Titelillustration Studie «Third Billion Index 2012». (Bild: Booz & Company)
Zürich – Binnen zehn Jahren werden zusätzlich weltweit bis zu drei Milliarden Menschen am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen. Dazu tragen die Schwellenländer China und Indien mit jeweils einer Milliarde Menschen bei. Frauen könnten die dritte Milliarde stellen, die dann als mögliche Arbeitnehmerinnen, Managerinnen sowie natürlich auch Konsumentinnen am globalen Wirtschaftsgeschehen partizipieren. Bisher wird dieser Zugang in vielen Teilen der Welt allerdings noch durch fehlende Bildung oder gesellschaftliche Restriktionen verhindert. Die Mobilisierung dieses noch unerschlossenen wirtschaftlichen Potenzials kann dabei erhebliche gesellschaftliche, aber auch volkswirtschaftliche Effekte erzielen. Anders als bei dem in China und Indien generierten Wachstum werden die «Third Billion»-Impulse ihre Wirkung für die Weltwirtschaft wesentlich dezentraler und damit vielschichtiger entfalten.
Wäre beispielsweise in der Schweiz der Anteil berufstätiger Frauen und Männer ausgeglichen, so könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – trotz Konjunkturflaute und Eurokrise – um 5% höher liegen. Die weltweiten strukturellen Voraussetzungen für die Teilhabe der Frauen am wirtschaftlichen Leben bemisst der «Third Billion Index 2012». In diesem rangiert die Schweiz auf Platz 17 (Indexwert: 62,8) von 128 untersuchten Nationen und liegt damit recht deutlich hinter der Spitzengruppe mit Australien (70,6), Norwegen (70,6), Schweden (69,5) und Finnland (69,3).
Das sind die zentralen Ergebnisse der globalen Studie «Empowering the Third Billion: Women and the World of Work in 2012», welche die internationale Strategieberatung Booz & Company vergangene Woche vorgestellt hat.
Verbesserungspotenzial im Ausbildungsbereich
«Trotz des über 30 Jahre alten Verfassungsartikels und dem vor 16 Jahren in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetz hat es die Schweiz bezüglich Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Wirtschaft noch nicht in die Spitzengruppe geschafft. Mit einer konsequenteren Umsetzung der rechtlichen Grundlagen in der Praxis könnte die Schweiz zusätzliches Wachstum realisieren», erklärt Christine Rupp, Partnerin und Recruiting-Verantwortliche bei Booz & Company für die Schweiz, Deutschland und Österreich. «Die kontroverse Diskussion über die Einführung einer Frauenquote bei der Verwaltung der Stadt Bern hat die Uneinigkeit über die Art und Weise der praktischen Umsetzung der Gleichstellung in der Schweiz einmal mehr bestätigt. Will die Schweiz das vorhandene Potenzial in diesem Bereich realisieren, braucht es wirksame Massnahmen.» Das gilt insbesondere auch für den Ausbildungsbereich, wo die Schweiz trotz Fortschritten erst im breiten Mittelfeld der Rangliste auftaucht. Die Abnahme des Frauenanteils von über 50% bei den Studienanfängerinnen über rund einen Drittel bei den Doktoraten auf unter 20% bei den Professoren spricht eine deutliche Sprache.
Im Bereich Lohngleichheit gehört die Schweiz zwar aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu den fortschrittlichsten Nationen und liegt im globalen Ranking auf Platz 9, aber auch trotz dieser guten Voraussetzungen und dem laufenden Lohngleichheitsdialog verdienen Männer gemäss Bundesamt für Statistik nominell immer noch rund 18% mehr als Frauen. Bereinigt um Faktoren wie häufigere und längere Auszeiten oder Teilzeitpensen zugunsten von Familienarbeit und niedrigere Verdienstmöglichkeiten in Branchen mit hohem Frauenanteil wie die Gastronomie oder der Pflege- und Sozialbereich dürfte diese Lohnlücke jedoch faktisch unter 10% liegen.
Teppichetagen noch immer Männerdomäne
Das Booz & Company-Ranking belegt: Gerade aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China (Rang 58), Indien (Rang 115) aber auch Länder der MENA-Region wie Saudi Arabien (Rang 123), die Vereinigten Arabischen Emirate (Rang 109) oder Ägypten (Rang 108) haben bezüglich gleicher Karrierechancen von Männern und Frauen noch grossen Aufholbedarf. Aber auch in der Schweiz zeigen sich noch erhebliche Defizite, wenn es darum geht, berufstätigen Frauen die gleichen Karrierechancen wie ihren männlichen Kollegen zu ermöglichen. So besteht heute bei den Hochschulabsolventen quasi Geschlechterparität, aber während bei den Männern 24% der Arbeitnehmenden eine Führungsfunktion haben, sind es bei den Frauen nur 15%. «Das Verhältnis auf Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsebene ist noch einmal deutlich schlechter», hält Rupp fest.
Top 10 Third Billion Index
Rang Land (Indexwert)
1 Australien (70,6)
2 Norwegen (70,6)
3 Schweden (69,5)
4 Finnland (69,3)
5 Neuseeland (67,7)
6 Niederlande (67,2)
7 Kanada (67,2)
8 Deutschland (67,1)
9 Belgien (66,8)
10 Frankreich (65,3)
17 Schweiz (62,8)
Standortfaktor Frauenförderung
Ein weiteres Studienergebnis: Hohe Third Billion-Indexwerte eines Landes führen zu deutlich besseren Ergebnissen beim Pro-Kopf-Einkommen, der Alphabetisierungsrate und dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten. «Dieser signifikante Effekt verdeutlicht, dass Massnahmen zur Förderung des beruflichen Einstiegs, der Karriereentwicklung und der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen kein Selbstzweck sind, sondern mittel- bis langfristig zu immensen makroökonomischen Vorteilen für den jeweiligen Standort führen», so die Studienautorin Rupp weiter. «Daher ist es eine vordringliche Aufgabe der Politik und der Unternehmensentscheider auf allen Ebenen, mit gezielten Ausbildungs-, Förder- und Kinderbetreuungsinitiativen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Frauen ihr volles ökonomisches Potenzial ausschöpfen und damit auch die Weltwirtschaft substanziell voranbringen können.»
Die vollständige Studie mit weiteren Informationen zu Methode, Ergebnissen und dreizehn ausführlichen Länderprofilen steht unter http://www.booz.com/thirdbillion zum Download bereit. (Booz & Company/ots/mc/ps)