Bereits 40 Tage nach Querschnittlähmung weniger Nervengewebe

Rückenmarksverletzung mit Narbengewebe

Rückenmarksverletzung mit Narbengewebe (© MPI für Neurobiologie / Bradke & Hellal)

Zürich – Wie sich Hirnareale nach einer Querschnittlähmung verändern, war bis anhin ungewiss. For­schende der Universität Zürich und Uniklinik Balgrist belegen: Bereits 40 Tage nach einer Querschnittlähmung haben Patienten weniger Nervengewebe im Rückenmark. Mittels einer neuen bildgebenden Messung lässt sich nun die Wirkung einer medikamentösen Behandlung oder Rehabilitation schneller und direkter als bis anhin erfassen.

Die Verletzung des Rückenmarks verändert das Rückenmark und Gehirn. Patientinnen und Patienten können beispielsweise nur noch eingeschränkt gehen oder ihre Hände bewegen. Wie schnell sich solche degenerativen Veränderungen entwickeln, war bis anhin ungewiss. Man ging davon aus, dass sich bei querschnittgelähmten Patienten erst über Jahre hinweg anatomische Veränderungen im Rü­ckenmark und Gehirn auch oberhalb der verletzten Stelle zeigen. Erstmals weisen Forschende der Universität Zürich und der Uniklinik Balgrist gemeinsam mit englischen Kollegen vom University Col­lege London nach, dass diese Veränderungen bereits 40 Tage nach einer akuten Querschnittläh­mung auftreten.
Rückenmark nimmt rapid ab

Ausmass der degenerativen Veränderungen korreliert mit klinischem Verlauf
Die Wissenschaftler untersuchten 13 akut querschnittgelähmte Patienten jeden dritten Monat wäh­rend eines Jahres im Magnetresonanz-Gerät. Anhand der MRT-Protokolle stellten sie fest, dass der Durchmesser des Rückenmarks rapid abgenommen hatte und nach zwölf Monaten bereits um sieben Prozent kleiner geworden war. Ein, wenn auch geringerer, Volumenverlust zeigte sich zudem bei den aufsteigenden motorischen Nervenbahnen (kortikospinaler Trakt) und den Nervenzellen im sensomo­torischen Kortex. Das Ausmass der degenerativen Veränderungen korrelierte mit dem klinischen Verlauf. «So erholten sich Patienten mit grösserem Verlust an Nervengewebe oberhalb der Verlet­zung weniger gut als jene mit geringerem», erklärt Patrick Freund, Forschungsassistent am Zentrum für Paraplegie Balgrist.

Therapeutische Wirkung besser erfassen
Die Chancen auf eine Regeneration des Rückenmarks innerhalb des ersten Jahres nach seiner Ver­letzung sind gering; die Patienten bleiben meistens für immer gelähmt. Dank der neu angewandten bildgestützten Messung besteht jetzt, laut Freund, die Möglichkeit, die Wirkung von medikamentösen Behandlungen auf das Zentralnervensystem oder von rehabilitativen Massnahmen schneller sichtbar zu machen. Auch die Wirkung neuer Therapien liesse sich somit schneller erfassen.

Zusammenarbeit zwischen Zentrum für Neurowissenschaften Zürich und University College London
Die Studie entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum für Neurowissenschaften Zürich (ZNZ) und dem University College London Neuroscience. ZNZ und UCL Neuroscience haben ver­einbart, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Ziel ist, von den komplementären Fachkenntnissen zu profitieren und die Forschung und Ausbildung in den Neurowissenschaften voranzutreiben. (Universität Zürich/mc/ps)

Literatur:
Patrick Freund, Nikolaus Weiskopf, John Ashburner, Katharina Wolf, Reto Sutter, Daniel R Altmann, Karl Friston, Alan Thompson, Armin Curt. MRI investigation of the sensorimotor cortex and corticospinal tract after acute spinal cord injury: a prospective longitudinal study. The Lancet Neurolo­gy. July 2, 2013. doi.org/10.1016/S1474-4422(13)70146-7

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