Bellevue Asset Management: Comeback für Infrastrukturinvestitionen

Bellevue Asset Management: Comeback für Infrastrukturinvestitionen
Birgitte Olsen, CFA, Senior Portfolio Manager Aktien Europa Bellevue Asset Management. (Bild: Bellevue AM)

Von Birgitte Olsen, CFA, Senior Portfolio Manager Aktien Europa Bellevue Asset Management

Küsnacht/Zürich – Erneuerbare Energien, Sicherheit in der Energieversorgung, Elektrifizierung, Deglobalisierung und Digitalisierung sind einige der grössten Herausforderungen der Gegenwart und lassen sich nur durch massive Investitionsprogramme seitens Staat und Unternehmen bewältigen. Welche Branchen und Unternehmen von diesem säkularen Thema profitieren sollten, erläutert Birgitte Olsen, Head Entrepreneur-Strategien bei Bellevue Asset Management.

Die letzten Jahrzehnte waren durch einen stetigen Abwärtstrend von Kapitalinvestitionen gekennzeichnet, besonders in Europa und den USA. Wuchsen die Investitionsausgaben der US-Industrie in den Jahren 1980 bis 2001 noch über 5% p.a., fielen sie in den darauffolgenden zwei Dekaden auf unter 3% zurück. Wir hatten es nach der globalen Finanzkrise von 2007/08 in vielen Sektoren sogar mit einer extremen Phase der Unterinvestition zu tun. Diese Tendenz erfährt nun eine Kehrtwende. Für die Jahre 2019 bis 2024 wird mit einer überdurchschnittlichen Steigerung der Kapitalinvestitionen in Höhe von 8.7% p.a. gerechnet.

Ein neuer Megatrend
Aufgrund der massiven US-Investitionsprogramme kann man mittlerweile von einem neuen Megatrend sprechen. Dazu trägt insbesondere der im August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) bei. Darüber sollen in den USA in den nächsten zehn Jahren etwa USD 300 Mrd. in den Defizitabbau und USD 369 Mrd. in Energiesicherheits- und Klimaschutzprogramme investiert werden. Hinzu kommen der CHIPS and Science Act im Umfang von mehr als USD 50 Mrd. sowie zusätzliche, beinahe ebenso hohe private Investitionen für die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Halbleitern. Demnach dürfte der aktuelle Investitionszyklus noch am Anfang stehen. Der Marktstratege und Historiker Russell Napier spricht von einem zu erwartenden Boom bei den Kapitalinvestitionen und der Reindustrialisierung der westlichen Volkswirtschaften.

Abwärtstrend bei US-Kapitalinvestitionen gestoppt?
Jährliche Wachstumsrate (CAGR) der Investitionsausgaben in der US-Industrie in verschiedenen Perioden

Zeitenwende auch in Europa
Auch in der EU werden massive Investitionsprogramme auf den Weg gebracht. Hier sind vor allem der Europäische Green Deal und das Europäische Chip-Gesetz zu nennen. Allein der umfassende Green Deal beinhaltet dabei den Zugriff auf EUR 600 Mrd., mit denen der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft angestrebt wird. Das europäische Chip-Gesetz im Umfang von mehr als EUR 43 Mrd. soll dagegen die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz hinsichtlich Halbleitertechnologien und -anwendungen forcieren und dabei der starken Abhängigkeit von Asien und China entgegenwirken. Langfristig werden zusätzliche private Investitionen in ähnlicher Höhe erwartet. Mit ebenfalls milliardenschweren Investitionen wird für die neuen Gigafactories im Batteriebereich gerechnet. Hier ist gemäss einer Analyse von McKinsey bis 2025 mit einer Verdoppelung des Investitionsvolumens zu rechnen. Denn schon im Jahr 2030 wird einer PwC-Studie zufolge fast jedes zweite verkaufte Auto ein batteriebetriebenes bzw. elektrisches Fahrzeug sein.

Investitionsopportunitäten
Die Dynamik und das Ausmass dieser Entwicklungen bieten aus Anlegersicht vielfältige Investitionschancen, auch für schweizerische und europäische Unternehmen. Für uns als fundamental orientierte Stockpicker spielt die globale Infrastrukturtransformation eine wesentliche Rolle in der Positionierung unserer Bellevue Entrepreneur Fonds. Im Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid Fonds sind bis zu 30% der Zielunternehmen direkte oder indirekte Nutzniesser dieses langfristigen Trends. Dazu zählen VAT, Inficon, Belimo, LEM, Gurit und Huber + Suhner, um einige zu nennen. Nachstehend drei ausgewählte und spannende Beispiele:

