Normalerweise ist das Schlussquartal ein eher positives aus Sicht von Aktienanlegern. In den letzten 30 Jahren standen in 80% der Fälle Kursgewinne zu Buche, und im Vergleich mit dem Rest des Jahres schlugen sich Aktien in den Herbstmonaten im Schnitt besser. Diesmal schauen Investoren allerdings auf eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren. Dies beginnt mit der Angst vor höheren Zinsen in den USA, setzt sich fort über die jüngste Wachstumsdelle in China und dessen schwächelnden Immobiliengiganten Evergrande, um am Ende wieder in Amerika und dessen Diskussion um die Schuldenobergrenze und einen drohenden «Government Shutdown» zu landen. In der vergangenen Woche schlug sich diese Unruhe in Rücksetzern bei amerikanischen Aktien von -2,3% nieder, in Europa von -3,4%, die Volatilität hat in den letzten Tagen spürbar angezogen. Angesichts der anstehenden Berichtssaison für das dritte Quartal und des Blicks in einen weiteren Covid-Winter, in dem Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit angesichts hoher Infektionszahlen und zu niedriger Impfquoten keineswegs ausgeschlossen sind, scheint Vorsicht angebracht.
Dabei dürfte im Cocktail der Unsicherheiten vor allem die US-Geldpolitik im Fokus stehen. Nach der letzten FOMC-Sitzung am 21. September, bei der ein strafferes Tapering und eine erste Zinserhöhung eventuell schon im nächsten Jahr angedeutet wurden, geriet die Zinslandschaft sichtbar in Bewegung. Seitdem oszilliert die Rendite der zehnjährigen Treasury-Anleihe eher um 1,50% statt, wie vorher, um 1,30%. In den letzten Tagen sind nun auch noch Unsicherheiten bezüglich der institutionellen Robustheit der amerikanischen Notenbank hinzugekommen. Die Fed-Gouverneure von Boston und Dallas sind wegen Verdachts auf Insidergeschäfte ihre Jobs los, und auch den stellvertretenden Vorsitzenden Richard Clarida könnte dieses Schicksal ereilen. Dass so etwas die Glaubwürdigkeit gerade der Institution schwächt, die in Zeiten eines zunehmend dysfunktionalen Politikbetriebs in den USA bis dato Verlässlichkeit verkörpert hatte, zeigt sich an der deutlich gesunkenen Wahrscheinlichkeit für eine erneute Amtszeit von Jerome Powell.
Dass eine funktionstüchtige und vertrauenswürdige Fed unverzichtbar ist, erweist sich einmal mehr im Gezerre um die Schuldenobergrenze. Da die 2019 vom damaligen Präsidenten Trump veranlasste Aussetzung der Schuldenobergrenze im Juli dieses Jahres auslief, braucht es nun ein neues Gesetz. Denn schon am 18. Oktober werde, so Finanzministerin Janet Yellen, dem Schatzamt das Geld ausgehen, dann drohe die Staatspleite. Das Gesetz zur neuen, höheren Schuldengrenze wird aber nun zur Verhandlungsmasse zwischen Demokraten und Republikanern, die sich im Kongress auch um das bereits auf den Weg gebrachte USD 1,2 Billionen Dollar umfassende Infrastrukturprogramm und ein weiteres, noch in Planung befindliches Programm von USD 3,4 Billionen Dollar streiten. Mit Blick auf die Grössenordnung der Ausgabenpakete und die Komplexität der Schuldenobergrenze besteht ein erhebliches Risiko, dass sich die Parteien, die Mid-Term-Wahlen im Herbst 2022 vor Augen, hoffnungslos verhaken und die USA auf genau diesen Punkt, nämlich eine Zahlungsfähigkeit Ende Oktober, zulaufen. Auch wenn zu erwarten steht, dass – wie bisher immer – um fünf vor zwölf ein Kompromiss gefunden wird, dürfte es Marktteilnehmer einiges an Nerven kosten, bis dieses Risiko abgewendet ist.
Deutschland rumpelt in die Nach-Merkel-Ära
Die erste Woche nach der Bundestagswahl verging, wie erwartet, mit Sondierungen und Selfies. Die grösste Überraschung bei alledem ist, dass der Wahlverlierer noch im Amt ist und vermutlich sogar eine echte, wenn auch kleine Chance besitzt, Kanzler zu werden. Überraschend ist dies, weil seine Partei die Wahl mit historisch schlechtem Ergebnis verloren und er dies zum Gutteil mitzuverantworten hat, weil inzwischen über 70% der Wähler SPD-Mann Olaf Scholz als Kanzler vorziehen und weil es selbst in CDU-Gremien eine Präferenz dafür gibt, in die Opposition zu gehen. Leidet Armin Laschet also an Realitätsverlust? Eher nein. Wahrscheinlicher ist, dass sein Wunschkoalitionspartner ihm noch am Wahlabend in Aussicht gestellt hat, dass die Bemühungen um eine Ampelkoalition sehr wohl scheitern können und er, sobald etwas Gras über die krachende Wahlniederlage gewachsen ist, doch noch zum König von Jamaika aufsteigen könne. Nur müsse er dafür natürlich im Amt bleiben. Sollte es, tief in der Nacht des 26. September, eine derartige Verabredung gegeben haben, werden die nächsten Wochen spannend. Denn nicht nur ist das schlaue Manöver Beobachtern südlich des Weisswursthorizonts, den Dolch im Gewande, natürlich nicht entgangen. Auch das Wahlvolk ist alarmiert, abzulesen daran, dass inzwischen sogar eine erneute GroKo, wenngleich diesmal unter SPD-Führung, in Umfragen weniger unbeliebt ist als die Schwampel. «Nur nicht Laschet, nur nicht Jamaika», suggerieren die Umfragen. Da scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen. Beruhigend aus Anlegersicht, dass all diese Spielchen dem Markt egal sein werden. Gut so. (BlackRock/mc/ps)