Bedarf nach mehr Vielfalt und digitalem Know-how bei Verwaltungsräten
Zürich – Diversität wird bei personellen Neubesetzungen in Verwaltungsräten von Schweizer Unternehmen grossgeschrieben: Dazu gehören neue Kompetenzen, Erfahrungen, Persönlichkeiten sowie auch digitale Fähigkeiten. Die aktuelle Ausgabe des swissVR Monitors fördert weiter zutage, dass die Arbeitsbelastung an den Schalthebeln der Schweizer Wirtschaft steigt und die Aufgaben immer vielfältiger werden. Gemäss den 448 Befragten haben insbesondere Personalfragen und Compliance an Bedeutung gewonnen. Für die Zukunft der Schweizer Wirtschaft sind die Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte positiv gestimmt.
Bei personellen Neubesetzungen im Verwaltungsrat hat die Erhöhung der allgemeinen Diversität sehr hohe Priorität. Dies geht aus der halbjährlichen Umfrage von swissVR in Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Deloitte und der Hochschule Luzern hervor. Über drei Viertel (78%) der Befragten messen dem Ziel einer stärkeren Diversität eine hohe oder mittlere Bedeutung zu und befürworten die künftige Aufnahme von Mitgliedern mit neuen Kompetenzen und Erfahrungen oder unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen in den Verwaltungsrat. Knapp ein Fünftel der Befragten (19%) sehen sich diesbezüglich bereits gut aufgestellt, und nur eine sehr kleine Minderheit (3%) erachtet eine Erhöhung der allgemeinen Diversität bei personellen Neubesetzungen als unwichtig.
Als zweitwichtigste Priorität bei personellen Neubesetzungen wird von 71% der Befragten die Steigerung des Know-how im Bereich Digitalisierung und Informatik genannt. 29% messen diesem Ziel eine hohe und 42% eine mittlere Bedeutung zu. Andere Zielkriterien wie beispielsweise die Verjüngung des Verwaltungsrates oder die Anhebung des Frauenanteils werden als weniger wichtig erachtet.
Geschlechterverteilung vs. Diversität
Nur ein geringer Teil der Befragten sitzt in Verwaltungsratsgremien, die den vom Bundesrat und der Nationalratskommission vorgeschlagenen Richtwert eines Frauenanteils von 30 Prozent für börsenkotierte Unternehmen bereits heute erreichen. Dabei ist die Geschlechterverteilung gemäss Umfrage in grösseren Gremien etwas ausgeglichener: In Verwaltungsratsgremien mit sechs oder mehr Personen sitzen im Schnitt 21 Prozent Frauen, in kleineren Gremien mit drei bis fünf Personen sind dies lediglich 10 Prozent. Rund zwei Drittel (64%) der befragten Verwaltungsratsmitglieder begrüssen eine Erhöhung des Frauenanteils in den Verwaltungsratsgremien in der Schweiz, 91 Prozent lehnen aber eine durch Gesetz oder Statuten vorgegebene Geschlechterquote ab.
Reto Savoia, stellvertretender CEO von Deloitte Schweiz, interpretiert die Resultate folgendermassen: «Diversität und Geschlechtergerechtigkeit werden von Schweizer Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten klar differenziert. Sie haben gelernt, dass Vielfalt im Steuerungsgremium sich positiv auf den Geschäftserfolg auswirkt. Eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen in den Verwaltungsräten hat hingegen keine Priorität. Obwohl der eher zahme Quotenvorschlag des Bundes wohl ohne grösseren Aufwand umgesetzt werden könnte, stossen Quoten jeglicher Art weiterhin auf grundlegende Ablehnung.»
HR-Themen gewinnen an Bedeutung
Die Top-Themen in den Verwaltungsräten sind auch beim dritten swissVR Monitor Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung (40%). Weiter beschäftigen sie die Themen Digitalisierung (38%) und Überarbeitung der Unternehmensstrategie (35%). Auf dem vierten Rang wurden personelle Herausforderungen auf Ebene
Geschäftsleitung genannt. Dahinter liegt das Thema Talentmanagement und Rekrutierung, das vom siebten Platz im August 2017 nach oben geklettert ist. Vor einem Jahr lag das Thema noch abgeschlagen auf Rang 11. Nach vorne gerückt sind auch Risikomanagement (25%) und Compliance (24%). Die Teilnehmenden konnten von mehreren Dutzend VR-Themen die fünf wichtigsten der letzten zwölf Monate auswählen.