IoT als Schlüsseltechnologie für die Industrie 4.0
Nach Jahrzehnten der Globalisierung wollen Unternehmen wieder die Kontrolle über ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten zurückgewinnen und die Resilienz ihres Geschäfts steigern. Dazu tragen auch neue geopolitische Risiken sowie strategische und nationale Interessen, ein erhöhter Nachhaltigkeitsgedanke sowie die Folgen der COVID-Krise bei. Insbesondere der Anstieg der Digitalisierung und die wachsende Automatisierung erlauben die Verlagerung der Fertigung in Regionen mit höherem Kostenniveau (Near- und Reshoring). Dem Internet der Dinge (IoT) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Es erlaubt Unternehmen, ihre Produktionsanlagen und -systeme miteinander zu vernetzen, um eine nahtlose Kommunikation und eine effiziente Steuerung zu ermöglichen. Die IoT-Dichte nimmt dabei mit den stetig wachsenden Anwendungen kontinuierlich zu. Zugleich werden die Lösungen immer ausgereifter. Als führender IoT-Anbieter ist das Schweizer Unternehmen U-Blox sehr gut positioniert, um von dieser Entwicklung zu profitieren. Das Wachstums- und Profitabilitätspotenzial des Unternehmens wird noch unterschätzt, somit hat die Aktie aus Bewertungssicht grosses Upside-Potenzial.

Energiewandel schafft neue Gewinner
Ein weiterer entscheidender Bereich ist die Energieversorgung. Die Welt braucht mehr Energie, unmittelbar für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit in der Versorgung und perspektivisch für eine nachhaltige Zukunft. Für die Endmärkte Erdgas, Solar-Photovoltaik und Wasserstoff ist die Technologie von Burckhardt Compression im Bereich Kompressorlösungen unverzichtbar. Um die Energiewende voranzutreiben, werden weltweit gigantische Investitionen getätigt. Mit einem weltweiten Marktanteil von ca. 40% bis 50% überrascht es nicht, dass Burckhardt im letzten Fiskaljahr einen Rekordauftragseingang von CHF 1.3 Mrd. verzeichnete. Dabei bietet insbesondere der wachsende Bereich Wasserstoff interessante Möglichkeiten. Die steigende Nachfrage nach Wasserstoff als saubere Energiequelle und die Notwendigkeit der Verflüssigung mittels Kompressoren für Transport und Lagerung eröffnen Wachstumschancen. Es wird erwartet, dass die Produktionskapazitäten für Wasserstoff bis 2030 um das 10-Fache steigen werden.

An Logistikanbietern führt kein Weg vorbei
In allen Ländern, wo im Zuge des Re- und Nearshorings die Bauausgaben für neue Produktionsanlagen steigen, bedarf es neuer Intralogistikkapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diese Verlagerungen von Kapazitäten und Materialflüssen erfordern fortschrittliche Lösungen, bei denen führende Intralogistikanbieter wie Interroll und Kardex profitieren. Diese Nischenanbieter helfen bei der Automation von Lager-, Bereitstellungs- und Materialflusssystemen, die zunehmend eine entscheidende Kosten- und Effizienzkomponente darstellen. Die gesteigerte Nachfrage ist dabei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter staatliche Subventionen für die Produktion strategisch relevanter Technologien sowie die Notwendigkeit einer sicheren und effizienten Logistik.

Fazit
Wir erleben im Westen einen neuen strategisch und politisch motivierten Capex-Boom. Dieser globale Infrastruktur-Investitionszyklus ist ein Megatrend, der uns mindestens für die nächste Dekade begleiten wird. Dabei werden Unternehmen besonders profitieren, die in diesem neuen «Goldrausch» Schaufeln verkaufen im Sinne von innovativen Technologien, unverzichtbaren Dienstleistungen und allgemeinen Lösungen – darunter auch Logistikanbieter, Energieinfrastrukturspezialisten und IoT-Lösungsentwickler. (Bellevue AM/mc/ps)

Autorin: Birgitte Olsen
Birgitte Olsen, CFA, Senior Portfolio Manager Aktien Europa, trat 2008 bei Bellevue Asset Management ein. Davor war sie über neun Jahre bei Generali Investments in Köln als Stellv. Leiterin für das Portfoliomanagement Aktien Europa zuständig. Als Fund Manager (DE und Skandinavien) arbeitete sie 1997 und 1998 bei Vontobel Asset Management in Zürich. Birgitte Olsen startete ihre Karriere in der Finanzbranche 1994 als Sell-Side Analyst bei der Bank am Bellevue für die Sektoren Versicherungen und Pharma. Sie hat ein Studium in Finanz- und Rechnungswesen an der Universität St. Gallen abgeschlossen.

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