BlackRock – aktueller Blick auf die Märkte: Eine Woche der Entscheidungen für Europa

Ann-Katrin Petersen, Senior Investment Strategist bei BlackRock. (Bild: Screenshot BlackRock)

Eines wird diese Woche nicht werden – langweilig. Ganz im Gegenteil. Gerade auf dem europäischen Kontinent stehen in den kommenden Tagen mit der geplanten Wiedereröffnung der Gaspipeline Nord Stream I und dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) zentrale Weichenstellungen an.

von Ann-Katrin Petersen, Senior Investment Strategist bei BlackRock

Energiekrise: Folgt auf die Wartung von Nord Stream I der Lieferstopp?
Die im Zuge der Invasion Russlands in die Ukraine verschärfte Energiekrise schürt nach wie vor Konjunktursorgen in Europa. Seit Mitte Juli wird Nord Stream I, eine Offshore-Erdgaspipeline, die unter der Ostsee von Russland nach Deutschland verläuft, planmässig gewartet. Doch kursiert in den europäischen Hauptstädten die Sorge, dass Moskau aus politischen Gründen den Gashahn nach Ende der aktuellen Wartungsarbeiten an den Rohren nicht wieder aufdrehen könnte. Bereits im Juni hatte Russland Gaslieferungen nach Deutschland merklich gedrosselt
und diese Verknappung mit einem fehlenden Teil begründet.

Trotz grosser Fortschritte bei der Energiesicherheit dürfte es für Deutschland schwierig sein, Engpässe und die Abhängigkeit vom Gasverbrauch bis zum Winter hinreichend zu beseitigen. Damit erhöht sich das Risiko, dass durch Berlin die «Notfallstufe 3» ausgelöst wird, also eine physische Gasrationierung für nicht geschützte Verbraucher, einschliesslich der Industrie. Im Falle einer Verknappung von verfügbarem Gas priorisieren die vorliegenden Notfallpläne die Gasversorgung zur Wärmeerzeugung für private Haushalte sowie für die Versorgung kritischer Infrastrukturen (z.B. Krankenhäuser). In diesem Szenario dürfte es im nächsten Winter (neben harten gesellschaftlichen Debatten) zu einem Rückgang der Industrieproduktion kommen.

Mehr staatliche Unterstützung für private Haushalte und Unternehmen wäre in Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern zu erwarten, da die Energiekrise ganz oben auf die politische Agenda gerückt ist. Allerdings könnte der Spielraum der Finanzpolitik begrenzt ausfallen, erstens aus Sorge, die bereits hohe Inflation durch eine steigende staatliche Nachfrage weiter anzukurbeln und zweitens angesichts weiterer zukünftiger Ausgabenbedürfnisse (u.a. für Verteidigung, die grüne Transformation der Wirtschaft, digitale Infrastruktur) bei inzwischen höheren Refinanzierungskosten.

Verzwickt: Die Regierungskrise in Italien kommt zur absoluten Unzeit. Gerade weil eine stabile Gasversorgung für die EU im bevorstehenden Winterhalbjahr auf dem Spiel steht, könnte Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella alles daran setzen, Neuwahlen ausgerechnet im Herbst zu verhindern. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Rom bis zu den regulären Wahlen im Frühjahr 2023 eine politische Hängepartie droht.

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Zinswende: EZB steht vor der Quadratur des Kreises
Am Donnerstag dürfte die EZB erstmals seit dem Jahr 2011 ihre Leitzinsen erhöhen. Wir rechnen mit einer Erhöhung aller drei Zinssätze um 25 Basispunkte. Angesichts von Inflationsraten nördlich von 8%, weit oberhalb der 2%-Preisstabilitätsmarke der EZB, hat die Erwartungshaltung der und an die Währungshüter, die Abkehr von der ultra-expansiven Geldpolitik beschleunigt vorantreiben zu müssen, zugenommen. Andere Notenbanken sind vorausgeeilt, haben bereits frühzeitiger und vehementer ihre Zinswende eingeläutet, und zwar selbst um den Preis einer wirtschaftlichen Abschwächung. Darunter die US-Notenbank Fed, die auf ihrer letzten Sitzung im Juni einen Zinsschritt in Höhe von 75 Basispunkten vornahm, den grössten seit dem Jahr 1994, aber auch die kanadischen Notenbanker mit einer Erhöhung um sogar 100 Basispunkte.

Nicht ausgeschlossen, dass die Fed, wie aktuell an den Obligationsmärkten gepreist, Ende des Monats ebenfalls derart kräftig ihre Zinszügel strafft, was dem US-Dollar weiteren Aufwind verleihen könnte. Während ein erster zinspolitischer Normalisierungsschritt der EZB bereits auf der Juni-Sitzung signalisiert wurde und den Markt für sich genommen wenig bewegen dürfte, richtet sich das Augenmerk vielmehr auf den Zinsausblick sowie die Details zur Ausgestaltung des angekündigten «Anti-Fragmentierungsinstruments» angesichts gleich mehrerer Herausforderungen. Mitunter steht die EZB vor einer Quadratur des Kreises:

  1. einem Zielkonflikt von Inflations- und Konjunktursorgen (einer beschleunigten Verbraucherpreisinflation, die massgeblich auf Angebotsknappheiten und Produktionshemmnisse zurückzuführen ist),
  2. einem schwachen Euro-Wechselkurs, der erstmals seit fast zwei Dekaden auf Parität zum US-Dollar fiel, was den Inflationsdruck nur noch verstärkt,
  3. ausgeprägten Renditeunterschieden im Währungsgebiet und der Sorge vor «fundamental nicht gerechtfertigten Renditeunterschieden» bei
  4. erhöhter politischer Unsicherheit im hochverschuldeten Italien.

Entscheidender für Marktbeobachter als der erste Zinsschritt werden daher zwei andere Fragestellungen sein:

Was lässt all dies für die Finanzmärkte erwarten?

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