanischen Familie und in meinen Unternehmungen so. Sie müssen bedenken: Die USA sind ein grosses Land, die Staaten sind weitgehend unabhängig, Washington ist weit weg. Seit ich als Familienvater und Unternehmer in den USA bin, habe ich vier Präsidenten erlebt, zwei Demokraten, zwei Republikaner. Der Einfluss aus Washington auf unsere Immobiliengeschäfte war immer beschränkt.

Auch die sich mehrheitlich im Besitz der sitEX Properties USA Inc. befindliche Avex Homes LLC hat zuletzt Rekordverkäufe erzielt. Wie gross war die Nachfrage im sitEX-Kernmarkt Zentralflorida?

Avex Homes konnte dieses Jahr über 300 Häuser in Central Florida verkaufen, ein Rekord. Die grossen US-Homebuilder erzielen hier in Zentralflorida allesamt Rekordumsätze. Der strategische US-Partner von sitEX, DR Horton mit Sitz in Arlington/Texas, hatte dieses Jahr das beste Jahr in der Firmengeschichte. DR Horton ist der nach Hausverkäufen grösste US-Builderkonzern und hat von Oktober 2019 bis September dieses Jahres beinahe 70’000 Häuser verkauft – auch dies ein Rekord.

Was macht die Region so interessant?

Ich war im Vorstand der Handelskammer, als wir vor 20 Jahren entschieden haben, dass wir für Central Florida neben dem Tourismus – Orlando allein empfängt jährlich 70 Millionen Besucher – wirtschaftlich ein zweites Standbein aufbauen müssen. Wir haben uns für das Gesundheitswesen entschieden. Mit Advent Health und Orlando Health haben zwei grosse Spitalgruppen ihren Hauptsitz in Orlando. Heute ist die Wertschöpfung im Bereich Health Care grösser als im Tourismus.

Um das einordnen zu können: Adventh Health ist ein Konzern mit rund 14 Milliarden Dollar Umsatz – davon alleine in Central Florida über 4 Milliarden. Die University of Central Florida (UCF) wiederum ist mit über 70’000 Studenten die grösste Universität in den USA. Eine wichtige Rolle spielt auch die Raumfahrt in Cape Canaveral, die über die letzten Jahre teilprivatisiert wurde. In Central Florida leben zwischen Tampa und Orlando mittlerweile rund acht Millionen Einwohner. Generell hat sich Central Florida vom Tourismus- und Renterparadies zu einem diversifizierten Wirtschaftsstandort entwickelt. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Orlando beträgt 33,5 Jahre. Zum Vergleich: In Zürich sind es 40 Jahre.

Wie sieht es mit dem Angebot aus? Wurde in den letzten Jahren ausreichend gebaut, um jetzt die Nachfrage auch decken zu können?

Das Angebot an Land wird knapper. Florida ist ja eine Halbinsel und überdies kann ein Grossteil des Landes – geschützte Wetlands, Everglades – nicht überbaut werden. Die Preise werden durch diese Verknappung lanfristig steigen. Es ist die grösste Herausforderung für Homebuilder – auch die ganz grossen wie DR Horton, Lennar, Pulte etc. – Land zu erschwinglichen Preisen zu finden. Kurzfristig sind die Preise für Materialien stark angestiegen, so hat sich zum Beispiel der Holzpreis seit März verdreifacht. Aber ich denke, dies wird sich wieder beruhigen.

Die Homebuilder-Industrie und die Banken haben aus der Krise vor gut 10 Jahren gelernt, auf Halde wird nicht gebaut. Bei Avex Homes bauen wir nur, was zu 90 % verkauft ist. Amerika tendiert manchmal von einem Extrem zum anderen zu gehen. 2006 konnte jeder, der seinen Namen einigermassen richtig schreiben konnte, eine Hypothek für ein Haus erhalten. Heute gibt es strenge Vorschriften, zum Beispiel darf die Hypothek nicht mehr als das dreifache des Haushaltseinkommens betragen, der Credit Check muss passen, das Anstellungsverhältniss wird überprüft.

«Die Homebuilder-Industrie und die Banken haben aus der Krise vor gut 10 Jahren gelernt, auf Halde wird nicht gebaut. Bei Avex Homes bauen wir nur, was zu 90 % verkauft ist.»

Das Timing für die Entwicklung Ihres Grossprojekts «Avalon Park Daytona» könnte nicht besser sein. sitEX hat im Sommer in der Nähe der Küstenstadt eine Parzelle von 10 Millionen Quadratmetern Bauland gekauft. Was können Sie uns zu dem Projekt sagen?

