In der Schweiz gab es in den letzten Jahren eine regelrechte Flut von Inkubatoren, Acceleratoren und Initiativen, um Startups die ersten Schritte und vermehrt auch die Wachstumsfinanzierung zu ermöglichen. Was aber, wenn ein selbst noch junges Unternehmen das vorhandene Potential an innovativen Ideen möglichst schnell in eigenen organisatorischen Einheiten zur Marktreife führen will?
Von Helmuth Fuchs
Genau vor dieser Frage stand das 2014 gegründete Schweizer Software-Unternehmen Integration Alpha, nachdem der Start mit den Cloud-Angeboten “Analytics as-a-Service” und “Reporting as-a-Service” höchst erfolgreich verlief. Schnell stellte sich heraus, dass sehr spezifische Geschäftsideen und Probleme, die nicht unbedingt im strategischen Fokus von Integration Alpha lagen, mit den generellen Methoden und Softwarekomponenten ebenfalls schnell umgesetzt und gelöst werden könnten, was jedoch die eigenen Ressourcen zu stark binden würde. Statt den strategischen Fokus opportunistischen Erfolgen zu opfern, entschloss sich das Gründerteam, für vielversprechende, innovative Ideen mit Partnern vom Fach jeweils ein Startup zu lancieren und dieses mit der nötigen Unterstützung und Startkapital zu versehen.
Acceleratoren, Inkubatoren oder Intrapreneur-Teams
Das Vorgehen ist nicht ganz neu und wird von Grossfirmen zuweilen ebenfalls angewendet, wie das Beispiel von LINGS zeigt, einem internen Startup der Generali Gruppe für Versicherungen auf Tagesbasis. Im aktuellen Kickstart Accelerator Programm finden sich nebst den 30 Startups auch fünf Intrapreneur-Teams von Credit-Suisse, Migros und Swisscom, welche relativ eigenständig innovative Ideen umsetzen. Dazu kommen Inkubatoren, die primär von Grossunternehmen finanziert werden, um Innovationen in der eigenen Branche zu fördern, wie zum Beispiel der von der SIX initiierte und getragene Fintech Inkubator F10. Den gegenläufigen Weg hat die Swiss Startup Factory genommen. Gegründet als Startup Accelerator bietet das Unternehmen mittlerweile eigene Programme für Grossunternehmen und investiert mit einem eigenen Investors Club in Startups.
Virtueller Karriereberater
Speziell am Vorgehen von Integration Alpha ist, dass das selbst noch junge Startup viel eigenes Geld und Know-How in die Gründung und Unterstützung von hauseigenen Startups investiert, bis und mit zur ersten Wachstumsfinanzierung, um so schneller Innovationen zur Marktreife zu bringen. Ein aktuelles Beispiel ist People-Analytix, ein Spin-off von X28, Integration Alpha und peopleWORKS. Mit der People-Analytix-Software können mit Hilfe künstlicher Intelligenz zum Beispiel aus der Geschäftsstrategie die zur Umsetzung erforderlichen Fähigkeiten eruiert und prognostiziert und mit den vorhandenen Skills der Mitarbeitenden abgeglichen werden. Ein Matching-Algorithmus deckt dann eventuell vorhandene Lücken auf, die sich mit Ausbildung oder der direkten Suche auf externen Portalen schliessen lassen. Für Mitarbeitende bietet People-Analytix einen virtuellen Karriere-Berater an, der ihre Fähigkeiten mit den am Markt (intern und extern) am meisten nachgefragten Fähigkeiten abgleicht und aufzeigt, wo Handlungsbedarf besteht. Dies erhöht die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft von Organisationen und deren Mitarbeitenden und unterstützt die erfolgreiche Strategieumsetzung. Wie wichtig ein solches Instrument sein kann zeigt eine Studie von McKinsey, wonach bis zu 70% der Strategieumsetzungen genau am Thema Skill-Transformation der Belegschaft scheitern.
Die Milliarden-Investitionswette
Die Startup-Investitionsplattform investiere.ch schätzt, dass 2017 in der Schweiz gut 1,2 Milliarden Franken in Startups investiert wurden, was gegenüber 2014 gut eine Verdoppelung bedeutet. Damit liegt die Schweiz zwar klar hinter Israel und den USA, aber ebenso klar vor Deutschland und Frankreich. Mittlerweile gibt es verschiedene Dachfonds (aktive und geplante wie zum Beispiel der Swiss Entrepreneurs Fund oder der Zukunftsfonds), Venture Capital Fonds (auch von Grossunternehmen wie Credit Suisse, Swisscom, Zürcher Kantonalbank).
Modelle wie dasjenige von Integration Alpha, bei welchem die ersten Phasen schon finanziert und bis zum marktreifen Produkt bewältigt sind, dürfte für die grossen Fonds interessant sein, da damit auch ein Teil des beträchtlichen Risikos bei Startup-Investitionen gemindert ist. Zudem dürften solche Unternehmen in Zukunft auch den Einstieg für Pensionskassen in die Wachstumsfinanzierung attraktiver machen.