Bioprinting – Die kommende Technologierevolution
Heute noch weitgehend Zukunftsmusik: Bioprinting als Königsdisziplin des 3D Printing.
Von Artur P. Schmidt
Was ist Bioprinting?
Bioprinting ist ein Verfahren, bei dem mit Hilfe von 3D-Druckern organisches Gewebe reproduziert werden kann. So lassen sich Schicht um Schicht massgeschneiderte Gewebe herstellen wie z.B. Nasen oder Ohren. Durch die Verarbeitung embryonaler Stammzellen eröffnen sich für diese Sektor völlig neuartige Wachstumsmöglichkeiten. 3D Bioprinting wird nicht nur die kosmetische Chirurgie und das Essensdesign revolutionieren, sondern vor allem den Markt für Prothesen, den Markt für Herzklappen, den Robotikmarkt, die Transplantationsmedizin und das Anti-Aging beeinflussen. Da das 3D Printing Gewebe herstellen kann, welches dem menschlichen ähnlich ist, kann es die klinische Testphase bei Pharmaunternehmen verbessern und so die Fehlerrate von Medikamenten deutlich reduzieren. Hierdurch könnten die Unternehmen Milliarden an Entwicklungskosten sparen. Das geschätzte Marktvolumen für physiologische Zellsysteme liegt aktuell bei etwa 14 Milliarden Dollar, wobei sich dieser Markt in den nächsten beiden Jahrzehnten jedoch noch deutlich erweitern dürfte. Die heute verwendeten konventionellen Methoden zur Wirkstoffentwicklung sind sehr kostenintensiv und oftmals unzureichend.
Gedruckte Organe für Transplantationen könnten vielen Menschen das Leben verlängern. So warten gemäss Eurotransplant etwa 15.000 Menschen in Europa und mehr als 100.000 in den USA auf ein Spenderorgan. Die Abstossungsrate bei Organtransplantationen kann durch neue Technologien wie Bioprinting deutlich reduziert werden. Durch Bioprinting wird es möglich werden, die Übereinstimmungsrate zwischen Spendern und Empfängern von Organen zu verbessern. Zwar ist man von funktionierenden Organen noch weit entfernt, jedoch arbeiten die Wissenschaftler fieberhaft daran die Zellzüchtung zu beschleunigen. Hauptproblem ist hierbei, die Zellen dazu zu bringen, ein lebendes Netzwerk zu bilden. Die Vision komplette Organe herzustellen erfordert auch eine funktionstüchtige Vaskularisierung. Gewebe und Organe sterben ohne eine ausreichende Durchblutung ab. Bioprinting und Multiphotonenabsorption sind zwei wichtige Forschungsfelder, die dieses Problem in den nächsten Jahrzehnten lösen können.
Forschungsbeispiele
Forschern am Institute für Regenerative Medizin der Wake Forst University im US-amerikanischen Winston-Salem (North Carolina) gelang es, unterschiedliche Gewebetypen mit Hilfe eines umgebauten Tintenstrahldruckers herzustellen, wobei die Positionierung und der Wechsel der Patronen mittels eines Computerprogramms gesteuert wird. Eine Patrone enthält dabei die Knorpelzellen, während die anderen Patronen eine gelartige Flüssigkeit und einem Proteincocktail enthält. Beim Drucken baut der Drucker Zellschicht um Zellschicht auf, bis z.B. eine menschliche Ohrmuschel fertiggestellt wird. Will Wenmiao Shu von der Heriot-Watt University im schottischen Edinburgh gelang es einen Drucker zu konstruieren, der die besonders sensiblen menschlichen embryonalen Stammzellen, der Rohstoff von Bioingenieuren, zu kleinen Zellhäufchen zusammenlagert. Stammzellen gelten als Universalzellen, aus denen sämtliche 200 verschiedenen Gewebe des menschlichen Körpers entstanden sind. Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahren IGB in Stuttgart stellen Blutgefässe mit dem Drucker her, die als Bypass für verengte oder verstopfte Herzgefässe dienen. Schon heute können künstliche Herzklappen mit dem Drucker hergestellt werden. Forscher an der TU Berlin fertigen diese mit Hilfe eines grossen 3-D-Laserdruckers auf der Basis von Computertomografien. Das räumliche Modell wird vom Drucker Schicht für Schicht zu einer Aortenklappe aufgebaut.
Was mit Rapid Prototyping begann, findet nunmehr mit dem 3D Printing eine kontinuierliche Fortsetzung. Hierbei ist das Bioprinting sicherlich die Königsdisziplin des 3D Printing. Mittlerweile gibt es auch Fortschritte im Hinblick auf die Druckgeschwindigkeit und die Auflösung. Nanotechnolgoien werden hier in den nächsten Jahren weitere Durchbrüche bringen, die die Technolgieentwicklung des Bioprinting beschleunigen werden. Der US-Forscher Gabor Forgacs von der Universität Missouri setzt auf die Fähigkeit lebender Gewebe zur Selbstorganisation, um dreidimensionales Gewebe herzustellen. Zusammen mit seinem Bruder Andras hat er das Bioprintingunternehmen Organovo Holdings gegründet. Es stellt Gewebe für medizinische Zwecke her, dass auch für Transplantationen genutzt werden soll. So stellte das Unternehmen bereits ein funktionstüchtiges Lebergewebe vor, das zur Testung von Medikamenten vor deren Zulassung bestens geeignet ist. Organovo Holdings hat den NovoGen MMX Bioprinter™ entwickelt, der menschliches Gewebe herstellen kann. Der Prozess der Herstellung erfolgt hierbei folgendermassen: Menschliche Zellen, z.B. Muskelzellen, werden entnommen und in einer Zellkultur zum Wachstum gebracht. Dann werden diese durch Enzyme von der Oberfläche getrennt und in einem zweiten Schritt inkubiert. Durch die gegenseitige Verbindung entsteht ein solides Gewebe. Dann wird dieses sich formende Gewebe in eine Art Tintenpatrone geladen und von einem softwaregesteuerten Printer in die gewünschte Form gebracht. Nach einigen Tagen verschmelzen die aufgetragenen Ebenen zu einer Einheit, die menschlichem Gewebe ähnlich ist, jedoch wie bei Organen notwendig, bisher noch nicht die gleiche Funktionsfähigkeit hat.