Zeitlicher Aufwand gestiegen
Nach Einschätzung vieler Umfrageteilnehmenden hat sich das Umfeld für ihre Arbeit innert Jahresfrist relativ stark verändert. Der zeitliche Aufwand für die Verwaltungsratstätigkeit nahm für mehr als die Hälfte aller befragten Verwaltungsratsmitglieder (56%) in den letzten zwölf Monaten zu. Bereits vor einem Jahr meldete eine Mehrheit der Befragten einen gestiegenen Aufwand. Auch der Austausch mit der Geschäftsleitung hat sich für über die Hälfte der Befragten intensiviert. Fast ein Drittel nimmt zudem eine Zunahme des Reputationsdruckes und der Einflussnahme der Aktionäre im vergangenen Jahr wahr.
Prof. Dr. Christoph Lengwiler, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern und Vizepräsident von swissVR erläutert: «Die Arbeit im Verwaltungsrat wird anspruchsvoller und aufwändiger, da auch die Themenvielfalt und der Formalismus zunehmen. Die Aufgaben beschränken sich schon lange nicht mehr auf die Strategiefestlegung und Ernennung der Geschäftsleitung. Dies zeigt sich auch an der Vielzahl an Themen, die von den Befragten im Rahmen des swissVR Monitors I/2018 als Top-Themen genannt werden. Auch wenn die Verwaltungsratsgremien auf diese Themenausweitung mit mehr Diversität im Gremium reagieren, muss trotzdem jedes einzelne Mitglied mit dem breiten Themenspektrum zurechtkommen, wenn es seine Aufgabe seriös wahrnehmen möchte.»
Rosige Aussichten für die Konjunktur und das eigene Unternehmen
Die befragten Verwaltungsratsmitglieder erwarten für die Schweizer Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten grösstenteils (67%) eine positive Entwicklung und sind optimistischer als noch vor einem halben Jahr oder einem Jahr. Neu werden die Konjunkturaussichten insgesamt leicht positiver eingeschätzt als die Geschäftsaussichten des eigenen Unternehmens (64%). Besonders positiv schätzen Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte aus der Informations- und Kommunikationsbranche die Zukunft ihres Unternehmens ein (86%). Auch die Einschätzungen für das verarbeitende Gewerbe und die Life Sciences (66%) liegen über dem Durchschnitt.
Die Verwaltungsratsmitglieder haben weiter die aktuelle und zukünftige Bedeutung von externen Faktoren für ihr Unternehmen auf einer Skala von 1 bis 5 eingeschätzt. Die aktuell höchste Bedeutung wird der Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz (4,0) und der Wirtschaftsentwicklung im Ausland (3,5) zugeordnet. Für beide Faktoren wird für die Zukunft zudem eine Verbesserung prognostiziert (43% respektive 41% der Befragten).
Erträge nachhaltig einsetzen
Eine relativ hohe Bedeutung (3,4) wird ebenfalls dem Wechselkurs des Schweizer Franken zum Euro und zum US-Dollar zugemessen. Knapp ein Drittel der Befragten rechnet zudem mit einem stärkeren Schweizer Franken, ein knappes Drittel hingegen mit einer schwächeren Schweizer Währung. Als Einflussgrössen mit mittlerer Bedeutung erweisen sich das Zinsniveau (3,2) und die Inflation (3,0). Für beide Grössen rechnet eine Mehrheit der Befragten mit einem Anstieg.
Prof. Dr. Dr. Christian Wunderlin, Präsident swissVR, zu den Aussichten und Rahmenbedingungen: «Viele Unternehmen schätzen sich zwar erfolgreicher ein als der Branchenschnitt, glauben aber nicht, dass sie dabei viel stärker wachsen werden als die allgemeine Wirtschaft. Alles in allem sind die Aussichten sehr positiv und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen so gut wie lange nicht mehr. Es gilt, mit den jetzt anfallenden Erträgen die nachhaltige Positionierung aktiv zu stärken. Investitionen in Menschen und deren Bildung sind dabei ein wesentlicher Pfeiler.» (Deloitte/mc)