BlackRock – Aktueller Blick auf die Märkte: Ein asynchroner Neustart
Der bisherige Verlauf der Berichtssaison für das erste Quartal spricht eine deutliche Sprache. So konnten in den USA rund 85% der Unternehmen die Erwartungen der Analysten übertreffen, etwa zehn Prozentpunkte mehr als in Europa. Auch das Ausmass der „Beats“, also der positiven Abweichungen von den Konsensusschätzungen, betrug in Amerika mit 23% deutlich mehr als Europas 18%, und der durchschnittliche Zuwachs an Gewinnen pro Aktie lag mit rund 50% im Schnitt höher als der durchaus beachtliche 40%-Gewinnsprung europäischer Unternehmen.
Liegen damit die US-Firmen somit nur knapp vor den ebenfalls sehr guten europäischen Ergebnissen, wird das schnellere Erholungstempo der US-Wirtschaft an den BIP-Zahlen vollends deutlich. Im ersten Quartal wuchs die grösste Volkswirtschaft der Welt um rund anderthalb Prozent gegenüber Q4, während Europa um 0,6% schrumpfte. Es scheint also, als habe die US-Wirtschaft die Covid-Rezession hinter sich gelassen, während sich in Europa nun auch technisch eine W-förmige Doppelrezession feststellen lässt. Die gute Nachricht ist, dass aktuell, Richtung Mitte des zweiten Quartals, auch in Europa die Schrumpfung überwunden sein dürfte, aber allein wegen des grossen Abstands zu den USA in Q1 wird die europäische Volkswirtschaft für das Gesamtjahr 2021 vermutlich ein deutlich schwächeres Durchschnittswachstum verzeichnen.
Während die USA um 6-7% wachsen dürften, bleibt Europa mit 3-4% deutlich dahinter zurück. Das ist insofern bemerkenswert, als in Europa im Jahr 2020 das BIP mit rund -7% stärker einbrach als in den USA (-3,5%) und man daher einen stärkeren Basiseffekt hätte erwarten können. Dass dieser offenbar ausbleibt und Europa einmal mehr den USA hinterherhinkt, hat neben dem schnelleren amerikanischen Impftempo viel mit fiskalischem Stimulus zu tun. Im Vergleich mit dem Feuerwerk aus dem „American Rescue Plan“ und dem „Build Back Better“ nehmen sich die nationalen Stimulusprogramme europäischer Regierungen geradezu zwergenhaft aus, und auf den beherzten Schub des „Next Generation EU-Fonds“ warten Europas Regionen weiter geduldig, bis – hoffentlich wie geplant im Sommer – die ersten Tranchen tatsächlich fliessen können.
Es ist kein Wunder, dass angesichts dieser asynchronen Makrodynamik die US-Aktienindizes ihre europäischen Pendants in der Zwischenzeit in puncto Jahresperformance wieder überholt haben. Lagen bis vor wenigen Tagen die Europäer noch knapp vorn, ist nunmehr der US-Gesamtmarkt mit +10,4% an der Eurozone (+9,4%) vorbeigezogen. Addiert man die rund 1,6%-Aufwertung des Dollar gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn, ergibt sich schon wieder ein erklecklicher Vorsprung. Was sich anfühlt wie die ernüchternde Feststellung, dass am Ende doch wieder die US-Märkte vorn liegen werden, verbirgt aber durchaus eine Erfolgsgeschichte, nämlich die vorsichtige Hoffnung, dass auch Europa die dritte Covid-Infektionswelle noch bremsen kann, bevor sie zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme führt. So waren zuletzt die Inzidenzzahlen seitwärts bzw. leicht abwärts gerichtet, während sich das Impftempo beschleunigt. In der DACH-Region lagen zu Wochenbeginn die Inzidenzwerte um 150 und die Impfquote bei rund 25%.
Deutschland, wo lange viel zu wenig und zu langsam geimpft wurde, näherte sich am vergangenen Mittwoch mit 1,1 Millionen verabreichten Impfdosen erstmals dem Wert an, den die Bundesregierung mit 10 Millionen Impfungen pro Woche für Ende Juni anpeilt. Sollte das Tempo aufrechterhalten und genügend Impfstoff geliefert werden, erscheint nunmehr das Ziel erreichbar, im Spätsommer rund 70% der erwachsenen Bevölkerung geimpft zu haben. Danach wird zu sehen sein, ob Impfungen von Kindern und Jugendlichen sowie der Wunsch nach Normalität auch bei bisherigen Impfskeptikern dazu ausreichen werden, die für die Herdenimmunität vermutlich notwendigen mindestens 80% der Gesamtbevölkerung zu erreichen. Sicher ist das keineswegs, aber inzwischen sieht es recht gut aus, weswegen auch ökonomisch einiger Optimismus mit Blick auf Europa berechtigt erscheint.
Wie beeinflusst die Normalisierung den Wahlkampf?
Sollte sich vor der Bundestagswahl am 26. September die Coronalage derart entspannen, dass viele Menschen ihr normales Leben weitgehend zurückerhalten haben, könnte dies spürbare Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben. Dies würde den Regierungsparteien helfen, die sich derzeit mit rückwärtsgewandten bzw. möchtegern-progressiven Manövern Zuspruch zu verschaffen bemühen. So versucht die CDU mit der Nominierung eines rechtslastigen Kandidaten in Thüringen, der AfD Stimmen abzujagen, während sich die SPD in Diskussionen um Identitätsthemen und Cancel Culture verheddert. Beide überlassen damit den Grünen und ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock die Möglichkeit, sich einen veritablen Vorsprung in Sonntagsfrage und Kandidatenbeliebtheit zu verschaffen. Den wird sie auch brauchen, wenn im heissen Wahlsommer Inhalte und Programm der Grünen von allen Seiten durchleuchtet werden und vor allem die Regierenden sich im Glanz einer deutlich verbesserten Coronasituation werden sonnen können. Von den heutigen Umfragen also auf das Wahlergebnis zu schliessen, könnte sich also besonders im Jahr 2021 als voreilig erweisen. (BlackRock/mc)