3D Printing gewinnt an Fahrt
Der Investor Peter Thiel, der in den 90er Jahren in Paypal investierte, setzt ebenfalls auf Bioprinting. So investierte er, nachdem er zuletzt mit Facebook Millionen verdiente, nun in das Unternehmen Modern Meadows. Modern Meadow hat eine Technik entwickelt, um Fleisch aus einer Biotinte per 3D-Drucker herzustellen. So könnten Steaks, Schnitzel, Schuhe oder andere Lederprodukte in Zukunft nicht mehr von Tieren, sondern aus dem 3D-Drucker kommen. Mit dem Bioprinting von Modern Meadow soll essbares Fleisch aus lebenden Zellen aufgebaut werden, um die schlechte Ökobilanz von Schlachtvieh zu verbessern. Thiel hat auch mit seiner Thiel Foundation in das Unternehmen Organovo Holdings investiert.
Der renommierte MIT Technology Review setzte das oben bereits erwähnte Organovo Holdings 2012 auf die Liste der 50 innovativsten Technologieunternehmen. Organovo Holdings setzt auf strategische Partnerschaften mit Unternehmen wie Pfizer und United Therapeutics. Die renommierte Havard Medical School baut auf die erste funktionstüchtige Leber aus dem Hause Organovo Holdings. Auf der 2013 Experimental Biology Conference in Boston und auf der 3D Printing Conference & Expo in New York stellte das Unternehmen bereits sein erstes vollfunktionsfähiges In-vitro-3D-Lebergewebe vor. Eine voll funktionsfähige Leber gibt es zwar noch nicht, aber das Gewebe wird sicherlich die Werkstoffforschung an der Leber verbessern. Organovo Holdings gab auch eine Zusammenarbeit mit dem Knight Cancer Institute der Oregon Health & Science University (OHSU) bekannt, die zu wirksameren Krebsmedikamenten führen soll.
Ein deutsches im Privatbesitz befindliches Unternehmen, welches im Bereich Bioprinting führend ist, ist EnvisionTEC. Das Unternehmen verkauft einen 3D-Bioplotter, der ein umfangreicheres Repertoire an Biomaterialien drucken kann als Organovo Holdings’s NovoGen MMX. So plottet die Maschine auch Polymere, die für künstliche Organe und Keramik als Knochenersatz verwendet werden können. Auch gibt es in der Angebotspalette des Unternehmens spezielle Printer für Anwendungen im Dentalbereich.
Ausblick in die Zukunft
Was in Science-Fiction-Filmen bereits Realität wurde, nämlich der Einsatz von Androiden, kann durch das Bioprinting revolutioniert werden. Der Mensch als reparierbares Wesen mit einem unerschöpflichen Ersatzteillager und neuen Möglichkeiten der Leistungssteigerung scheint ebenso realisierbar wie komplett neue Lebewesen selbst zu designen, die wir bereits in Star-Wars-Filmen bewundern konnten. Ob diese schöne neue Welt erstrebenswert ist, und welche Risiken im Lebewesen-Printing liegen, insbesondere wenn es in Zukunft gelingen sollte, Roboter zu bauen, die reale Gehirne tragen, aber ansonsten eher Kampfmaschinen ähneln, wird eine der spannendsten Fragen für die Menschheit werden.
Für die Raumfahrt am interessantesten scheint hierbei die Frage, ob Lebewesen geschaffen werden können, die sich besser an lebensfeindliche Umwelten wie z.B. dem Leben auf der Mond- oder Marsoberfläche anpassen können. Zusammen mit Terraforming auf anderen Planeten werden die Fortschritte in der Biotechnologie und Gentechnologie das Leben des Menschen im dritten Jahrtausend massgeblich bestimmen und ihm ungeahnte Möglichkeiten geben, insbesondere wenn die Sterblichkeitsrate massiv reduziert wird. Hier liegt es auf der Hand, dass es dann jedoch ohne Expansion ins Weltall nicht genügend Platz und Ressourcen auf de Erde geben wird, um im Einklang mit den neuen Technologien den Blauen Planeten zu bewahren. Auch wenn Bioprinting erst ein kleiner Schritt in Richtung künstliche Lebewesen ist, die Stossrichtung ist vorgegeben und der Mensch wird Sie beschreiten. Er sollte sich jedoch frühzeitig der Konsequenzen seines Handels und der Folgen dieser neuen Technologien bewusst werden.
Weiterführende Links:
http://www.explainingthefuture.com/bioprinting.html
http://bioprinter.blogspot.com/
http://www.3ders.org/articles/20130205-scientists-use-3d-printer-to-produce-human-embryonic-stem-cells.html
www.thenavigator.mobi
http://markets.ft.com/research//Markets/Tearsheets/Financials?s=ONVO:QXR&subview=Income
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Über Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com, www.wallstreetcockpit.com und thenavigator.mobi sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH. Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.