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Lippstadt/Köln – Um die Produktion nicht zu gefährden, hat der Lebensmittelzulieferer Satro die umliegenden Ärzte mit einer Briefaktion aufgefordert, seine Arbeitnehmer nur teilweise krank zu schreiben. Für die Kränkelnden wolle man «Schonarbeitsplätze» anbieten. Einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung nach soll die Firma neben Ärzten auch Krankenhäuser angeschrieben haben. In dem Papier verweise man jedoch darauf, dass es den Mitarbeitern frei stünde, die Schonarbeitsplätze zu nutzen. «Wir haben mit so einer riesigen Welle nie und nimmer gerechnet», so der 290 Mitarbeiter zählende Betrieb.
«Ungelesen in den Papierkorb»
«Die Ärzte können dieses Schreiben ungelesen in den Papierkorb befördern. Dass, was das Unternehmen damit erreicht, ist nichts weiter als die eigene Imageschädigung», so Martin W. Huff, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, auf Nachfrage von pressetext. Dem Juristen nach unterliegt der Arzt der Schweigepflicht. In der Folge sei der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nicht verpflichtet mitzuteilen, ob er nur «ein bisschen» krank ist oder nicht. «Der Arzt entscheidet das ganz alleine», weiss Huff.
Als Rechtfertigung für das Rundschreiben bringt Satro hervor, dass die «ganze Sache» doch nur aufgrund der Anfragen aus der eigenen Belegschaft ins Rollen gekommen sei. «Bei uns haben sich einige krank geschriebene Mitarbeiter gemeldet. Die wollten nicht mehr nur so zu Hause rumsitzen und fragten nach, ob sie leichteren Tätigkeiten nachgehen könnten», heisst es. Die Briefe an die Ärzte und Krankenhäuser seien zur Information gedacht gewesen und hätten nicht zum Ziel gehabt, sich in die Absprachen zwischen Ärzten und Patienten einzumischen.
Experten orten Vertrauensbruch
Wer keinen Schonarbeitsplatz in Anspruch nehmen will, so Satro in einer Erklärung, braucht nichts zu befürchten. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe will der Erklärung des Unternehmens keinen Glauben schenken und sieht in der ungewöhnlichen Aktion einen Vertrauensbruch. Ausserdem grenze diese an eine Manipulation. Firmen sollten nicht in das Hoheitsrecht der Mediziner eindringen. Laut dem Ärztekammer-Vertreter Heinz Ebbinghaus hält bei Managern die Vorstellung Einzug, dass man trotz Krankenschein noch arbeiten kann.
Auch Manfred Sträter von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sieht die Massnahme kritisch und bezeichnet das Vorgehen von Satro sogar als «völligen Blödsinn». Ärzte und Arbeitnehmer würden dreist unter Druck gesetzt. Satro mit Hauptsitz in Lippstadt ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Campina und hat sich auf funktionale Blends für die Molkerei-Industrie, Heissgetränke für die Vending-Branche und Instant-Kaffeespezialitäten für den Einzelhandel spezialisiert. (pte/mc/ps)