BlackRock: Aktueller Blick auf die Märkte – Risiken für Korrektur nehmen zu

BlackRock: Aktueller Blick auf die Märkte – Risiken für Korrektur nehmen zu
Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Angesichts der Aktienmärkte, die von einem Höchststand zum nächsten eilen, und Bewertungen weit jenseits der langjährigen Durchschnitte werden Warnungen vor einem Platzen der vermeintlichen Blase immer lauter. In der Tat könnte die Diskrepanz zwischen der Corona-gedämpften Lebensrealität der meisten Menschen einerseits und Finanzmärkten in Champagnerlaune andererseits kaum grösser sein.

Da mag es helfen, sich den vorwärtsgewandten Blick der Märkte in Erinnerung zu rufen. Das, was Investoren zurzeit einpreisen, wird in den nächsten sechs bis zwölf Monaten geschehen, mit anderen Worten der wirtschaftliche Optimismus, der in den gegenwärtigen Kursen abgebildet ist, wird sich in der zweiten Jahreshälfte und darüber hinaus Bahn brechen. Einen Vorgeschmack darauf dürfte die gerade begonnene Berichtssaison für das erste Quartal bieten. Die Gewinnrevisionen der Analysten jedenfalls sind steil nach oben gerichtet, und wenn demnächst die aktuellen Kursniveaus durch deutlich gestiegene Gewinnprognosen zu teilen sind, sollten sich auch neue Bewertungsspielräume für Aktien ergeben. Dies umso mehr, wenn zinstragende Anlagen unattraktiv bleiben und die Finanzmathematik weiterhin die Attraktivität von Unternehmensbeteiligungen unterstützt.

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Fundamental spricht also mehr für Aktien als die gelegentlich bemühte Blasenrhetorik suggeriert. Das bedeutet aber nicht, dass keine Risiken drohen. Zuletzt ist die Volatilität europäischer Aktien auf rund 16% gesunken, gut 7% niedriger als zu Jahresbeginn. Angesichts der verbesserten Aussichten auf den wirtschaftlichen Neustart aus der Covid-Pandemie mag die Bierruhe vieler Investoren verständlich erscheinen, allerdings haben sich im Hintergrund Unsicherheiten an anderer Front aufgebaut. Die geopolitischen Spannungen haben nämlich zuletzt deutlich zugenommen. Das Auftreten der US-Regierung gegenüber China und Russland erregt Aufmerksamkeit.

Gegenüber China geht es um die amerikanische Sicherheitsgarantie für Japan, bei der US-Präsident Joe Biden scheinbar beiläufig auch auf das nukleare Potenzial seines Militärs hinwies. Dies wurde in Peking, vermutlich zu Recht, als kaum verhohlene Drohung verstanden, es mit territorialen Machtspielchen im Chinesischen Meer nicht zu weit zu treiben. Und gegenüber Russland haben sich die Fronten ebenfalls massiv verhärtet. Sowohl die willkürliche Einkerkerung und offensichtlich unzureichende Gesundheitsversorgung des Regimekritikers Nawalny als auch die russische Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine und im Asowschen Meer rufen amerikanische Aussen- und Sicherheitspolitiker auf den Plan.

Derartige Verhärtungen in den Positionen der bestgerüsteten Militärblöcke der Welt – nicht wenige Sicherheitsexperten reden von konkreter Eskalationsgefahr – haben in den vergangenen Jahrzehnten oft ihre Spuren in der Risikobereitschaft von Investoren hinterlassen. Während also Anleger angesichts des bevorstehenden post-Covid-Durchstartens der Weltwirtschaft Optimismus versprühen, könnte sich an der geopolitischen Front ein erhebliches Rückschlagrisiko aufbauen. Je teurer die Märkte optisch werden, desto grösser ist es.

Derweil sich die Hoffnungen darauf konzentrieren, dass die USA nicht nur beim Impfen und Ende der Lockdowns voranpreschen, sondern auch noch die Bösewichte dieser Welt erfolgreich in Schach halten, versinkt Europa in der Bedeutungslosigkeit. Man muss gar nicht das unsägliche „Sofa-Gate“ von Ankara bemühen, bei dem offenbar wurde, wie wenig von der Leyen, Michel & Co. selbst einem angeschlagenen Diktator wie Erdogan entgegenzusetzen haben. Denn ebenso fehlt es an stringenten – und vor allem einheitlichen – Positionen gegenüber China (Uiguren, Hongkong, Taiwan etc.), aber auch Russland (Nordstream 2, Ukraine, Syrien), hauptsächlich, weil man sich in Situationen hineinmanövriert hat, die ganz Europa durch Moskau und Peking genauso erpressbar machen wie durch den Despoten am Bosporus. Zu Recht schauen viele Europäer auf Deutschland. Ringt sich die künftige Bundesregierung dazu durch, gemeinsam mit den EU-Part- nern China und Russland die Stirn zu bieten, auch um den Preis, dann künftig weniger Autos zu verkaufen und mehr für Energie zu bezahlen? Ich glaube das erst, wenn ich es sehe.

Verhaltener Blick auf Europas Frühindikatoren
Ende dieser Woche dürfte der Blick auf die Einkaufsmanagerindizes (PMI) den asynchronen Neustart der Volkswirtschaften in den USA und Europa betonen. Denn die europäischen PMIs dürften eher in einer Grössenordnung von 52 stagnieren, während der amerikanische Gesamtindex die 60 überschreiten könnte. Für die EZB, deren Rat übermorgen zusammentritt, wird der verhaltene Ausblick auf den Neustart wohl einen weiteren Grund dafür liefern, die Füsse stillzuhalten. Wenn überhaupt mit einer Änderung der Geldpolitik zu rechnen ist, dann stehen angesichts eines verzögerten Neustarts der Wirtschaft und einer Kerninflationsrate, die immer noch mit der 1%- Marke kämpft, die Zeichen in der Eurozone wohl eher auf weiterer Expansion. (BlackRock/mc/pg)

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