Avalon Park Daytona liegt rund eine Meile vom Interstate 95 und sechs Meilen von der Atlantik Küste enfernt. Es handelt sich um eines der grössten Wohnbauprojeke in Florida. Wir haben uns in Avalon Park Daytona das Ziel gesetzt, rund 500 Häuser pro Jahr zu verkaufen. Wie schon in Avalon Park Orlando und in Avalon Park Wesley Chapel (Nord Tampa) erstellen wir hier eine eigentliche Stadt, in welcher man wohnen, arbeiten und die Freizeit verbringen kann – oder wie wir das hier nennen: live, learn, work and play. So unterscheidet sich Avalon Park Daytona vom übrigen Angebot in den US-Vorstädten, in welchen Developer und Builder entweder nur Häuser, einen Büropark oder dann eine Shopping-Mall bauen, welche jedoch jeweils einige Meilen von einander entfernt sind. Wir planen 10’000 Wohneinheiten – 5000 Einfamilienhäuser und 5000 Appartements – sowie 100’000 m2 Gewerbeflächen zu bauen. Das gesamte Bauvolumen beträgt ca. 3 Milliarden Dollar. Wir konnten in diesem Projekt mit DR Horton einen Partner gewinnen, welcher von uns 2500 Einfamilienhaus-Parzellen zum Gesamtpreis von 160 Mio Dollar kauft.

Und wann erfolgt der Baustart und wann können erste Immobilien bezogen werden?

Wir haben bereits einen genehmigten Zonenplan. Wir planen den Baustart im Jahr 2021, und den Bezug der ersten Häuser 2022.

Der «Avalon Park Daytona» ist bereits das vierte Mega-Projekt, das Sie in der Region realisieren. Alle zusammen weisen eine Fläche von 27,8 Mio Quadratmetern auf und sehen neben Gewerbeflächen fast 18’000 Wohneinheiten vor. Welche Erfahrungen hinsichtlich der Städteplanung können jetzt in das neue Projekt eingebracht werden?

Die vier Grossprojekte liegen allesamt im Interstate 4-Korridor zwischen Tampa und Orlando. Die Projekte liegen jeweils 1-2 Autostunden voneinander entfernt, konkurrieren also nicht direkt miteinander, erlauben aber unserem erfahrenen Team, die Zusammenarbeit mit lokalen Ingenieurbüros, Planern, Anwälten, Medien etc., die wir seit langer Zeit kennen. Das Immobilien-Entwicklungsgeschäft ist lokal und politisch, wir bringen hier vor Ort unsere Reputation und Erfahrung aus Jahrzehnten ein. Avalon Park Orlando war in den Jahren 2003-2006 das nach Verkäufen Nummer 1-Wohnbauprojekt in Central Florida. Jeder in Orlando kennt Avalon Park, der Brand hilft uns nun auch in Daytona, bei Hauskäufern, Behörden und in der breiten Bevölkerung.

Avalon Park Orlando. (Bild: sitEX)

«Die vier Grossprojekte erlauben unserem erfahrenen Team die Zusammenarbeit mit lokalen Ingenieurbüros, Planern, Anwälten, Medien etc., die wir seit langer Zeit kennen.

Kommen wir auf das Geschäft in der Schweiz, vorwiegend der Nordwestschweiz, zu sprechen, dem zweiten Fokusgebiet der sitEX Properties Holding. Im Bereich der Bestandesimmobilien sind etwa 50% des Anlagevermögens in Büroflächen investiert. Welche Entwicklungen beobachten Sie hier angesichts des wohl längerfristigen Trends zu Home Office?

Bei sitEX sind wir froh, dass unsere Entwicklungspipeline zu über 90 % im Wohnbau ist. Wir denken, dass der Bedarf an 08/15-Büroflächen abnehmen wird. Die Nachfrage wird diversifiziert sein, ein Leben lang von 08.00 – 17.00 Uhr in das gleiche Einzelbüro gehen und dort «Büroarbeit» verrichten, ist nicht mehr gefragt. Genauso wie man heute ein Telefon nicht nur zum Telefonieren kauft. Ein Bürovermieter muss mehr können als Räume anzubieten. Bei sitEX haben wir darum das Produkt 5th Floor (www.the5thfloor.ch) realisiert.

Welche Erwartungen hegen Sie für «The 5th Floor», das zuletzt im Büro- und Gewerbehaus sitEX Powerhouse in Muttenz als eines der grössten Coworking Spaces der Region eröffnet hat?

Wir wollen «The 5th Floor» weltweit aufbauen und werden im 1. Quartal 2021 in Avalon Park Orlando einen weiteren Standort eröffnen. Innert fünf Jahren ist das Ziel, 30 Standorte auf allen Kontinenten zu eröffnen. Wir führen entsprechende Gespräche in Singapur, Sydney und in San Juan (Puerto Rico). Im Powerhouse Muttenz (Coworking Basel) liegen wir vor den Toren von Basel und direkt neben der Fachhochschule Nordwestschweiz, mit welcher wir eine enge Zusammenarbeit haben. Wir helfen bei der Finanzierung und beraten Startups. Wir erlauben diesen unbürokratischen Zugang zu unserem grossen, weltweiten Netzwerk. Auch hier ist es das Ziel nicht einfach Büros zu vermieten, sondern die Unternehmen massgeschneidert zu unterstützen.

«The 5th Floor im sitEX Powerhouse in Muttenz». (Bild: sitEX)

Welche Wohnprojekte in der Nordwestschweiz stehen aktuell im Fokus?

Wir arbeiten zur Zeit an mehreren Wohnbauprojekten in der Nordwestschweiz, so zum Beispiel in Liestal gut 500 m vom Bahnhof entfernt an einem neuen Quartier mit 86 Wohnungen und einer internationalen Schule.

Herr Kähli, wir bedanken uns für das Interview.

 
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